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Die Einheit aller Einzelseelen

Wir lehren daß die Seele jedes Einzelwesens eine sei, weil sie überall am Leibe als Ganzes zugegen ist, und in der Tat ist sie auf diese Weise eine, da nicht ein Teil von ihr an dieser Körperstelle, ein andrer an jener ist; auch bei den nur wahrnehmenden Wesen (den Tieren) ist sie als Wahrnehmungsseele, ja auch bei den Pflanzen ist sie in dieser Weise als Ganze überall und in jedem Teile –: ist denn nun ebenso auch meine und deine Seele eine und alle Seelen eine? Ferner: die Allseele im Universum ist eine, nicht der Masse nach geteilt, sondern überall identisch (denn warum sollte die Seele in mir eine sein, die im All aber nicht eine? denn auch dort ist die Seele weder Masse noch Körper); stammt nun aus der Allseele die meine wie die deine, und ist die Allseele eine, so müssen diese beiden auch eine sein; und auch wenn die Allseele und die meine aus der einheitlichen (Gesamt-) Seele stammen, so sind wiederum alle Seelen eine. Diese Einheit nun aber, welcher Art ist sie?

Doch zuvor ist zu erörtern, ob der Satz zu Recht besteht, daß so wie die Seele eines Einzelwesens auch die Seelen allesamt eine sind. Es scheint doch ein Unding, wenn meine Seele und die jedes beliebigen andern eine sein sollen. Dann müßte ja wenn ich wahrnehme, auch ein anderer wahrnehmen, und wenn ich gut bin, auch jener gut sein, begehren wenn ich begehre, überhaupt müßten wir miteinander sowie mit dem All gleiche Empfindungen haben; so daß, wenn ich affiziert bin das All davon eine Mitempfindung hätte. Ferner aber, wenn alle Seelen eines sind, wie kann dann die eine vernunftbegabt, die andere vernunftlos sein, und die in Tieren verschieden von denen in Pflanzen? Auf der andern Seite, wenn wir jene Annahme nicht machen, dann kann das All nicht eins sein und es läßt sich kein einheitlicher Ursprung der Seelen mehr finden.

[2]Erstlich nun also, wenn meine Seele eins mit der eines andern ist, so ist deshalb noch nicht auch das eine Gesamtwesen aus Körper und Seele identisch mit dem andern. Denn ein Identisches das zwei verschiedenen Dingen innewohnt, braucht deshalb nicht in beiden die gleichen Affektionen zu haben, z. B. ‘der Mensch’, der in mir ist wenn ich bewegt werde; denn wenn ich bewegt werde und du nicht bewegt wirst, wird eben der Mensch in mir ein bewegter in dir ein ruhender sein. Ebensowenig ist es merkwürdig, und also kein Unding, daß die Seele in mir und dir identisch ist; also keineswegs braucht deshalb ein anderer wenn ich wahrnehme, unbedingt dieselbe Empfindung zu haben. Hat doch auch im Leib, der eine Einheit ist, die eine Hand kein Empfinden von der Affektion der andern, sondern nur die Seele des ganzen Leibes. Die Folgerung du müßtest meiner Affektion mit bewußt werden, würde also nur zutreffen wenn es sich um eine aus uns beiden bestehende Einheit, einen zusammenhängenden Körper handelte; wenn sie so körperlich zusammenhingen, dann müßten allerdings beide Seelen das gleiche empfinden. Weiter ziemt es sich auch zu bedenken, daß oft dem Gesamtwesen gar nicht alles zum Bewußtsein kommt auch von dem, was in einem und demselben Leibe geschieht, und das umso eher wenn der Körper von besonderer Größe ist; so kommt, wie man erzählt, bei großen Seetieren eine Affektion an einem Körperteil dem Ganzen wegen der Geringfügigkeit der Erschütterung gar nicht zum Bewußtsein. Es ist also nicht notwendig, daß wenn ein Einzelteil affiziert wird, davon dem Ganzen ein klar artikulierter Eindruck zum Bewußtsein kommt; daß es überhaupt mitempfindet, ist nicht unglaubhaft und braucht nicht aufgegeben zu werden, aber es ist nicht notwendig, daß ein bewußter Eindruck davon stattfindet.

