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Mittwoch, 07. Juli

Köln

Petra und Kommissar Welp waren auf dem Rückweg zum Hotel nach Köln. Petra war komplett in sich gekehrt, nach der Entdeckung, die sie gerade in der Höhle gemacht hatte. Mit so etwas hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Es war einerseits überwältigend, was sie in der Höhle gesehen hatte. Allerdings schockierend und erschreckend zugleich, wenn sie an den grässlichen Fund dachte.

Was ihr aber am meisten Gedanken machte war die Frage nach Prof. Werner Tiefental. Wie hing ihr alter Professor da mit drin? Er hatte nie über eine Höhle in Deutschland gesprochen und die hier war mehr als bemerkenswert. Was war in 1954 vorgefallen, dass er sich niemals darüber geäußert hatte, was war so grausam, dass man es für sich behielt? Sie verstand es nicht. Gerade auch wegen dieser unglaublichen, einzigartigen Malereien, die mit Sicherheit bedeutend in der Welt der Wissenschaft geworden wären. Sie musste ihn zur Rede stellen, je eher, desto besser.

“Fahren Sie mich bitte nicht ins Hotel, sondern gleich zum Bahnhof.”, bat Petra den Kommissar. Sie hatte das Gefühl keine Zeit verlieren zu dürfen.

“Sie wollen sofort nach Hamburg? Haben sie denn alles dabei, was Sie brauchen?“, fragte der Kommissar überrascht. Er konnte sich noch viel weniger einen Reim auf den Fund machen und warum sich Petra davon so dermaßen hat durcheinander bringen lassen.

“Ich denke, das ist das Beste. Auch für Sie und Ihre Ermittlungen. Es ist nur so ein Gefühl, aber ich glaube, wenn ich mit Professor Tiefental gesprochen habe, könnte sich schon einiges aufklären.“, antwortete Petra.

Welp brummte als Zustimmung und änderte leicht die Fahrtrichtung. Es war kein großer Umweg, da das Hotel nicht sehr weit vom Bahnhof entfernt lag.

“Hier, ich habe Ihnen die Nummer vom geologischen Institut in Hamburg aufgeschrieben. Rufen Sie Franz, ich meine Dr. Greiner, an und schildern ihm die Situation. Ich denke, wenn er hört, was hier vor sich geht, wird er sofort herkommen und uns helfen. Ich werde zusehen, was ich bei Professor Tiefental erreichen kann.” Petra drückte ihm einen Zettel in die Hand und kramte ihre Tasche aus dem Fußraum des Autos hervor.

“In Ordnung, Danke Dr. Althing.” Gemeinsam stiegen sie aus. Kommissar Welp brachte sie noch bis zum Bahnsteig. Die Fahrkarte würde sie im Zug kaufen, hatte Petra gesagt. Sie hätte jetzt nicht die Nerven, sich noch lange an den Schaltern anzustellen.

Der nächste Zug nach Hamburg kam schon in zehn Minuten. Als der Zug abgefahren war, machte sich Welp auf den Weg ins Revier, um diesen Dr. Franz Greiner anzurufen. Mal sehen was noch alles kommt, dachte er.

An seinem Schreibtisch im Revier angekommen lag dort ein Umschlag mit seinem Namen drauf. Er öffnete ihn und holte einen Bericht heraus. Er kam von diesem McAllister und beschrieb die Situation an den Baustellen. Welp begann zu lesen.

Zum wiederholten Male ist ein Bohrversuch gescheitert. Die knapp zwanzig Millionen Euro teure Maschine, die “Michelle I”, ist von Paris bis hierher ohne nennenswerte Probleme durchgekommen. Selbst in der für besonders gefährdet eingestuften Strecke, im Süden Kölns, war reibungslos gegraben worden, so dass das Team bis zu diesem Abschnitt eine Woche vor dem Zeitplan lag. Doch jetzt, etwa fünfzehn Kilometer westlich der Kölner Stadtgrenze, geht nichts mehr.

Der Durchmesser von den Michelles, es gibt zurzeit noch die “Michelle II”, die von Berlin aus gräbt, beträgt 7,40m. Sie sind ausgestattet mit insgesamt einhundertzwölf Bohrköpfen, jeder Einzelne aus unterschiedlichen, mehrfach gehärtetem Stahlarten und Diamanten hergestellt, damit sie sich durch jegliches Gestein fressen können.

