Читать книгу Gesetzlose Städte, raue Männer: Alfred Bekker präsentiert 9 Western - R. S. Stone - Страница 22
3
ОглавлениеIch war zwar schon einige Male in Channing, aber mit Glenn Jensen hatte ich noch nie das Vergnügen. Da mir bekannt war, dass ihm das Hotel gehörte, fragte ich den Rezeptionisten, wo Jensen gewöhnlich lebte, und erfuhr, dass er hier in der Stadt ‚residierte’. Die Ranch verwaltete Cole Ferguson, sein Vormann.
Ich wusch mich und rasierte mir die Bartstoppeln aus dem Gesicht, zog ein frisches Hemd an und ging dann in den Saloon, um etwas zu essen und vor allem um mich umzuhören. Hier stank etwas gewaltig zum Himmel, und ich wollte herausfinden, was das war.
Der Saloon war teuer eingerichtet. Die Theke war aus poliertem Holz, eine Treppe, die mit einem roten Teppich ausgelegt war, führte in die obere Etage, von den Decken hingen aufwändige Lampen und auch an den Wänden waren in regelmäßigen Abständen Lichtquellen befestigt. Es gab sogar drei Spieltische.
Als ich den Schankraum betrat, saßen nur an wenigen Tischen vereinzelte Gäste. Die Spieltische waren frei. Nachdem ich gegessen hatte, war der Saloon voll, auch die Spieltische waren besetzt und sogar an der Theke standen die Gäste.
Mir fiel auf, dass sich drei Männer, die mit schwarzen Hosen und weißen Hemden bekleidet und mit Revolvern und Schrotflinten bewaffnet waren, an verschiedenen Stellen postiert hatten. An einem der Spieltische hatte ein großer, schwergewichtiger Mann Platz genommen, und ich war davon überzeugt, dass es sich um Glenn Jensen handelte. Er rauchte eine dicke Zigarre und trank Bourbon, gab sich absolut jovial und verströmte ein hohes Maß an Autorität.
Er war ein Boss – unverkennbar, einer der sich aus dem Nichts hochgearbeitet hatte. Früher hatte er seinem Willen sicherlich mit den Fäusten Geltung verschafft, nun ließ er seine Kettenhunde von der Leine, wenn er es für notwendig hielt.
Mir gefiel er nicht.
Am Tresen standen zwei Männer, die meine Aufmerksamkeit erregten. Sie trugen derbe Kleidung und geschnürte Arbeitsschuhe, auf dem Kopf des einen saß eine flache Mütze, die schmutzig und abgegriffen war, der andere trug einen verbeulten Hut, dessen Krempe jegliche Form eingebüßt hatte.
Meiner Meinung nach waren das Siedler oder Heimstätter, und zu ihnen gehörten die beiden Fuhrwerke auf der Straße. Sie tranken Bier, nippten aber nur daran, als fürchteten sie, dass der Krug zu schnell leer wurde. Beide waren um die fünfzig Jahre alt, grauhaarig und bärtig. Ihre Gesichter waren von Wind, Sonne und Regen gegerbt und zerfurcht, was ein entbehrungsreiches Leben verriet. Waffen sah ich bei keinem von ihnen.
An den Spieltischen wurde gepokert. Ich konzentrierte mich wieder auf Glenn Jensen, aber so, dass es nicht auffiel. Ich wollte mir ein Bild von diesem Burschen machen, ihn erforschen und einschätzen. Einen ersten Eindruck hatte ich mir schon gemacht, aber ich wollte objektiv bleiben. Das war ich meinem Job, also dem Stern an meiner Brust, schuldig.
Hin und wieder lachte er brüllend. Einmal schlug er dem Mann, der neben ihm saß, der flache Hand auf die Schulter, was wohl eine kameradschaftliche Geste sein sollte, die aber den Getroffenen schmerzhaft das Gesicht verziehen ließ. Es war ein älterer, gesetzter Mann, vermutlich einer der Honoratioren der Stadt. Überhaupt saßen am Tisch Jensens nur Männer, die einen distinguierten, etablierten Eindruck vermittelten. Es waren wohl jene Bürger, die Jensen ‚hinten hineinkrochen’, wie es Emmett Hawkins formuliert hatte.