Daß die Allseele aber in mir gut, in einem andern böse ist, ist so gut möglich wie ein und dasselbe in dem einen in Bewegung, im andern in Ruhe sein kann. Wir fassen sie ja nicht in dem Sinne als eine, daß sie durchaus der Vielheit unteilhaftig wäre; das ist der oberen Wesenheit vorbehalten; sondern wir sagen, daß sie eines und Vielheit ist und Teil hat an der ‘Wesenheit die an den Körpern sich teilt’ und anderseits ‘an der unteilbaren’, so daß sie wiederum eine ist. Und weiter, wie in mir die Affektion eines Teiles nicht das Ganze zu ergreifen braucht, während das was an der höheren Stelle in mir geschieht, einen Einfluß auf den Teil ausübt, so sind die Wirkungen vom All aus auf das Einzelne offenkundiger – leiden wir doch vielfach mit was im All vorgeht –, während es undeutlich bleibt ob die von uns ausgehende Wirkung eine nennenswerte Beisteuer zum All bedeutet.

[3]Wir müssen sogar im Gegenteil aufgrund von Tatsachen folgern, daß auch wir miteinander Empfindungsgemeinschaft haben. Wir empfinden ja beim bloßen Sehen Schmerz mit oder werden zum Entzücken angeregt und von Natur zur Freundschaft hingezogen; denn offenbar ist die Freundesliebe durch diese allgemeine Empfindungsgemeinschaft bedingt. Und wenn Beschwörungen und überhaupt Magie die Menschen zusammenbringt und sie aus der Ferne mitempfinden läßt, so ist das doch unbedingt nur durch die Einheit der Allseele möglich. Auch ein leise gesprochenes Wort wirkt manchmal in die Ferne und findet Gehör bei einem Wesen das wer weiß wie weit entfernt ist. Aus alledem kann man die Einheit aller Dinge ersehen, die darauf beruht, daß die Seele eine ist.

Wie kann nun aber, wenn die Seele eins ist, die eine vernunftbegabt, die andre vernunftlos, und eine weitere nur vegetativ sein? Etwa so: das was an der Seele ungeteilt ist, ist als das Vernünftige anzusetzen, das teilt sich nicht in den Körpern. Das aber ‘was sich an den Körpern teilt’, ist auch seinerseits Eines; indem es sich aber an den Körpern teilt, ermöglicht es die im ganzen Körper lokalisierte Wahrnehmung; dies ist als eine andere Fähigkeit der Seele anzusetzen; und drittens als noch eine andere Fähigkeit das Vermögen, welches Körper formt und schafft. Keineswegs aber ist die Seele, weil ihre Fähigkeiten mehrere sind, deshalb nicht eine. Auch im Samen sind mehrere Kräfte und trotzdem ist er eines, und aus diesem Einen werden viele Eine. Weshalb sind nun diese Seelenvermögen nicht alle in jedem Wesen? Nun, auch bei der individuellen Seele, von der es heißt daß sie an allen Stellen des Körpers ist, ist nicht in allen Teilen gleiche Wahrnehmung und die Vernunft ist nicht im ganzen Körper und das Vegetative ist auch da wo keine Wahrnehmung ist; und trotzdem steigt sie wieder zur Einheit auf wenn sich der Körper abscheidet. Wenn ferner die Einzelseele das Vegetative (die Wachstumskraft) aus dem All erhält, so gehört es auch der Allseele an. Aber weshalb soll die Wachstumskraft nicht von unserer Einzelseele stammen? Weil das Wachsende (vegetativ Geformte) ein Teil des Alls ist, derjenige der passive Wahrnehmung besitzt; die Wahrnehmungskraft aber, die mit Hilfe des Geistes sichtet, gehört dem Einzelwesen an, und mit ihr brauchte die Einzelseele nicht mehr zu formen was vom All her schon seine Formung erhalten hat. Gewiß würde sie es auch selbst geformt haben, wenn sie nicht in diesem unserm ganzen Leibe sein müßte.