Hier nun scheint sie aber auf ihre für nicht möglich gehaltenen Grenzen zu stoßen. Grenzen, von denen es hieß, es würde sie gar nicht geben. Seit fast zehn Tagen hängen sie hier nun fest und kommen nicht einen Zentimeter weiter voran. Bis zu diesem Punkt hatte Michelle I bis zu fünf Meter am Tag geschafft.

Das Problem ist das Gestein, auf das wir hier gestoßen sind. Es ist so verdammt hart, dass ein Durchkommen unmöglich scheint. Sie ist allerdings so konstruiert worden, dass sie sich durch jedes Gestein hindurchbohren kann. Es ist alles Erdenkliche berücksichtigt worden. Sicher, das hier gefundene Gestein sieht seltsam aus, mit seinem sonderbaren Glanz, den es ausstrahlt, aber zu hart? Das kann einfach nicht sein.

Es ist alles versucht worden dort hindurch zu kommen, langsame Drehzahl mit hohem Druck, hohe Drehzahl mit geringem Druck. Nichts! François Mesdieux, der erste Polier vor Ort, ist verzweifelt und ratlos. Wir haben es hier offensichtlich mit einem noch unbekannten und extrem harten Gestein zu tun. Die Bohrköpfe werden zwar nicht beschädigt, aber das Gestein ist so hart, dass nicht einmal Kratzer zu sehen sind. Wahrscheinlich wird uns nichts anderes übrig bleiben, als eine andere Streckenführung zu bauen. Einen Umweg sozusagen.

Die Kollegen auf der anderen Seite schildern mir die gleiche Problematik mit der Michelle II und Sie sind nur ungefähr zwanzig Kilometer voneinander entfernt. Der Polier des zweiten Abschnitts, Pascal Munier, schildert die Sachlage exakt gleich. Ich zitiere: “Der Stein ist so hart, den würde nicht mal das Höllenfeuer erweichen”.

Wir werden die Arbeiten einstellen, die Arbeiter bekommen Sonderurlaub auf unbestimmte Zeit. Was wir jetzt brauchen ist ein Geologe, der uns vielleicht mehr über diesen sonderbaren Stein sagen kann. Einen Spitzenmann, den Besten der Besten! Das Gerede von einem unbekannten Stein, ist doch alles Geschwätz!

Sehr geehrter Herr Kommissar Welp, ich bitte Sie zu prüfen, ob Sie so jemanden ausfindig machen können. Bitte benachrichtigen Sie mich, sobald Sie etwas haben. Mir sind leider die Hände gebunden, da wir diese Sache nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen dürfen.

Vielen Dank

Ian McAllister

Welp legte den Bericht beiseite. Das musste wohl Gedankenübertragung, oder so was in der Art gewesen sein, als er Dr. Althing nach einem Geologen fragte. Er griff in seinen Mantel, zog den Zettel heraus, den Petra ihm gegeben hatte, ging dann zum Telefon und wählte die Nummer, die von Petra in ihrer schnörkeligen Schrift notiert war.

Das Telefon klingelte und klingelte. Dann gab es ein Klicken, als wenn der Anruf umgeleitet wurde, woraufhin sich eine süffisante Stimme meldete, bei der man denken konnte, man hätte eine Nummer bestimmter Hotlines gewählt.

“Geologisches Institut Hamburg, Sie sprechen mit Frau Liebermann, was kann ich für Sie tun?”

“Welp mein Name, Hauptkommissar Welp, Mordkommission Köln, guten Tag. Verbinden Sie mich bitte mit Dr. Greiner!”, bat er in dem Bemühen, so zuvorkommend und freundlich, wie möglich zu klingen.

„Tut mir leid Herr Kommissar, aber das ist zurzeit leider nicht möglich. Dr. Greiner befindet sich gerade auf einer Forschungsreise in Ägypten. Kann ich ihm etwas ausrichten? Er wird sich dann bei Ihnen melden, sobald er wieder in Hamburg ist.”

“Wann wird das sein? Ich muss ihn dringend sprechen! Es ist sehr, sehr dringend, ich wiederhole: absolut DRINGEND!“, drängelte Welp. „Geben Sie mir am besten seine Nummer, unter der ich ihn in Ägypten erreichen kann. Mobil, Satellit, Festnetz, ganz egal.”

