Читать книгу KOLONIE 7 - Ralph Kloos - Страница 8
ОглавлениеUnzerbrechlich
Jottape und KC hatten die Nacht der Enthüllungsparty bis zum Morgengrauen durchgefeiert und schoben deshalb einen Mörder-Kater, als sie sich am Nachmittag wieder in der Sorbonne einfanden, um die weiteren Untersuchungsergebnisse der Wissenschaftler zu begutachten.
Schon am Portal zum Archäologischen Institut standen jetzt bewaffnete Spezialeinheiten und machten alleine durch Ihre ihre massive Präsenz klar, dass hier etwas Unerwartetes passiert sein musste.
Erst nachdem der Leiter der Abteilung Professor Maurice Leclerc dem Chef der Spezialeinheit die Anwesenheit der beiden Entdecker erklärt hatte, durften sie endlich passieren.
„Was ist passiert?“ fragte Jottape ziemlich angepisst. „Hat jemand versucht unseren Schatz zu stehlen oder warum wird hier so ein Aufriss gemacht?“
Nur KC sah die Sache positiv und meinte: „Die haben wohl festgestellt, dass unser Teil so dermaßen wertvoll ist, dass sie es jetzt anständig bewachen.“ Doch Professor Leclerc klärte sie rasch auf: „Sagen wir mal so: Wir haben bei den ersten Untersuchungen ein paar physikalische Unregelmäßigkeiten festgestellt und deshalb ... - ach, sehen sie einfach selbst“.
Im Saal angekommen, trauten Sie Ihren Augen nicht - wo gestern noch Hunderte von feiernden Menschen standen, sah man jetzt nicht nur eine Batterie aus Hi-Tech-Apparaten und Computern, sondern auch mehrere Dutzend, in Gruppen herumstehende Wissenschaftler und deren Assistenten, die teilweise wild diskutierend die neuen Tatsachen analysierten. Optisch aufgelockert wurde der Saal von einzelnen oder in kleinen Gruppen herum stehenden Männern in Schwarz, die die typischen Sonnenbrillen trugen und leicht verdächtige Ausbuch-tungen in ihren Maßanzügen hatten.
„Warum die Regierung den ganzen Bereich zur Hoch-sicherheitszone machte, lässt sich folgendermaßen erklären. Nachdem heute Nacht die letzten Gäste die Veranstaltung verlassen hatten, fingen unsere neugierigsten Kollegen sofort mit den ersten Untersuchungen an. Der Würfel wurde von allen Seiten mit einem Stereoscanner millimetergenau vermessen und in allen Details gespeichert.
Diese Bilder standen Wissenschaftlern sofort weltweit via Internet auf der Website des Instituts zur Verfügung.
Dann wurde die elektrische Leitfähigkeit des Materials gemessen, indem wir einfach Strom an zwei Würfelecken durch den Kubus geschickt haben. Erfreulicherweise ist die elektrische Leitfähigkeit zu 100% die von 24 Karat Gold. Um dieses Ergebnis zu verifizieren haben wir danach den Ausdehnungskoeffizient des Materials gemessen. Dazu wurde die Heizung im Saal um 5° Grad Celsius erhöht und auch dieses Messergebnis hat bewiesen, dass die spezifische Ausdehnung des Würfelmaterials exakt dem von Gold entspricht.
Das war es aber dann auch schon mit „normalen Untersuchungsergebnissen“, denn beim Röntgen des Würfels haben wir die erste Handfeste Überraschung erlebt: Wir können trotz höchster Strahlendosis nicht in das Innere des Würfels sehen. Hier sind die Aufnahmen, die wir von allen Flächen des Würfels gemacht haben - sie sehen alle gleich aus: Wie eine Art sich nach Innen verjüngendes Gerüst aufgebaut, schimmern hier lineare Strukturen auf dem Röntgenfoto, aber um was es sich dabei handeln könnte ... keine Ahnung, denn ich habe so etwas noch nie gesehen.“ Jottappe sah zu KC, über dessen Kopf ein riesiges Fragezeichen zu schweben schien – ja er sah wirklich ratlos aus.
„Doch wirklich unerklärlich ist das hier!“ Professor Leclerc zeigte auf eine ganze Anordnung chromblitzender Apparate von denen KC zumindest einen Impulslaser identifizieren konnte. An einer der acht Würfelecken sah man drei High-Speed-Kameras, die die entsprechende Würfelecke in extremer Großaufnahme auf riesige Computermonitore darstellten.