[4]Dies wurde ausgeführt, damit man nicht Anstoß nehme an der Zurückführung auf die Einheit; indessen muß noch dargelegt werden, in welchem Sinne diese Einheit der Seele zu verstehen ist. Es fragt sich nämlich ob alle Seelen eine sind sofern sie aus der Einen stammen, und wenn das, ob diese eine sich dann teilt, oder zwar ganz bleibt aber nichtsdestoweniger viele aus sich hervorbringt. Aber wie kann sie eine bleiben und doch viele aus sich hervorbringen? So wollen wir denn Gott anrufen unser Helfer zu sein und es aussprechen, daß notwendig eine vorher sein muß, wenn viele sein sollen, und daß die vielen aus dieser einen stammen müssen. Wenn diese nun etwa ein Körper ist, so muß sie bei der Entstehung der vielen geteilt werden, wobei die einzelnen in ihrer Substanz völlig voneinander verschieden würden. Ist aber die Eine Seele homogen (aus gleichartigen körperlichen Bestandteilen), dann würden sie alle gleicher Gattung sein, indem sie alle dieselbe Gattung als Ganzes an sich trügen, und nur durch die verschiedene Masse andere; wenn dann ihr Seelesein auf der zugrundeliegenden Masse beruhte, dann müßten sie voneinander verschieden sein, wenn aber auf der Gattung, dann wären sie ‘der Gattung nach’ eins. Das heißt aber, daß es eine Seele gibt, die als ein und dieselbe in vielen Körpern ist, und vor dieser einen die in vielen ist, wieder eine andere, die nicht in vielen ist, aus der die ‘eine in vielen’ stammt, gleichsam ein Spiegelbild, das an viele Stellen gelangt, von der Einen, die nur in Einem ist, so wie viele Siegel denselben Abdruck von einem Petschaft tragen. Bei der ersten Annahme nun würde die eine Seele zu den vielen aufgebraucht; im zweiten Falle wäre die Seele also unkörperlich. Aber auch wenn man sie lediglich Affektion sein läßt, so hätte es nichts Verwunderliches, daß sie, die dann als eine Qualität aus einem Einen würde, in Vielen wäre; sogar wenn sie als Vereinigung von Affektion und Substrat bestimmt wäre, hätte das nichts Verwunderliches.

[5]Aber wir setzen sie ja an als unkörperlich und Substanz; wie kann sie also als eine Substanz in vielen sein? Entweder ist die Eine als Ganze in allen, oder die vielen kommen aus der Ganzen und Einen, indem sie in sich beharrt. Sie ist eine, die vielen aber gehen auf diese als Eine zurück, welche sich in die Vielheit hineingibt und wiederum nicht hineingibt: sie ist im Stande sich allen zu gewähren und doch eine zu bleiben; ihr Vermögen erstreckt sich über alle Dinge zusamt, und dabei ist sie nicht gänzlich vom einzelnen Ding abgeschnitten; so ist sie in dem Vielen das Identische.

Man halte das nicht für unglaubwürdig; ist doch auch die Wissenschaft eine ganze, und ihre Teile sind auch ganze, sie lassen sie als ganze bestehen und kommen doch aus ihr; und der Same ist ein Ganzes und die Teile kommen aus ihm, in welchen sich zu teilen in seinem Wesen liegt, und jeder dieser Teile ist das Ganze und doch bleibt das Ganze ungemindert ein Ganzes, und alle sind Eins, nur die Materie hat die Teilung hervorgerufen. Aber, könnte man einwenden, in der Wissenschaft ist der Teil nicht das Ganze. Nun, auch in ihr ist das was man gerade betreibt, weil man seiner bedarf, der Aktualität nach Teil, und steht im Vordergrund, das zieht jedoch unvermerkt alles andre potential mit sich, und so steckt alles in diesem Teil. Vielleicht hat überhaupt der Ausdruck Ganzes und Teil in der Wissenschaft diese Bedeutung: in der ganzen sind zugleich alle Teile der Aktualität nach, jedes das du hervorholen willst ist also dort bereit; in dem Teil aber ist nur das gerade Behandelte aktual vorhanden; doch erhält es gewissermaßen seine Kraft daher, daß es dem Ganzen sich nähert. Für ganz losgelöst von den andern Wissensinhalten darf man es nicht halten; sonst wäre es nicht mehr kunstgerecht und wissenschaftlich, sondern als ob ein Kind redete. Ist es aber wissenschaftlich, so enthält es potential alle andern in sich. Zieht doch der Forscher, wenn er näher bei ihm verweilt, sozusagen in notwendiger Folge alle andern heran; so zeigt der Mathematiker in der geometrischen Analyse, daß dieser eine Satz alle früheren in sich enthält, durch die eben die Analyse vollzogen wird, aber auch die weiteren Sätze die aus ihm hervorgehen.

Aber diese Fähigkeiten der Seele hält man wegen der menschlichen Schwachheit für unglaubwürdig; sie werden durch den Leib verdunkelt; in der oberen Welt aber ist das alles und jedes einzelne leuchtend klar.

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