Читать книгу KOLONIE 7 - Ralph Kloos - Страница 11
ОглавлениеDer Archivar
Paolo Casanate hatte nur 10 Minuten mit dem Heiligen Vater geredet und war dennoch innerlich tief bewegt - denn obwohl sein Anliegen wohl durchaus als äußerst unangenehm für seinen obersten Dienstherr zu betrachten war, hatten ihn die tröstende Worte des Papstes innerlich aufgerichtet.
Die Reaktion von Franziskus erschien dem Archivar aus-gesprochen logisch, nachvollziehbar und angesichts der historischen Hinweise auch irgendwie unvermeidbar, denn mit den heutigen Methoden der forensischen Spurenauswertung war es wahrscheinlich wirklich nur eine Frage von Zeit und vereinter Kombinationskraft, bis ein schlauer Forscher die wahren Zusammenhänge der damaligen Schiffspassage und ihrer Hintermänner aufdecken würde.
Fast gemeinsam entstand im Gespräch der alten Kirchenmänner der Gedanke, erstmals in der Geschichte der Kurie progressiv mit einer derartigen Angelegenheit umzugehen, und so beschloss der Papst die Audienz mit einem eindeutigen Auftrag: „Ihr müsst für uns alle Spuren von damals suchen und die Beweise sichern. Ihr nehmt deshalb die erste Maschine nach Mexico-City und begebt Euch danach, so schnell Ihr könnt, in das Kloster von Cochabunbala in den Anden. Wenn es wirklich Aufzeichnungen über diese längst vergessene Geschichte gibt, dann müsst Ihr sie schnell finden und zu uns bringen. Möge Gott mit Euch sein.“
Paolo Casanate hatte noch nie mit dem Papst über seine einmalige Arbeit geredet und er war sich auch ziemlich sicher, dass er unter Papst Benedikt kaum diesen direkten Weg gewählt hätte, aber jetzt war ein Lateinamerikaner Pontifex Maximus, der ja automatisch ein anderes Interesse an der Kultur seines eigenen Kontinents haben musste. Die Tatsache, dass Paolo nun wirklich seinen persönlichen Befehl ausführen durfte, machte ihn sehr stolz.
Er ahnte, dass die anstehende Reise nicht das ganze Geheimnis des Würfels aufdecken würde. Trotz seines langen Lebens im Vatikan und seiner jahrzehntelangen Arbeit mit dem einmaligen Archivbestand war Paolo Casanate ein wacher und kritischer Geist geblieben und er ahnte nichts Gutes.
Vielleicht wäre es sogar wirklich besser gewesen, die Sache einfach auf sich zukommen zu lassen - andererseits war die Gefahr einfach zu groß, dass die Wahrheit schon bald unter Wasser gefunden werden konnte - bzw. wer konnte mit Sicherheit sagen, dass irgendwo in den spanischen Archiven nicht doch noch die Kopien der damaligen Expedition auftauchten. Paolo Casanate hatte schon Pferde kotzen sehen und er stimmte in diesem Punkt mit dem Papst überein.
Beim Packen seines kleinen Hartschalenkoffers war er sich ganz sicher, dass es der Herr schon richten würde und so betete er das letzte „Vaterunser“ des Tages und legte sich früh schlafen. Obwohl er sehr rüstig war, schwante ihm, dass vor allem der zweite Teil der geplanten Reise eine extrem körperliche Grenzerfahrung für ihn sein würde, denn es sollte an einen der Orte gehen, die seit Jahren keinen Besuch mehr aus Rom oder irgend einer anderen westlichen Zivilisation erfahren hatten.
Erfreulicherweise musste er seine Reise nicht alleine antreten, denn in Mexico-City würde er einen alten Bekannten treffen, der außerdem ein ausgewiesener Spezialist der Historie der Inkas, Mayas und Azteken war.
Don Jerome Garcia hatte zwar knappe 20 Jahre weniger als er auf dem Buckel, aber schon kurz nach seinem Studium in Rom hatte er sich verantwortlich in die riesigen Archive aller südamerikanischen Klöster eingearbeitet und hatte deren zentrale Computer-Katalogisierung innerhalb ganz Süd- und Mittel-amerikas angeschoben. Seine Netzwerkkontakte und sein enormes Wissen sollten helfen zu Klären, was es in kirchen-historischer Sicht mit dem geheimnisvollen goldenen Würfel auf sich hatte.
Wie man den noch unangenehmeren zweiten Teil der Geschichte der Öffentlichkeit verkaufen könnte, ohne sehr große Imageschäden für den Heiligen Stuhl zu riskieren, war Paolo Casanate im Moment eine Nummer zu abstrakt. Er war da ganz pragmatisch. Immerhin waren es ja historische Ereignisse, die schon Jahrhunderte zurück lagen - auf der anderen Seite schien der Würfel eine weit größere Bedeutung für die Bevölkerung dieser Zeit gehabt zu haben, als man das sich heutzutage jemals ausmalen konnte. Aber diese Vorahnung wollte der Archivar nicht zu Ende denken, denn als gläubiger Diener seines Herrn stellte er dessen Weisheit und Vorsehung nicht wirklich in Frage.
Allein das Ausmaß der zu erwartenden Imagekatastrophe ließ ihn erschaudern. Ein Glück, dass er schon ein alter Mann war und er vielleicht noch vor dem medialen Super-GAU ins Himmelreich auffahren könnte - aber in Wirklichkeit fühlte er sich topfit. Das war seine große Mission - er hatte keinen Maulkorb angedroht bekommen und so formten seine Gedanken spitzbübisch die imaginären Schlagzeilen, deren harmloseste immer noch nach: „Die katholischen Kamikaze“ schmeckten …