„Wir wollten dann direkt eine winzige Materialprobe nehmen, um das Gold im Massenspektrometer auf seine Herkunft und seine Zusammensetzung zu untersuchen. Das probierten wir erst auf ganz herkömmliche Weise.“
In dem Film der jetzt auf einem der Monitore lief, sah man die Hand eines Wissenschaftlers, der mit einem Diamantskalpell diese winzige Probe abschaben wollte, doch trotz mehrerer Versuche, die von Mal zu Mal mit mehr Druck ausgeübt wurden, konnte die Klinge von dem Metall nichts abschaben. Es erschien so, als ob die ultrascharfe Klinge einfach an dem Gold des Würfels abgleiten würde. Normalerweise war Gold so weich, dass man es mit einem Fingernagel ritzen konnte und wer hatte nicht schon den Test mit dem Draufbeißen in einem Western gesehen, bzw. es auch einmal selbst ausprobiert.
„Weil wir das überhaupt nicht glauben konnten, haben wir danach einen Spezialbohrer benutzt und die Makrokameras aufgestellt, um das Ergebnis zu dokumentieren.“
Im Film sah man jetzt wie der auf einem Bohrgestänge sitzende Bohrer in winzigen Schritten an eine kleine Vertiefung angesetzt wird. Fast unwirklich groß zeigt der Monitor den halben Millimeter starken Bohrer bildschirmfüllend. Am hinteren Ende des Bohrgestänges drückte ein Wissenschaftler auf einen roten Knopf, der den Bohrer jedes Mal um einen halben Millimeter nach vorne schob. Nach drei weiteren Befehlen sieht man die Spitze des Bohrers, der die Außenhaut des Würfels bereits berührt. Langsam und bedächtig dreht sich der Bohrer und wieder drückt der Assistent den Knopf vom Vorschub des Bohrers. Nichts passierte, doch als er ein weiteres Mal den Bohrer nach vorne schiebt ist erstmals ein sichtbarer Effekt zu erkennen.
„Doch die abfallenden Metallspäne sind entgegen jeder Vorhersage nicht aus dem Gold des Würfels, sondern sie stammen von dem spezialgehärteten hochvergüteten Bohrer und das war dann der Moment, in dem wir das nationale Verteidigungsministerium informieren mussten.“
In Film drei wurde jetzt ein Hochenergie-Impuls-Laser am Würfel eingesetzt - die Holzhammermethode auf Hi-Tech-Niveau - alle im Raum befindlichen Wissenschaftler hatten zum Schutz vor der Reflektion des Lasers spezielle Brillen auf. Die Kameras nahmen in dem Fall nur einen weißen Lichtblitz auf, aber die Aufnahmen der mittlerweile angeschlossenen Wärmebildkamera waren die nächste Sensation.
Trotz der sich laufend erhöhender Stärke des Impulslasers war am Metall des Würfels nicht die kleinste Veränderung nach dem Beschuss zu entdecken - obwohl man mit dem eingesetzten Laser auch Titanplatten von fünf Zentimetern Stärke präzise zerschneiden konnte - und das Wärmebild setzte der Dramatik einen weiteres Highlight auf: Im dem Moment, in dem der Laser das Metall erreichte, hatte er knappe 3500° Grad, doch sobald der Beschuss beendet war, sank die gemessene Temperatur innerhalb einer Zehntelsekunde auf Zimmertemperatur. Und damit war der verdammte Würfel also kein archäologisches Relikt mehr, sondern eine potentielle Bedrohung für die nationale Sicherheit Frankreichs. Wenn eine Macht diese Technik kontrollieren konnte, dann stellte sich die Frage, was der Würfel noch für unbekannte Gefahren bieten konnte.
Das sah selbst KC ein und sah im Geiste schon seinen Anteil an der potentiellen Bergungsbeute davon schwimmen. Da ja bereits weltweit mit der Entdeckung Promotion gemacht worden war, musste schleunigst diskutiert werden, wie man mit der neuen Situation öffentlich umgehen sollte. Aber die ultimative Materialprobe stand noch aus, denn mittlerweile hatten ein paar Soldaten ein auf einer Lafette montiertes Sturmgewehr in Position gebracht. Mit dem eingebauten Ziellaser wurde ein Einschlag-winkel am der äußersten unteren Ecke des Würfels markiert. Hinter der avisierten Einschlagstelle wurden mehrere Kevlar-Absorber aufgestellt und der gesamte Boden wurde mit reißfester transparenter Folie ausgelegt, um eventuell davon springende Teile des Würfels aufzufangen.
Wieder wurden die drei High-Speed-Kameras justiert und getriggert: Sobald der Abzug elektronisch gezündet wurde, zeichnete jede Kamera mit unglaublichen einer Million Bildern pro Sekunde auf. Aus Sicherheitsgründen mussten alle den großen Raum verlassen und konnten das Ergebnis nur im Kontrollraum in der Etage Zwei ansehen.
Trotz der Entfernung war der Knall des ersten Schusses bis dorthin unangenehm laut zu hören. Es dauerte ein paar Minuten, bis die Rechner die aufgenommenen Bilder in das Filmformat umgewandelt hatten. Alle standen mit offenem Mund und sahen das Ergebnis aus drei verschiedenen Perspektiven:
Wie in Trance bewegte sich das sichtbar verlangsamte Vollmantelgeschoss, vergrößert in Zehntelmillimeterschritten, über den Bildschirm. Es dauerte nervenaufreibende 30 Sekunden bis die Spitze des Projektils auf das glänzende Gold des Würfels traf.