Als die Türpendel auseinanderflogen wurde ich abgelenkt. Fünf Männer betraten den Saloon. Sie erregten Aufsehen. Es waren große, hagere Kerle, geschmeidig und sicherlich ausgesprochen hartbeinig, die hereindrängten. Sie trugen die Colts tief geschnallt, und an ihnen schien alles ungewöhnlich und gefährlich, wild und unberechenbar zu sein. Ihre Blicke verrieten Wachsamkeit, von ihnen ging eine starke, unerbittliche Strömung aus.
Ich glaubte zu wissen, um wen es sich bei dem Quintett handelte, nämlich um Cole Ferguson, den Vormann der Diamant-J Ranch und die vier Kerle, die innerhalb der vergangenen Woche hier angekommen waren.
Sie erinnerten mich an ein Rudel Wölfe.
Knarrend und quietschend schlugen hinter ihnen die Batwings der Flügeltür aus. Ihre Absätze riefen auf den Dielen des Fußbodens ein hallendes Echo wach. Ich konnte es deutlich hören, denn in diesem Saloon ging es ziemlich gediegen zu. Es gab hier keine grölenden und johlenden Betrunkenen. Nicht einmal die Unterhaltungen wurden allzu laut geführt. Lediglich Jensens brüllendes Gelächter sprengte ab und zu diese gesetzte Atmosphäre.
Vier der Kerle gingen zum Tresen, der fünfte begab sich zu Jensen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich war mir sicher, dass es sich um Cole Ferguson handelte. Er passte zu den anderen vieren wie die Faust aufs Auge; sicherlich konnte er mit dem Revolver besser umgehen als mit einem Lasso. Jensen nickte und dann begab sich Ferguson zu den anderen bei der Theke.
Ich drehte mir eine Zigarette und rauchte. Eigentlich war ich müde, denn der Ritt von Amarillo herüber steckte mir doch in den Knochen. Aber irgendetwas – was es war, entzog sich meinem Verstand -, hielt mich hier im Saloon.
Vielleicht eine Eingebung, eine Art Intuition.
Aber es war gut so.
Denn kaum, dass eine Viertelstunde verstrichen war, seit das Quintett den Saloon betreten hatte, ging es los. Einer der Kerle löste sich plötzlich von der Theke und stakste mit seinem Whiskyglas in der Linken an den beiden Männern vorbei, die ich für Siedler hielt. Plötzlich stolperte er, Whisky schwappte aus seinem Glas, er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren, schaffte es aber und fuhr herum wie eine zustoßende Klapperschlange. „Welcher Teufel reitet dich denn, Mister?“, fauchte er und machte einen Schritt auf die beiden Siedler zu.
Die beiden Männer starrten ihn verständnislos an. „Was ist denn?“, fragte einer. „Du bist über deine eigenen Füße gestolpert.“
„Willst du etwa zum Ausdruck bringen, dass ich zu blöde bin, beim Gehen einen Fuß vor den anderen zu setzen?“, stieß der mit dem Whiskyglas hervor.
Im Saloon versickerten die Geräusche. Es war jetzt still wie in einem Leichenschauhaus um Mitternacht. Aller Augen hatten sich zur Theke gerichtet.
