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Deep Search Two

KC hatte in seinem Missionskatalog frech den „Deep Search One-Eintrag“ in „Deep Search Two“ umgetauft und war angesichts der bevorstehenden Expedition bestens gelaunt. Was ihm ein wenig Sorgen bereitete, war der Umstand, dass das Forschungsschiff diesmal wirklich „ausgebucht“ war und deshalb befürchtete der Meisterhacker Engpässe bei seiner Verpflegung. Deshalb hatte er diesmal ein eigenes Set an Angelhaken und sogar eine Harpune dabei und würde sich somit im „Notfall“ selbst nahrungstechnisch aufmunitionieren.

Auf die neuen technischen Gimmicks an Bord freute er sich besonders: Erstmals zum Einsatz kommen würde ein neu-entwickelter GPS-Trailer - also ein kleines Boot - das ganz besonders gut für die Flächensuche geeignet war. Dann waren ein neues Containerlabor an Bord, das einerseits C-14 Bestimmungen direkt an Bord erlaubte und zusätzlich gab es einen neuen Massenspektrometer und ein Elektronenrastermikroskop der neuesten Generation. Außerdem stapelten sich auf dem Achterdeck ein Dutzend zerlegbarer Container, die dafür bestimmt waren, die geborgenen Teile des Wracks und seiner Besatzung aufzunehmen.

Ein extra Tauch-Team war nur für die Dokumentation der Bergung da und so sollten tägliche Webstreams das enorme öffentliche Interesse an der Tauchmission befriedigen.

Der starke Wind hatte in den letzten Stunden ständig nach-gelassen und so betätigte sich KC als eine Art Moderator, der zwischen selbst ausgesuchten Songs aus seiner Lieblings-Bibliothek regelmäßig ansagte, wie viele Stunden es noch bis zum Erreichen der Ziel-GPS-Markierung dauern würde.

Am Vorabend hatte er eine große Datenübertragung mit Sevilla abgeschlossen: Jetzt hatte er alle bekannten Schiffsmodelle - mitsamt Namen und allen vorhandenen Informationen – und soweit vorhanden, auch als digitale 3D-Modelle und war damit bestens vorbereitet für die Analyse der zu erwartenden Artefakte aus der Tiefe.

Jottape wurde bei der Einsatzbesprechung offiziell mitgeteilt, dass die Mission zeitlich nicht terminiert war. Er sollte solange suchen, bis es nichts mehr zu finden gab und dieser Befehl gefiel dem französischen Einsatzleiter, denn offensichtlich waren seine Arbeitgeber mit den jetzigen Ergebnissen so zufrieden, dass sie ihm vollkommen freie Hand bei dieser Mission ließen.

Keine zwei Stunden später ließ das mehrmalige Heulen der Schiffssirene jedes Crewmitglied wissen, dass sie das Zielgebiet endlich erreicht hatten. Sofort wurden die Anker herunter gelassen und auch das neue GPS-Trailer-Boot wurde zügig zu Wasser gebracht und bemannt.

Das Besondere an diesem Boot war seine Aufteilung in zwei Teile. Der vordere Antriebsteil hatte eine Minikabine für zwei Besatzungsmitglieder und alle Navigations- und Antriebsinstrumente. An einer Art STEADY-CAM-Kupplung hing das etwa vier Meter lange Beiboot, das nichts anderes als das nagelneueste Massenspektrometer auf dem Markt war. Die Besonderheit der Konstruktion lag in seiner absoluten GPS-Konnektivität. Um einen möglichst großen Bereich vermessen, bzw. absuchen zu können, wurde der Trailer computergesteuert auf die Reise geschickt und schickte seine Daten live und direkt zu KC ins Rechenzentrum.