“Es tut mir sehr leid, aber das ist uns ausdrücklich untersagt, Telefonnummern unserer Mitarbeiter herauszugeben. Aber, wenn Sie mir eine Rückrufnummer geben, werde ich diese gerne Herrn Dr. Greiner weiterleiten. Er wird sich dann bei Ihnen melden.” Marie Liebermann schien solche Anrufe häufiger zu bekommen, so routiniert und ruhig, wie sie dem Kommissar das Nichterreichen Dr. Greiners versuchte klar zu machen.

“Gibt es denn keine andere Möglichkeit?”, fragte Welp, mittlerweile schon reichlich genervt.

“Nein, leider nicht.” säuselte ihm die honigsüße Stimme ins Ohr. “Wenn Sie mir jetzt Ihre Telefonnummer geben wollen. Ich werde tun, was ich kann, um ihn so schnell wie möglich für Sie zu erreichen.”, bot sie ihm an.

“Nun gut. Welp ist mein Name, Hauptkommissar Reinhard Welp, von der Mordkommission in Köln. Und machen Sie bitte Dr. Greiner deutlich, dass es sich wirklich um eine wichtige und dringende Angelegenheit handelt. Ich erwarte seinen Rückruf spätestens heute Abend um 20Uhr, sagen Sie ihm das! Richten Sie ihm weiterhin aus, falls er es nicht für nötig halten sollte zurückzurufen, werde ich alle Hebel in Bewegung setzen und alle mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen ihn hierher zu bekommen!” Nun klang Welp schon sehr drohend, was ihm allerdings völlig gleichgültig war. Auch das es mit der Dame die Falsche traf, aber in so einer Situation musste er stets seinen Unmut sofort loswerden.

“Selbstverständlich Herr Kommissar Welp, ich werde Ihre Nachricht genau so weitergeben.”, flötete Marie Liebermann in den Hörer.

Welp legte ohne ein weiteres Wort auf. Im Stillen dachte er bei sich, wäre er an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit, da wäre er stark versucht gewesen, sich mit dieser netten Stimme zu verabreden. Jemand mit so einer süßen Stimme musste doch auch entsprechend aussehen. Und er hatte schon lange keine amouröse Verabredung mehr gehabt. Na ja, hätte, wenn und aber.

Bevor er sich aufmachte, etwas zu essen zu bekommen, unterrichte er McAllister von seinem vergeblichen Versuch Dr. Greiner zu erreichen. McAllister war ja schon froh, dass überhaupt ein Geologe schon auf dem Plan stand.

Welp machte sich auf in sein Lieblingsrestaurant, er brauchte erst mal ein schönes, kaltes Bier und ein großes Steak. Es war zwar gerade mal Mittag durch, aber das war ihm in dem Moment doch relativ gleichgültig.

Aus einem Bier wurden dann doch drei. Gegen 16Uhr war er erst zurück ins Revier gegangen, ein Anruf war noch nicht gekommen, sonst hätte er eine Notiz auf dem Schreibtisch liegen gehabt.

Am liebsten würde er jetzt schlafen gehen, aber was, wenn er dann das Telefon nicht hörte? Er ging also zum Kaffeeautomaten und holte sich einen doppelten Espresso, um wieder etwas nüchterner und vor allem wacher zu werden.

Er kam gerade mit seinem Becher heißen, dampfenden Wachmacher zurück an seinen Schreibtisch, als sein Telefon klingelte.

“Ja!” schrie er fast in den Hörer.

“Kommissar Welp? Hier spricht die Telefonzentrale. Wir haben ein Gespräch für Sie, ein Dr. Greiner. Er lässt fragen, ob Sie die Kosten für das Telefonat übernehmen.”

Spinnt der? Welp konnte es nicht glauben, so was Freches war ihm noch nicht untergekommen. Sollte das eine Retourkutsche für seine Drohungen sein? Das wird ihm noch leidtun!

“Ja doch, sicher übernehme ich die Kosten. Und nun stellen Sie mich durch!”, forderte Welp die Dame von der Telefonzentrale auf.

“Ich verbinde.” Es erklang ein Klacken und Knistern in der Leitung, bevor Geräusche von fahrenden Autos ertönten. Die Verbindung war hergestellt.

