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WIR HALTEN AN DER JUGEND FEST

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Wir leben in einer Kultur, die die Jugend verherrlicht. Das ist unbestreitbar und offensichtlich. Die Menschen in unserem Kulturkreis trachten für gewöhnlich danach, möglichst jung zu wirken. Dafür wird beträchtliche Energie aufgewandt. Es kann mühsam werden, gegen die eigene Natur anzukämpfen und zumindest im Hinterkopf zu ahnen, wenn nicht zu wissen, dass man diesen Lauf letztlich nicht gewinnen kann. Die Natur setzt sich am Ende zweifelsohne durch. Manche wollen es nur nicht wahrhaben. Andere wieder nützen wenigstens die Zeit, in der es noch nutzt, sich auf jung zu trimmen. Zeitweilig gelingt der Versuch ja nicht schlecht …!

Manche sind allerdings ungerechterweise genetisch bevorzugt. Irgendwann, im mittleren Lebensalter, wird es dann aber früher oder später unübersehbar, wenn jemand, aufgesetzt mit modischen Accessoires, unbeirrt versucht, sein Selbstbild ins Heute zu retten. Unserem Jung-bleiben-Wollen ist ein tragisch-komisches Element häufig nicht abzusprechen, zumindest wenn man es mit ein wenig Distanz betrachtet.

Doch auch bei den diesbezüglich Erfolgreichen unter uns, denen der Versuch, jung zu bleiben, gut gelingt, wird er nicht selten offensichtlich mit Unlebendigkeit bezahlt. Dieser Befund ist, gelinde gesagt, widersprüchlich in sich und daher durchaus originell. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Durch den Versuch, jung zu bleiben, entsteht ein Mangel an Lebendigkeit. Das Zwanghafte, oft Verbissene daran, sei es den Körper zu trimmen, um seinen Verfall aufzuhalten, oder modisch seine Zwanziger noch mal aufblühen zu lassen, hat etwas Rigides. Es wird an etwas festgehalten, das seine Zeit hatte, und das was ist, den Jetzt-Zustand, ignoriert. Dabei ist die Jugend eigentlich die Zeit der größten Vitalität. Welch ein Widerspruch! Masken sind eben leider nur Symbole von Gesichtern. Ihnen ist nicht wirklich Leben eingehaucht. Wenn man in manche starren Gesichter blickt, dann sieht man auf den ersten Blick, dass da etwas konserviert werden soll. Ich meine durchaus nicht nur das Resultat schönheitschirurgischer Interventionen: Es ist an und für sich starr, wenn man sich bewahren will, statt sich weiterzuentwickeln.

Gerade vor einigen Tagen bin ich einem freundlichen Herrn mittleren Alters begegnet, der mir erzählte, dass er jeden Tag zwei Stunden lang im Fitnesscenter verbringt. Ich fragte: »Jeden Tag?« Er bestätigte: »Auch an Weihnachten und Neujahr.« Um ehrlich zu sein, wirkte er auf mich etwas alt. Trotz oder vielleicht gerade wegen seines schlanken, gestählten Äußeren wirkte er roboterhaft, schien auch sonst in seiner Lebensführung und in seinen Meinungen festgezurrt. Er war sicherlich auch ein wenig erschöpft. Pläne abzuarbeiten erschöpft meistens, sind sie doch selbst dann etwas Femdbestimmendes, wenn wir selbst ihre Schöpfer waren oder sind.

Wenn wir uns als der junge Mensch, der wir einmal waren, bewahren wollen, sind wir konservativ. Ist jung sein und konservativ sein kompatibel? Vermutlich nein. Das Wesen des Jungseins ist die Neugierde, der Aufbruch, der Lebenshunger und vieles andere mehr; aber das Wesen des Jungseins ist nicht: »So bleiben wollen, wie man ist«. Stereotypien sind ein Zeichen des Alters, junge Menschen kennen sie nicht. Auf diese Weise laufen Menschen herum, die sich gerade dadurch, dass sie unbedingt jung sein wollen, als Alte zu erkennen geben.

Ich möchte allerdings niemandem die Freude daran nehmen, schön sein zu wollen. Sich schön zu fühlen und diese Schönheit auch in seinem Umgang mit dem Körper auszudrücken, scheint mir eine uneingeschränkt wünschenswerte Angelegenheit zu sein. Und mit einem solchen Schön-sein-Wollen werden wir uns auch nie vollkommen von den gesellschaftlichen Konventionen lösen können.

Die Frage ist aber doch: Was lässt uns schön aussehen? Doch nicht der Wunsch, jung zu bleiben. Schön sind wir, wenn wir glücklich sind. Die körperliche Schönheit ist ein Resultat der Kongruenz der Lebensführung mit unserem inneren Wesen. Mehr geht nicht! Mehr muss wohl auch nicht sein.

Versuchen wir doch, schön zu werden, statt jung zu bleiben.

Wir sollten so leben, dass wir uns in jeder Lebenssituation ohne Wenn und Aber zeigen können. Transparenz ist Reinheit – und Schönheit eine unweigerliche Konsequenz davon. Wie jeder weiß, gibt es faszinierend schöne Menschen in jedem Alter. Und es gibt in jedem Alter wenige Schöne. Meine Idee ist: Versuchen wir doch, schön zu werden, statt jung zu bleiben.

Aber unsere Gesellschaft tickt anders. Wir wollen unbedingt jung bleiben. Doch leider wird es so nicht gehen und schlägt ganz offensichtlich ins Gegenteil um. Das »Etwas-bleiben-Wollen« ist ein untrügliches Zeichen des Alters. Was möglich ist, ist jung zu sein. Es gibt kein Lebensalter, in dem man nicht jung sein kann. Eine Redensart, die man verwendet, unterstreicht die Intensität des Augenblickes bei Begegnungen: »So jung kommen wir nicht mehr zusammen«. Jeder Morgen ist ein Aufbruch ins Leben, jeder Moment ist ein Genussangebot.

Wir sollten uns also nicht so sehr mit dem Jungbleiben beschäftigen als vielmehr mit dem Jungsein. Und jung zu sein heißt glücklich zu sein, im Einklang mit unserem Inneren zu leben. So können wir die Lebendigkeit, die uns das Leben eingehaucht hat, am besten nützen und müssen uns nicht rückwärtsgewandt mit etwas beschäftigen, was angeblich vor uns liegt.

Alter ist eine Illusion

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