Doch anstelle ein Stück herauszusprengen, beulte sich die Struktur für eine Zehntausendstel Sekunde leicht ein, um dann wieder, wie Gummi, zu ihrer ursprünglichen Form zurück zu schwingen. Das Geschoss mit einer Aufprallenergie von 19000 Joule pro Zentimeter wurde wie ein Ping-Pong-Ball nach hinten geschleudert und verformte sich dabei zu einem pilzförmigen Artefakt, das nicht mehr viel mit der geometrischen Perfektion eines Projektils gemeinsam hatte. Wie nach der Auswertung des Videos nicht anders zu erwarten, gab es auf der gesamten Folie nirgendwo auch nur einen winzigen Spreißel Gold zu finden bzw. zu analysieren und so wurden die Geheimnisse des Goldenen Würfels von Stunde zu Stunde obskurer und unerklärlicher.
„Außerirdisch“ war KCs einziger Kommentar und irgendwie klang er fast traurig. „Aber wenn es schon mindestens seit 400 Jahren - wenn nicht noch viel länger hier gelandet ist, dann kann das Teil ja wohl kaum so gefährlich sein, dass die hier Bonanza spielen müssen.“
Jottape wusste ziemlich genau, was jetzt angesagt war: Sie würden eine zweite Expedition mit der Deep Search One ins Zielgebiet unternehmen, denn es musste unbekannte Anhalts-punkte geben, wie die Galeone unterging, bzw. wer die Ladung wo und unter welchen Umständen an Bord genommen hatte? Was war der Zielhafen? Und warum waren die Soldaten im Schiff nicht mehr in der Lage, sich zu retten oder zumindest den Laderaum zu verlassen?
Fragen über Fragen und da sich einige der Antworten wohl nur in Spanien einholen ließen, war es an KC ins historische Nautik-Archiv nach Sevilla zu fliegen. Wieder waren es Franck Gotties alte Beziehungen, die sofort ein Treffen mit der Direktorin des Institutes ermöglichten und so machte sich der korpulente Nerd auf den Weg nach Sevilla - nicht ohne sich vorher noch ein paar exquisite kulinarische Tipps von einem der spanischen Wissenschaftler einzuholen. Schließlich war er heute noch nicht einmal zu seinem opulenten Frühstück gekommen.
Währenddessen machte sich Jottape auf, um im Office seiner Bergungsgesellschaft den Einsatzplan für die kommende Expedition klar zu machen. Wenn Sie das Heck und die fehlenden Kanonen finden wollten, dann mussten sie einen größeren Umkreis um die Fundstelle absuchen und dafür auch mehr Zeit einplanen. Über die Anzahl der Kanonen ließ sich normalerweise mehr über den Schiffstyp heraus bekommen, denn es war bei der Lage des Bootskörpers kaum anzunehmen, dass die Aufbauten noch in irgendeiner Form existierten.
Viel wahrscheinlicher wäre die Ortung des Ankers, der normalerweise den Namen des Schiffes trug. Als sich die beiden von Professor Leclerc verabschieden wollen, hören sie gerade noch, wie er sich am Telefon von seinem Gesprächspartner verabschiedete: „… und bitte schicken Sie mir den oder die Beste, denn dieses Rätsel ist zu groß für eine Zweitbesetzung. Wir sehen uns dann in Genf.“
„Das war mein Kontakt beim LHC in der Schweiz, denn die Fakten die wir jetzt zusammenhaben können nur eines bedeuten: Dieser Kubus besteht aus reinstem Gold - das ist aber auch schon alles, was wir wissen und es kann nur eine Möglichkeit geben die atomphysikalischen Besonderheiten dieser Materie zu erklären. Es muss eine Art interner atomarer Verbindungen geben, von deren Wirkungsweisen wir nicht den Hauch einer Idee haben - nur, dass es sie geben muss, denn sonst könnten wir dieses Phänomen nur noch mit Hexerei oder Zauberei erklären.
„Da wir anscheinend nicht in der Lage sind, eine Material-probe zu nehmen, um diese im LHT in Genf mit Protonen zu beschießen, müssen wir zumindest theoretische Überlegungen über die Besonderheit des Materials anstellen. Besorgen Sie bitte die Informationen aus der Meerestiefe und wir werden unser Bestes geben, um unseren Teil der Aufklärung zu leisten“.
Eine halbe Stunde später klingelte bei Dr. Kasha Muratti das Telefon und da sie fließend französisch sprach, musste Professor Leclerc nicht einmal seinen schrecklichen amerikanischen Akzent an ihr ausprobieren.