Mit den Software-Entwicklern des Trailers hatte man sich auf ein spiralförmiges Suchmuster geeinigt. Kurz nach der Ortung des versunkenen Schiffes wurde direkt über der Fundstelle „der Nullpunkt gesetzt“, was so viel bedeutete, dass der Bootstrailer GPS-gesteuert um diesen Nullpunkt in einer Spirale den gesamten Meeresboden in 10-Meter-Bahnen vermessen würde. Einziger Nachteil - der Trailer konnte nicht schneller als 5 Knoten laufen und die Arbeit an Bord war auch alles andere als einfach, denn eigentlich musste die Crew nur aufpassen, dass alles glatt lief - den Rest erledigten das GPS und seine Steuerung von der Deep Search One.

Insgesamt ein sehr zeitaufwendiger Prozess, aber da ja niemand den ursprünglichen Kurs des Seglers erahnen konnte und man ja auch nicht wusste, wie lange das Schiff nach der Explosion noch weiter gesegelt war, gab es nur diese Möglichkeit - oder eben den berühmten Zufallsfund - aber davon wollte Jottape nichts wissen, denn er hatte hier schon einmal verdammtes Glück gehabt - jetzt war es Zeit für empirische Wissenschaft, akribische Suche und Demontage der Schatzgaleone.

Um den großen Meeres-Saugrüssel einzusetzen, mussten sie zuerst ein Gebiet aussuchen, zu dem der gesamte Abraum nach der Durchsuchung abgepumpt werden sollte. Dieser Platz musste gefunden, bestimmt und zuerst durchsucht werden, bevor man tausende von Tonnen Schlamm und Schlick dorthin verklappen würde.

Obwohl das Team alle Abläufe schon im Vorab besprochen und geprobt hatte, dauerte es bis zum Einbruch der Dunkelheit, bis alle Systeme im Wasser waren und ihre erste Tauchfahrt mit dem U-Boot begann. Schon von weitem konnte Jottape das große Loch sehen, dass sie vor wenigen Wochen in den Schiffsrumpf gesägt hatten.

Während die Taucher zuerst den Hang untersuchten und ein Dutzend der leistungsfähigsten Unterwasserscheinwerfer um das Schiffswrack positionierten und verkabelten, steuerte Dennis das Tauchboot an das ausgefranste Heck.

Mit einer fluoreszierenden Sprühfarbe markierten sie zuerst ein Stück Schiffswand und dann aktivierte Jottape einen der metallenen Zangengreifarme um ein etwa sechs Zentimeter langes Stück Holz abzubrechen. Diesen Prozess wiederholten sie in der nächsten Stunde an verschiedenen Stellen der Bordwand und brachten diese Holzproben danach sofort an Bord.

Keine zwei Stunden später wurde die gesamte Crew mit dem Ergebnis der ersten Analyse konfrontiert: Jedes der geborgenen Holzstücke wurde von seiner Lage her exakt in das errechnete 3D-Modell des Schiffswracks eingepasst. Durch die aufgebrachte Farbmarkierung konnte man auch keine Verwechslung begehen und die Ergebnisse dieser Untersuchung sprachen eine ganz eindeutige Sprache. Im Holz konnten ganz eindeutig typische Explosionspartikel nachgewiesen werden, die sich in ihrer Gesamtheit definitiv vom Inneren des Schiffes nach Außen bewegt hatten. Die Fluganalyse der Pulverpartikel ließ auf einen Explosionsort in einer der Kabinen auf dem Achterdeck vermuten, die neben oder unter der Kapitänskajüte gelegen haben mussten.

Das bedeutete im Umkehrschluss, dass das Schiff nicht einem Angriff von Piraten zum Opfer gefallen sein konnte.

Die Schwarzpulverexplosion hatte sich zwar an Bord ereignet - aber im Normalfall hätten das Pulver und die Zünder mittschiffs in der Pulverkammer gelagert sein müssen und nicht im Heck der Galeone. Was also hatte diese seltsame Explosion im Heck verursacht?

