Читать книгу 99 seichte Fragen für tiefgründige Unterhaltungen zwischen Eltern und Kindern - Ralph Caspers - Страница 29
Zwölf
ОглавлениеMir sind schon so viele peinliche Dinge passiert. Die Skala geht vom falsch zugeknöpften Hemd beim Vorstellungsgespräch bis hin zu der richtig wütenden Mail, die ich mal geschrieben habe. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Grund erinnern, aber ich weiß, dass ich mich sehr böse und gemein darüber aufgeregt habe, wie unprofessionell dieser Mensch gearbeitet hatte, für den die Mail bestimmt war. Ich hatte meine Verachtung sehr gut auf den Punkt gebracht und war äußerst zufrieden. Aber dann dachte ich mir: „Nein, das darf ich so nicht abschicken!“ Ich habe die ganze Mail sachlich und einigermaßen neutral umformuliert. Ein bisschen stolz auf mich klickte ich auf „Senden“. Während der Computer das Wuuuuuusch-Geräusch machte, das er immer von sich gibt, wenn er eine Mail verschickt, sah ich, dass ich vergessen hatte, meinen ersten bösen Text zu löschen. Der stand also in der Mail noch unter meinem zweiten sachlichen Text. Das war mir total peinlich.
Welche Situationen lösen in dir Peinlichkeit aus? Dieses Unbehagen ist keine schöne Empfindung. Aber Forschende vermuten, dass dieses Gefühl dafür sorgt, eigenes Fehlverhalten zu verbessern und gleichzeitig anderen Menschen mitzuteilen, dass man selbst gemerkt hat: „Oh, hier habe ich etwas ganz Doofes gemacht.“ In Versuchen wurde herausgefunden, dass uns schneller verziehen und wieder vertraut wird, wenn uns ganz offensichtlich etwas peinlich ist.
Macht das dieses Schamgefühl weniger schlimm? Ändert sich eigentlich das, was du peinlich findest? Wenn dir ein Rülpser rausrutscht, ist er dir vor deinen Geschwistern weniger peinlich als vor jemandem, den du anhimmelst? Gibt es Dinge, die nicht peinlich sein sollten, es aber trotzdem sind?