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WIR HABEN ANGST, UNS ZU VERÄNDERN

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Manchmal halten wir Menschen mit Müh und Not unser Leben zusammen. Wir halten an etwas fest, lassen es nicht aus, weil wir dem Unvorhergesehenen keine Chance lassen wollen. Wir lieben das gewohnte Unglück mehr als das ungewohnte Glück.

Ich habe einmal in einer sehr unbefriedigenden Paarbeziehung gelebt. Meine damalige Partnerin hat unter anderem nur das Notwendigste mit mir gesprochen und keinerlei Anteil an meinem Leben genommen. Ich war sehr unglücklich, habe mich verneint gefühlt, ungeachtet einer möglichen eigenen Verantwortung für die Beziehungsmisere. Ich wusste zwar, dass die Beziehung sehr ungesund für mich war. Trotzdem konnte ich mich nicht trennen. Ich hatte auch meine persönlichen Antworten auf diese Frage, die mir jetzt im Nachhinein gesehen eher als persönliche Ausreden erscheinen.

Nach vielen langen Jahren, die ich aus jetziger Sicht lieber nicht so verbracht hätte, konnte ich verstehen, dass es nur einen Grund dafür gab, dass ich an meiner Lebenssituation nichts geändert hatte. Ich hatte mir am Anfang der Beziehung gesagt, dass sie ein unverdientes Geschenk für mich bedeuten würde, das mir als großes Glück zugefallen war. Diese Stiftungsidee ließ mich an dieser Beziehung krampfhaft festhalten.

Alles was wir im Leben festhalten, das wollen wir unbedingt selbst kontrollieren. Eines Tages, ich erinnere mich genau, sagte ich mir: Ich verspreche mir, nicht mehr an dieser Beziehung festzuhalten und mich dem zu beugen, was sich unter diesen Umständen herausstellt. Ich wollte demütig annehmen, was diese Beziehung ohne mein Zutun sein konnte. Denn ich wusste nicht, ob mein Festhalten die Ursache für die schlechte Beziehung war oder ob mein Festhalten die Beziehung, obwohl sie eigentlich tot war, konsolidierte. Ich wusste nicht, ob ich auf einem toten Pferd ritt oder ob das Pferd deshalb wie tot war, weil ich mich krampfhaft im Sattel festhielt. Es dauerte noch ein Jahr, bis ich getrennt war. Ich bin dankbar und froh über diese Erfahrung.

Es geht mir darum zu zeigen, wie eigenartig es ist, dass wir uns auch dann vor dem Leben, das auf uns zukommt, scheuen, wenn wir in unserer momentanen Situation todunglücklich sind. Dabei ist das Festhalten an der eigenen Biografie doch ein Symptom des Altseins. Lassen wir uns und die Welt, wie sie uns gegenübertritt, los und modifizieren, dann sind wir vom Leben getragen und können, wie Hermann Hesse es in seinem berühmtesten Gedicht »Stufen« so treffend und poetisch ausdrückt, »uns neuen Räumen jung entgegensenden«.

Man kann nicht rückwärtsgewandt leben, ohne gleichzeitig alt zu sein.

Mit einer derartigen Kompensation von Defiziten, wie wir sie oft betreiben, wird das Neue, das ins Leben will, verhindert. Diese Art rückwärtsgewandte innere Haltung verhindert Leben in unserem Leben.

Wie viele Männer und Frauen haben Affären, damit sie die eigenen Beziehungen aushalten können. Wie viele nehmen Alkohol oder andere Suchtmittel zu sich, um sich mit wesentlichen Aspekten im Leben nicht konfrontieren zu müssen. Das alles soll ihre Lebenssituation konservieren und verhindert den Aufbruch ins Neue. Stattdessen macht es die Menschen sehr alt, obwohl sie das damit natürlich nicht bezwecken. Aber man kann nicht rückwärtsgewandt leben, ohne gleichzeitig alt zu sein, egal wie alt an Jahren man sein mag.

Die einzige Möglichkeit, im Alter jung zu sein, ist hingegen, nicht jung bleiben zu wollen, sondern das Jungsein zu leben. Das Jungsein zu leben bedeutet aber, nicht das Verlorene zu kompensieren, mit ungeheurem Energieaufwand, sondern das Gegenwärtige in sich aufzunehmen und Teil von sich selbst werden zu lassen. Das erzeugt dieses unbändige schöne Funkeln in den Augen der immer jungen Menschen, deren Jugend so unsterblich geworden ist.

Alter ist eine Illusion

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