Auch in der tiefschwarzen Dunkelheit fuhr der GPS-Trailer seine einsamen Spiralrunden und obwohl die Mannschaft alle vier Stunden mit einem Dinghi abgeholt und ausgetauscht wurde, war der Job auf dem Trailer schon bald die meist gehasste Aufgabe auf der Deep Search One, denn eigentlich mussten sie während ihrer Schicht nur Dröge aufpassen, dass es keinen Ausfall der Systeme gab: Ansonsten verlief der hochauflösende Scan des Meeresbodens vollautomatisch.

Nachdem man in knapp 300 Metern Entfernung zum Wrack einen geeigneten Platz für den Abraum entdeckt und durchsucht hatte, wurde die gigantische Absauganlage innerhalb der ersten Nacht komplett installiert und getestet.

Alles was man vom Meeresboden nach oben saugen würde, wurde dann zuerst halbautomatisch an Bord der Deep Search One durchsucht: Metalldetektoren der neuesten Generation konnten jeden Krümel Gold oder anderer Materialien in einer Tonne Sand orten und so begann man ganz vorsichtig zuerst den unmittelbaren Fundort um das Wrack abzusaugen.

Die Geschwindigkeit des Saugers wurde von dem Taucher bestimmt, der zusammen mit seinem Kollegen den Saugrüssel bediente. Wenn größere Teile auftauchen würden, die nicht nach oben gesaugt werden konnten, dann würde wieder das Ballon-system zum Einsatz kommen, das sie schon bei der Bergung des schweren Goldwürfels benutzt hatten.

Nach der zusätzlichen persönlichen Untersuchung des feinen Abraums auf hölzerne Teile wurde der Aushub die gesamte Strecke bis zum Abraumplatz geblasen und sank dort langsam durch eine Spezialmanschette auf den Meeresboden.

An Bord der Deep Search One hatte man wasserdichte Pläne auf Spezial-Folien ausgedruckt, die die Taucher jetzt dazu benutzten um die Schnittmarkierungen auf den Schiffsrumpf zu sprayen. KC hatte alle Schnittkanten vorab berechnet, damit die einzelnen Teile des Schiffsrumpf einerseits nicht zu groß wurden und man andererseits möglichst wenig Wanten zertrennen musste, die stellenweise unglaublich gut erhalten waren und sich nur sehr mühselig zersägen liessen.

Jottape hatte nicht vor, auch nur einen Fetzen von diesem Schiff auf dem Meeresgrund zu lassen, sondern er hatte die Devise ausgegeben, dass wir „auch noch den letzten Zahnstocher finden und nach Hause bringen werden.“

Große, orange Kevlarnetze wurden am Wrack befestigt und sollten die Sedimente aufnehmen, die durch die massiven Pressluftbohrer von den Schiffsplanken abplatzten. Alle freigelegten Schnittkanten wurden nach dem Schneiden nochmals überprüft und dann wurde jedes einzelne Teil mit der fluoreszierenden Farbe markiert, damit man die komplette Galeone, soweit vorhanden, wieder zusammensetzten konnte. Da sich drei Arbeitsteams zu je sechs Tauchern andauernd abwechselten, dauerte es nur einen Tag bis man endlich damit beginnen konnte die Spezial gehärteten Elektrosägen einzusetzen und das Schiff vom Kiel her aufzusägen.

Nachdem zuerst der massive Kielholm zersägt war, legte man die Bilge frei, in der sich verrottete Reste von Tauen und sogar ein paar Rattenskelette identifizieren ließen. Die abgesägten Planken wurden allesamt in die Kevlarnetze verfrachtet und sofort an Bord der Deep Search One gezogen.

Nach der Demontage der Planken sägten sich die Taucher in den großen Laderaum, in dem der Würfel und die abgesoffene Wachmannschaft gefunden worden waren. Wie bei der ersten Entdeckung musste Jottape am Bildschirm erschauern, als die Kameras den großen Haufen Skelette ins Bild brachte.