„Nein“, versetzte der Siedler, „das wollte ich ganz und gar nicht zum Ausdruck bringen. Ich wollte lediglich sagen, dass wir nichts dafür können, dass du gestolpert bist.“
„Einer von euch dreckigen Schollenbrechern hat mir ein Bein gestellt. Welcher? Du vielleicht, Graubart? Na los, raus mit der Sprache. Andernfalls stutze ich euch beide zurecht, dass ihr in keinen Schuh mehr passt. – Ich warte.“
Der grauhaarige Mann, der bisher gesprochen hatte, drehte etwas den Kopf und sagte zu seinem Nachbarn: „Es ist wohl besser, wenn wir zahlen und gehen, Harris.“
Jener Kerl, den ich für einen bezahlten Revolverschwinger hielt, stellte sein Schnapsglas weg und seine Hand legte sich auf den abstehenden Knauf des Revolvers. „Glaubt ihr denn allen ernstes, dass ich euch so billig davonkommen lasse? Als mir einer von euch den Fuß gestellt hat, war das eine Herausforderung. Ich nehme sie an. – Dan!“
„Hier, Steve. Was ist?“ Es war einer der anderen Männer, die mit Cole Ferguson gekommen waren.
„Gib dem Schollenbrecher deinen Revolver. Er findet es nicht für notwendig, sich bei mir zu entschuldigen. Also tragen wir es aus.“
„Ich hab dir kein Bein gestellt“, rief der Siedler, und ich konnte im Ton seiner Stimme unterschwellig die Angst schwingen hören, die ihn erfasst hatte.
Mir war klar, was hier ablaufen sollte. Was dieser Steve initiierte, war an Hinterhältigkeit und Niedertracht kaum zu überbieten.
Der Bursche namens Dan zog seinen Sechsschüsser aus dem Holster und ging damit zu dem Siedler hin. „Hier, Buddy, mein Colt. Nimm ihn. Steve ist sauer auf dich und du solltest dich wenigstens verteidigen können.“
Es klang wie Hohn in meinen Ohren.
Der Siedler machte keine Anstalten, nach dem Schießeisen zu greifen, das ihm Dan hinhielt.
„Du bist doch nicht etwa feige?“, fauchte Steve. „Heiliger Rauch, der Schollenbrecher kneift! Ho, muss ich dich erst schmählich verprügeln, um zu erreichen, dass du meine Herausforderung annimmst?“
„Ich kann nicht mit dem Revolver umgehen“, murmelte der Siedler. „Hör auf, Mister. Du weißt genau, dass ich dich nicht stolpern ließ. Aber ich kenne den Grund für deine Herausforderung. Schlag mich von mir aus. Doch erwarte nicht, dass ich zum Revolver greife, um dir die Gelegenheit zu geben, mich in sogenannter Notwehr zu töten.“
Steve trat vor den Mann hin, seine Linke zuckte hoch, ehe sie jedoch ins Gesicht des Siedlers klatschte, peitschte meine Stimme: „Es ist genug!“
Für die Spanne dreier Herzschläge schien im Saloon alles erstarrt zu sein und die Zeit schien stillzustehen.
Doch dann wirbelte Steve herum, duckte sich etwas und schaute mich mit einem Blick an, in dem sich Überraschung und Wut vermischten. „Wer bist …“ Er brach ab, denn jetzt hatte er den Stern an meiner Jacke wahrgenommen. „Ah, ein Sternschlepper. Mit welchem Recht mischt du dich hier ein?“
„Mit dem Recht dessen, der das Gesetz vertritt“, antwortete ich gelassen und erhob mich, während ich sprach.
Auch dieser Dan hatte sich mir zugewandt, seine Hand mit dem Colt war nach unten gesunken, der Arm hing schlaff von seiner Schulter und die Mündung des Schießeisens deutete auf den Fußboden.
Langsam ging ich zwischen den Tischen auf Steve zu. „Das sind perfide Spielchen, die Sie hier treiben, Mister“, erklärte ich. „Und ich schaue ganz sicher nicht zu, wie sie einen Mann, der nicht den Hauch einer Chance gegen Sie hat, bis aufs Blut reizen, um ihn zu nötigen, zur Waffe zu greifen, und ihn dann kaltblütig zu ermorden.“
„Was unterstellst du mir, Sternschlepper?“, presste Steve zwischen den Zähnen hervor.
Einen halben Schritt vor ihm hielt ich an.
Die Stimmung im Schankraum war explosiv; der Saloon glich plötzlich einem Pulverfass, in das nur noch ein Funke zu fallen brauchte.