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Kapitel 3

Die letzten Wochen vor dem Start

Mein Vorhaben hatte sich natürlich im Laufe der Zeit in meinem ziemlich großen Bekanntenkreis herumgesprochen. So kamen die unterschiedlichsten Feedbacks. Viele sahen darin eine sagenhafte, wenn auch schwierige Reise. Andere meinten, das Vorhaben sei nicht realisierbar, und wieder andere bezeichneten mich als verrückt. Manche aus dem engeren Bekanntenkreis prognostizierten eine totale Veränderung meiner Person und meiner Familie. Eine so lange Reise würde nicht spurlos an einem vorübergehen. Realitätsverlust, Schwierigkeiten beim Wiedereintritt ins normale Leben und Heimweh, alles wurde diskutiert und kritisiert. Es wurde sogar darüber gesprochen, dass mir meine geliebte Arbeit und mein Geschäft fehlen würden, da ich im Bekanntenkreis als Workaholic galt. Allgemein wurde die Geschichte aber so betrachtet, dass man abwarten müsse. Vielleicht waren das auch nur alles Sprüche von mir, die sich noch legen würden, und die Sache verliefe im Sand. Nur meine Frau wusste: Wenn ich etwas sage, dann meine und mache ich das auch. Sinnloses, träumerisches Geschwätz war nie mein Ding. Trotz aller Skepsis waren dann aber die Geschenke, die ich zu meinem 60. Geburtstag erhielt, also 4 Monate vor meinem Start, alle auf die Fahrradtour abgestimmt. Vom Flickzeug bis zum alten Ledersattel, der später noch eine wichtige Rolle spielen sollte, war alles dabei.

Die Zeit danach verging wie im Flug. Weihnachten, Neujahr und die „Fasnet“, die bei uns im Elztal streng gefeiert wird, gingen an mir vorbei, als hätte jemand der Zeit ein Doping verpasst. Oft dachte ich, dass ich nicht mehr alles gerichtet bekomme. Fahrradkleidung für jedes Wetter kaufen, Medikamente und Verbandszeug besorgen, Werkzeug richten, Ersatzteile zum Mitnehmen festlegen, letzte Impfungen, großer Gesundheitscheck, Camping- und Kochausstattung und ein Minimum an normaler Kleidung aussuchen, all das stand auf meiner Checkliste. Als ich alles zusammen hatte, konnte ich dann Mitte März zum ersten Mal probeweise packen. Nach häufigem Ein- und Auspacken hatte ich schließlich in einer bestimmten Reihenfolge alles so in meinen zwei vorderen, zwei hinteren Satteltaschen und einer Gepäckrolle verstaut, dass ich jeden Gegenstand mühelos finden konnte.

Da stand es dann, mein Rad, aufgesattelt und beladen mit 35 kg Gepäck. Nur mit dem Nötigsten, aber allem, was ich für die Dauer meiner Reise brauchte, machte ich am 29. 3. 2019 eine erste kurze Testfahrt, um zu sehen, wie sich mein Gefährt im bepackten Zustand fahren ließ. In meiner Euphorie, die ich zu dem Zeitpunkt verspürte, fühlte sich die Sache gut an.

Blieb nur noch eines zu tun. Das Richten meiner wichtigsten Tasche, der Lenkertasche, in der ich alles ganz Wichtige verstaute: mein Bordbuch, eine in Leder gebundene Mappe, die ich von meinem Sohn Bastian und seiner Frau zum Geburtstag bekommen hatte, mit Fächern für Ausweise, Bargeld, Bankkarten und einem Notizblock, in dem ich jeden Kilometer meiner Reise dokumentieren wollte, außerdem ein Taschenmesser, ein Geschenk von meinem Stammtisch zum Abschied, eine Nacht- und eine Sonnenbrille, Pfefferspray für alle Arten von Angriffen und sonstiges Kleingerödel, was man so braucht. Zur Navigation hatte ich für die erste Zeit eine große Europakarte, mein Handy und mein iPad eingepackt.

Dann war es so weit. Das letzte Wochenende brach an. Ich verabschiedete mich am Freitagabend bei meinem engsten Freundeskreis mit einem kleinen Umtrunk im Bistro meines ältesten Bruders Werner. Am Samstag und Sonntag plagten mich selbst die Gedanken und Bedenken meiner Freunde, die letzten, die einsahen, dass es mir ernst und die Reise nicht mehr zu stoppen war. Susi z. B. brachte die gefährlichen Länder ins Spiel, während mir die meisten die lange Strecke und die von mir angesetzte Zeit nicht zutrauten.

Zu Hause herrschte eine komische Stimmung, die von mir und meiner Frau jedoch unausgesprochen blieb und unterdrückt wurde. Die beiden großen Kinder meiner Frau aus erster Ehe, Denise und Robin, kamen klar mit dem Gedanken, dass ich nun eine Weile nicht da war. Denise, die selbst kurz zuvor nach dem Abi ihre Auszeit in Neuseeland, Australien und Thailand genossen hatte, sah darin natürlich in ihrer Reiselust etwas Großes. Während meine erwachsenen Söhne Bastian und Fabian schon längst mit meiner Reise einverstanden waren, machte sich mein Sohn Nico (damals 14 Jahre alt) andere Gedanken. Er wusste, dass ich seinen nächsten Geburtstag nicht mit ihm feiern konnte und auch an Weihnachten und eventuell bei seiner Schulentlassung nicht da sein würde. Auch die Möglichkeiten, dass ich nicht zurückkehren könnte oder einen geliebten Menschen nie wieder sehen würde, wurden von mir in einem hinteren Winkel des Gehirns bearbeitet.

Alles Dinge, die mir im Vorfeld klar waren, die mich aber nach und nach immer mehr belasteten, je näher ich dem 1. 4. 2019 kam. Alles war mit Sicherheit anders, als wenn ein junger Kerl, ohne Verpflichtungen und nur mit den berechtigten Sorgen seiner Mutter und seines Vaters, sich auf so eine Reise begeben würde. Aber es gab kein Zurück mehr. Die Zeit der monatelangen Vorbereitung und zahllosen Nächte, in denen ich über Strecke, Schwierigkeiten, andere Menschen und Kulturen, Heimweh und vieles mehr nachgedacht hatte, waren nun vorbei. Die Reise ging los.

Andere Länder, andere Straßen

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