Читать книгу Flut über Peenemünde - Rainer Holl - Страница 8
5 Donnerstag, 1. November, 16.10 Uhr
ОглавлениеDer Mann ging durch die Heringsgasse in Wolgast. Seine Kappe hatte er tief ins Gesicht gezogen, der weit nach vorne ragende Schirm gab ihm Schutz. Er wollte in der beginnenden Dämmerung nicht erkannt werden. Trotz der für diese Jahreszeit milden Witterung trug er dünne Handschuhe. Sein Leben war seit einigen Jahren einem einzigen Ziel untergeordnet. Dabei folgte er einem lebendigen Plan, der den sich ständig wechselnden Bedingungen angepasst wurde, ohne kalkulierbaren Weg. Nur Richtung und Eckpunkte waren vorgegeben.
Gerade in diesem Augenblick dachte er daran, wie er als Jugendlicher selbst Labyrinthe entwickelt hatte, die für seine Familie und seine Freunde nicht immer leicht zu knacken waren. Es kam eben darauf an, viele Spuren zu legen, den Benutzer des Labyrinths solange wie möglich in der Hoffnung zu wiegen, auf dem richtigen Weg zu sein. Aber die größte Leistung sah er darin, jemanden im Ungewissen darüber zu lassen, dass der viel versprechende Anfang des gesuchten Weges in einem Labyrinth enden würde. Die Ansprüche an seine Fähigkeiten wuchsen mit der zurückgelegten Wegstrecke. Er genoss solche Erfolgserlebnisse zwischendurch.
Den ersten Teil seiner Aufgabe hatte er bereits absolviert, blickte jedoch mit gemischten Gefühlen auf ihn zurück. Er verlief nicht ganz nach seinem eigenen Plan. Nun war er auf dem zweiten unterwegs, obwohl ihn der erste noch nicht völlig in Ruhe ließ. Das beeinflusste den zweiten Teil auf manchmal unangenehme Weise. Schließlich sah er es aber als besondere Herausforderung, der er sich gewachsen zeigen würde.
Von jetzt an würde er die Kreise enger ziehen, Fallen stellen, Schlingen legen. Schließlich würde er sein Wild zur Strecke bringen. Als das Wort Kreis seinen gedanklichen Fokus passierte, kam ihm eine Idee.
Der Mann bog in die Herzogstraße ein, schlenderte einige Meter in nördliche Richtung, blickte sich unauffällig um. Als er auf der Höhe des Büros von ARGUS-TV war, zog er schnell einen kleinen Papierumschlag aus der Innentasche seines Mantels und ließ ihn im Briefkasten des Senders verschwinden, schloss die Klappe danach leise, um jede Aufmerksamkeit zu vermeiden.