“Dr. Greiner?”, rief Welp in den Hörer.

“Ja. Und wer sind Sie? Herr Welp? Wie kann ich Ihnen in ihrer ach so dringenden Angelegenheit weiterhelfen?” Es war offensichtlich, dass die Drohungen gewirkt haben, aber auch andererseits Dr. Greiner alles andere als erpicht darauf war, zu erfahren, worum es ging.

“Nun kommen Sie mir nicht mit so einer Überheblichkeit daher! Hören Sie lieber zu!” Welp erklärte ihm wer er war und wofür sie ihn brauchten. Über das Bauvorhaben als Solches, über das schnelle Vorankommen der Arbeiten bis zum plötzlichen Stillstand auf beiden Seiten. Die Höhle und den tödlichen Unfall der Kinder Westerfeld ließ er zunächst außen vor.

“Und nun kommen Sie ins Spiel, Dr. Greiner. Wir, bzw. die ECTA, brauchen Sie und Ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Geologie. Sie, und niemand anderen! Sie sollen der Beste sein, wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe. Kooperieren Sie, werden Sie und Ihr Institut es sicher nicht bereuen. Denke ich jedenfalls. Tun Sie es nicht, dann…” er vollendete den Satz nicht. “Also, was sagen Sie?”

Stille am anderen Ende der Leitung. Nach ein paar Sekunden drang ein Räuspern in Welps Ohr, dann wieder nichts.

“Hallo? Dr. Greiner, sind Sie noch dran? Ich habe nicht ewig Zeit!” Wieder stand Welp kurz vor einem Wutausbruch. Wenn das mit diesem Greiner so weiter geht, kann das noch lustig werden.

“Ja, ja, warten Sie noch einen Moment, ich hab es gleich. So… ah, OK, alles klar. Entschuldigen Sie, aber ich habe nur die Verbindungen von Kairo nach Köln geprüft. Ich werde um 22.42Uhr auf dem Flughafen Köln-Bonn landen. Früher kann ich nicht dort sein, das ist die schnellste Verbindung, die ich bekommen kann. Sorgen Sie nur dafür, dass ich dort abgeholt werde. Ich gehe davon aus, Sie werden selber vor Ort sein. Dann können wir alles Weitere besprechen. Und entschuldigen Sie meine etwas unflätige Art, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass es sich tatsächlich um so etwas Großes handelt. Und wenn Petra, also Frau Dr. Althing, da mit drin verstrickt ist, hätte es auch ausgereicht mir das zu sagen.”

“Schon in Ordnung, wir stehen hier alle unter gewaltigem Druck. Wenn es nicht schneller geht, müssen Sie die Verbindung nehmen. Wir sehen uns dann am Flughafen. Woran erkenne ich Sie?” Welp war erleichtert.

“Am ehesten an meinen dreckigen Klamotten. Zum Umziehen werde ich nicht mehr kommen. Halten Sie nach einem 1,90m großen Mann in verstaubter Safari-Kleidung Ausschau. Schwarze, kinnlange Haare, Dreitagebart, Sonnenbrille, das werde ich sein!”

“Alles klar, dann bis heute Abend. Eine Frage noch Dr. Greiner. Woher wissen Sie, dass Dr. Althing involviert ist?“

„Ganz einfach!“ Greiner lachte. „Sie sprachen von einer sicheren Quelle, die Ihnen mich als absoluten Experten genannt hat. Ich kenne nur eine einzige Person, die so von mir spricht und das ist Dr. Althing.“

Welp rief McAllister an, um ihm mitzuteilen, dass er mit Dr. Greiner gesprochen hat und er noch am heutigen Abend in Köln eintreffen wird.

McAllister wies ihn an, nach der Ankunft Dr. Greiners sofort zur Baustelle zu fahren. Sie würden sich dort mit ihm, Boilague, dem französischen, und Dickmer, dem deutschen Vertreter der ECTA, treffen, um gleich an die Arbeit zu gehen.

Nachdem Welp auch dieses Telefonat beendet hatte, fuhr er nach Hause, um sich noch ein bisschen hinzulegen und zu schlafen. 22.42Uhr, da konnte er jetzt noch locker fünf Stunden die Augen zu machen.

Die Höhle

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