Читать книгу Andere Länder, andere Straßen - Rad Mane - Страница 14

Оглавление

Kapitel 10

Armenien, klein und stolz

Armenien ist nicht besonders groß und ich denke, auch nicht besonders reich. Das machte sich gleich nach der hochgelegenen Grenzstation bemerkbar. Die Straßen waren zwar etwas besser, sie als gut zu beschreiben, wäre aber übertrieben. Mein Weg führte mich über die Stadt Gyumri nach Jerewan, die Hauptstadt von Armenien. Gyumri war die erste Stadt, die ich nach der Grenze erreichte, und ich war sehr begeistert vom Stadtkern. Schöne Plätze, Einkaufsmeilen und Kneipen luden mich ein, hier nach den anstrengenden Bergetappen einen Tag Pause zu machen. Mit der Zeit hatte ich kein Problem, ich lag meinem Zeitplan bereits wieder voraus. Das Wetter war schön, und ich fand ein gutes Bett mitten im Zentrum.

Diesen Tag genoss ich sehr, und obwohl ich eigentlich nicht unbedingt ein Museumsfan bin, schaute ich mir ein Museum über Geschichte und Brauchtum der Armenier an. Es war sehr interessant, zumal weit ab von meiner Heimat sogar eine Singer-Nähmaschine ausgestellt war.

Die Fahrt nach Jerewan war dann eigentlich eher eine Abfahrt. Ein paar kleinere Anstiege und schon ging es zügig voran in die Hauptstadt. Da es noch recht früh am Tag war, als ich mitten im Zentrum stand, gab ich mir nur eine halbe Stunde Mittagspause und fuhr danach noch einige Kilometer in Richtung Sevansee, um schon ein paar Höhenmeter hinter mir zu haben. Jerewan liegt etwa 1000 m tiefer als der Sevansee. Nach weiteren 15 km steil bergauf war die Luft raus, und ich nahm mir in einer Pension ein Zimmer. Schließlich wollte ich mir am nächsten Tag die Hauptstadt ansehen und musste das Ganze ja zurückfahren. Die Besichtigungsfahrt mit dem Rad war dann eher wieder ein Trainingstag. Zwar ging es in die Stadt nur bergab, dafür bestand das Stadtgebiet aus mehreren Schluchten und Hügeln.

Einen ebenen Fleck gab es nur im Regierungsviertel, wo man auch die schönsten Plätze und Gebäude besichtigen konnte. Auffallend war, dass die Geschäfte und die Gastronomie hier am Morgen sehr schleppend in die Gänge kamen. Es war bereits 11 Uhr, bis sich die Stadt langsam zu füllen anfing. Da war ich schon fast fertig mit meiner Besichtigung. Am Mittag traf ich dann noch eine schwäbische Reisegruppe, die mir fast nicht glauben wollte, dass ich mit dem Rad hier war.

Zurück in meiner Unterkunft verpflegte ich mich mit einem Vesper auf meinem Zimmer und verfolgte per WhatsApp, wie Bayern zum wiederholten Male Deutscher Meister wurde.

Dann ging es weiter an den Sevansee. Es hatte in der Stadt einen ersten heißen Tag mit 30 Grad gegeben, und diese Wärme spürte man immer noch.

Je höher ich aber kam, desto kühler wurde es, und das Wetter schlug um. Als ich am Mittag den Sevanseee erreichte, war es noch schön, obwohl vom Westen her dicke Wolken heranflogen.

Die Suche nach einem Zimmer verlief schnell. Die meisten Hotels am See hatten noch geschlossen, da um diese Jahreszeit noch nicht viel los war. Also musste ich nehmen, was ich bekam. Eigentlich kein Problem, aber die Unterkunft war mitten in der Pampa, und meine Vorräte waren aufgebraucht. Als ich mir etwas besorgen gehen wollte, begann es zu regnen, wie ich es lange nicht gesehen hatte. Daher war Zimmerparty angesagt, mit einem kleinen Pack Nudeln, einer kleinen Dose Soßenkonzentrat und drei Bier, die ich an der Rezeption ergattern konnte.

Nach dem Essen versorgte ich noch meine Schürfwunden, die ich mir bei einem leichten Sturz beim Überqueren einer Fahrbahn zugezogen hatte, ein blöder Sturz, den ich mir leicht hätte ersparen können. Ich wollte schnell über eine zwei- spurige, vielbefahrene Straße kommen, schob mein Rad kräftig an und wollte dann elegant aufs Rad springen. Dabei blieb ich mit meinem rechten Bein an meiner Gepäckrolle hängen und fiel nach links auf die Straße. Das muss lustig ausgesehen haben, mir tat es aber sehr weh. Die vorbeifahrenden Autos nahmen von mir wenig Notiz, als ich da, bedeckt mit meinem eigenen Rad, mitten auf der rechten Fahrbahn lag.

Nun, Gott sei Dank war nicht mehr passiert, und mit den paar Schürfwunden, die ich an Knie, Oberschenkel und Ellenbogen hatte, konnte ich gut leben.

Am nächsten Morgen war dringend Geldwechseln angesagt. Leider schüttete es immer noch wie aus Eimern, und zum ersten Mal zog ich meine komplette Regenkleidung an, um halbwegs trocken ins 5 km entfernte Städtchen Sevan zu kommen. Dort betrat ich eine Bank, in der ca. 50 Leute vor den Schaltern warteten. Als ich eintrat, war es, als ob in den Wildwest-Filmen ein Fremder einen Saloon betritt. Auf einmal war alles still, und unzählige Augen wurden auf mich gerichtet.

