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11 Freitag, 2. November, 12.30 Uhr

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Diana Schakowski schaute regelmäßig auf die vielen Monitore, für deren Überwachung sie zuständig war. Aus der ganzen Welt trafen in der Warnemünder Außenstelle des Deutschen Wetteramtes ständig neue Informationen ein, und genau das faszinierte die Frau seit mehr als dreißig Jahren an ihrem Beruf – diese unbegrenzte Weite. Für sie gab es weder Länder- noch Kontinentalgrenzen. Schon zur Zeit der scharf bewachten DDR hatte sie das Gefühl, über diesen zu stehen, ja bereits die Globalisierung zu leben, von der damals erst in Anfängen die Rede war.

Und dann die Unberechenbarkeit. Mit nachsichtigem Lächeln verfolgte sie die oft in den Medien kommentierten langfristigen Prognosen von Möchtegern-Experten, die lediglich Aufsehen erregen wollten. Einmal in den Schlagzeilen erwähnt zu werden, schien deren Ziel zu sein.

Diana Schakowski war dagegen Seriosität gewohnt, die sie selbst auch konsequent durchsetzte. Immer noch dachte sie belustigt an den Anruf des Rügener Touristik-Managers, der ihr mitten in der Sommersaison erklärte, wie wichtig eine Wetterprognose sei, die niemanden von der Fahrt an die Ostseeküste abhalten würde. Ob sie denn nicht ihre Toleranzbreite entsprechend ausreizen könne.

Mit diesem Gedanken sah sie auf die Wetterprognose aus Richtung West. Das Sturmtief „Silvia“ erregte ihre Aufmerksamkeit. Nachdem lange Zeit alle Tiefdruckgebiete weibliche Namen trugen, wurde dieses System geändert. In ungeraden Jahren bekamen die Tiefs männliche und die Hochs weibliche Namen, in geraden war es umgekehrt. Offenbar wurden mit einem Tiefdruckgebiet negative Emotionen verknüpft, die dann nicht noch zusätzlich mit dem weiblichen Geschlecht verbunden werden sollten. Diese Art von Gedankengängen war Fachleuten wie Diana Schakowski völlig fremd, sie mussten von selbst ernannten Feministinnen stammen.

Situationsmeldungen zu „Silvia“ aus Großbritannien und Irland lagen bereits vor. Ein Vergleich kam ihr in den Sinn. Wenn man von den Ostfriesen sagt, dass sie schon morgens sehen können, wer abends zu Besuch kommt, dann traf das für die Mecklenburger in anderer Hinsicht auch zu. Mit Blick auf die europäische Wetterkarte können sie viel besser berechnen, was an Elementargewalt auf die Ostseeküste zukommt, denn die Herkunftsregion von Stürmen war in den allermeisten Fällen der Atlantik im Westen. Automatisch griff bei ihr ein Mechanismus, für möglicherweise eintretende Gefahrensituationen ein Gefühl zu entwickeln.

Vorsichtshalber gab sie eine Warnung an ihre Vorgesetzten weiter: In der kommenden Nacht würde sich der schon tagelang anhaltende starke Westwind an der deutschen Ostseeküste noch verstärken. Das bedeutete Gefahr für Sturmhochwasser an den Küsten des Darß und der Insel Hiddensee, aber Niedrigwasser an den Ostküsten von Rügen und Usedom. Zu erwarten waren Böen mit mehr als hundert Stundenkilometern. Wie zur Bestätigung schlug das nicht gesicherte Fenster des Büros mit lautem Knall zu.

Hoffentlich würde dann der Wind nicht so bald drehen. An ein solches Szenario wollte sie lieber nicht denken. Mit diesen Überlegungen beendete Diana Schakowski für diesen Tag ihre spannende Arbeit, die nur für Außenstehende den Anschein von Routine hatte.

Flut über Peenemünde

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