Wow, dachte ich, das kann ja hier eine Zeit lang dauern. Doch als sich die Leute wieder ihren Tagesgesprächen widmeten, sprach mich ein Mann an, ob ich Geld wechseln wolle. Ah, ich hatte einen kleinen Hellseher getroffen. Er erklärte mir, dass sich der Schalter zum Geldwechseln ganz hinten befinde. Das war ein hilfreicher Hinweis, und so war mein Problem mit dem Geld schnell gelöst, da ich der Einzige war, der Geld wechseln wollte.

Das Problem mit dem Regen war jedoch noch nicht gelöst. Aber ich dachte mir, dass mich so ein Regentag auf keinen Fall aus dem Gleichgewicht bringen konnte, und radelte weiter in der Hoffnung auf Wetterbesserung. Ich hatte mir vorgenommen, in drei Etappen um den See zu fahren. 220 km lagen vor mir, die geprägt von Regen, starkem Gegenwind und wenig Sonnenschein waren. Der See und die Landschaft drumherum standen unter Naturschutz, und ich vermutete ein sauberes Ufer und Umland. Leider war das nicht der Fall. Was die Armenier unter Naturschutz verstehen, bleibt für mich ein Geheimnis. Nur zu oft kam ich an Uferstellen vorbei, an denen Unmengen von Treibgut und abgeladenem Müll, bestehend aus Plastikflaschen und sonstigem Unrat, zu sehen war. Die kleinen Ortschaften rund um den See machten einen ärmlichen Eindruck. Die einzige Einnahmequelle schien hier der Tourismus zu sein, der aber, bedingt durch die hohe Lage des Sees, nur einen kurzen Zeitraum im Jahreskalender stattfinden kann.

Nach einer erstklassigen und einer furchtbaren Übernachtung kam ich am 3. Tag der Umrundung mit gemischten Gefühlen wieder in Sevan an. Es ist eigentlich ein sehr schöner See, der wirklich sehenswert ist. Jedoch könnte hier viel mehr gemacht werden, wenn man wollte. Vor allem müsste die Vermüllung unter Strafe gestellt werden, um dieses Naturschutzgebiet attraktiv zu halten.

Am Morgen des 23. 5. 2019 trat ich dann wieder in die Pedale und nahm die letzten 270 km durch die Berge des kleinen Kaukasus nach Tiflis in Angriff. Eine steinige, unbewaldete Berglandschaft war auf dieser Höhe mein Begleiter, doch alles andere als uninteressant.

Das Wetter besserte sich, und nur abends, wenn ich meine Tagesziele erreicht hatte, begann es meist zu regnen. An Wasser konnte hier kein Mangel sein. Aus allen Ritzen der Berge sprudelten Quellen und Bäche. Die Strecke war sehr schön, und die Leute waren nett. Einzige negative Erfahrung, die ich machte, waren zwei Tunnels mit einer Länge von ca. 2 km, die ich durchfahren musste. Beide Tunnels waren unbeleuchtet und hatten keinen Zentimeter Platz zwischen Fahrbahn und Tunnelwand. An der Einfahrt standen zwei Tunnelwächter, die penibel meine Beleuchtung kontrollierten. Die zwei hätte ich eigentlich nicht gebraucht, denn unbeleuchtet wäre ich niemals durch diese Tunnels gefahren. Stattdessen hätte ich so lange gewartet, bis mich ein Lkw mitgenommen hätte. Es war auch mit meiner Beleuchtung ein Himmelfahrtskommando, das ich mit Angstschweiß gottlob gut überstanden habe. Zum Glück ging es in beiden Tunnels leicht bergab, und so konnte ich den hinter mir fahrenden, uralten Lkw gut vorausfahren.

Am letzen Abend in Armenien übernachtete ich nochmals in einem kleinen Dorf unweit der Grenze zu Georgien bei einer netten Familie. Der Sohn des Hauses hatte aus sämtlichen Materialien, die es gab, zumeist Schrott, verschiedene Zimmer auf dem riesigen Grundstück, das er sein Eigen nannte, gebastelt. Ich war begeistert von seinen Ideen und seiner Kreativität, wenn auch alles noch nicht fertig war. Eigentlich war es ein Chaos, das noch sehr viel Arbeit brauchte. Zudem unterhielt er einen kleinen Streichelzoo mit unzähligen Tieren, was von den Einheimischen an den Wochenenden gerne angenommen wurde.

Der Abend war eine Bereicherung für mich, da ich den Stolz dieser Menschen auf ihr Land kennenlernen konnte. Aus nichts etwas machen, darin liegt unter anderem ihre Stärke. Ich unterhielt mich noch sehr lange mit Hovik, mit dem ich auch heute noch per WhatsApp in Kontakt stehe.

Der nächste Tag brachte mich dann wieder zurück nach Georgien. Auf einer wunderschönen, neuen Straße fuhr ich bis zur Grenze, die ich am 25. 5. 2019 gegen 11 Uhr überquerte. Mein Endziel hieß Bolnisi, die letzte Station vor Tiflis.

Danke, Armenien, für ein paar wunderbare Tage in diesem kleinen, aber schönen Land.


In der Hochebene zwischen Georgien und Armenien

bist du mit dem Pferd oft besser dran.

Andere Länder, andere Straßen

Подняться наверх