Die Taucher hatten spezielle Säcke für die bleichen Gebeine und die verbliebenen Metallgegenstände der Rüstungen dabei und brauchten fast zwei Stunden und drei Dutzend Säcke, um auch die letzten Überreste der Wachmannschaft einzusammeln und zum Expeditionsschiff zu transportieren. An mehreren Stellen der Laderaum-Planken hatten die Taucher einige tiefe Kratzspuren, wahrscheinlich von Fingernägeln im Holz gefunden, die jedem klar machten, dass hier Menschen verzweifelt um ihr Leben gekämpft hatten, bevor sie grausam ertranken.

Schon am nächsten Tag war auch der Boden des Laderaums abgetragen und so fiel ihr erster Blick in das Oberdeck, welches ehemals die Kabinen der Mannschaft, die Kanonen, die Pulverkammer und auch die Kombüse beherbergte. Wie schon im ersten Scan zu sehen war, fanden sie insgesamt 17 große Kanonen aus Bronze, jede Menge Kanonen-Kugeln und selbst die Fässer in der Pulverkammer waren alle noch an ihrem Platz. Durch das Pech geschützt, waren einige sogar noch größtenteils gefüllt. Insgesamt sechs weitere Skelette wurden in den Räumen des ehemaligen Oberdecks gefunden und ebenfalls vorsichtig eingepackt und an Bord geholt.

Im neuen genetischen Labor war man bereits direkt nach der Ankunft der ersten Säcke mit den Gebeinen tätig geworden. Jeder noch so kleine Knochen wurde vermessen, bekam einen Fantasienamen und dann begann das zeitaufwendige Puzzle-Spiel: Jedes Skelett wurde anhand der entsprechenden DNA-Analyse zusammen gebaut. Das würde zwar ein paar Tage dauern, aber dann könnte man neben dem Alter auch die wahrscheinliche Herkunft der entsprechenden Besatzungsmitglieder bestimmen und so vielleicht auch die komplette Zusammensetzung der Mannschaft ermitteln.

Auch der laufende Unterwasser-Scan mit dem Trailer hatte ein erstes Ergebnis gebracht. Da man schon mit einem Radius von 200 Metern um das Wrack mit der Suche begonnen hatte, war man ja jetzt nach 32 Stunden bereits auf einem Radius von einem knappen Kilometer angekommen und hatte im nordöstlichen Bereich hölzerne Teile, wahrscheinlich vom Ruder entdeckt.

Ein kleines Team fuhr mit einem Dingi zu der errechneten Stelle und konnte schon bald im Sand den vergammelten Rest zweier Holzbalken ausgraben, an dem noch metallene Beschläge befestigt waren, die aber schon großteils verrostet waren. Trotzdem hatte das wenige Metall ausgereicht damit der Magnetresonanz-Sensor auf dem Trailer seine Spur gefunden hatte. Eigentlich hätte man jetzt auch das Suchmodell ändern können und in der Form eines Kegels - vom Wrack ausgehend weitersuchen können, aber Jottape hatte nicht die geringste Lust seinen Plan zu ändern und ließ spiralförmig weiter suchen.

Nachdem in der Zwischenzeit alle 17 Kanonen und der größte Teil des Ladedecks an Bord gebracht wurden, dauerte es noch einen ganzen Tag, bis sie endlich an die versunkenen Aufbauten des Vorderschiffs kamen. Selbst die Ansätze einer vermoderten Galionsfigur waren zu erkennen aber da dieses Holz tief im Sand vergraben war, hatte die dauernde Reibungsbewegung des Sandes über die Jahrhunderte alles so fein abgeschliffen, dass man die Form der Statue wirklich nur noch erahnen konnte. Dafür war der Anker unter den Resten des Wracks mittschiffs gefunden worden. Sein Ortungssignal war direkt unter einer der abtransportierten Kanonen gefunden worden und trotz dieses lange gesuchten Fundes konnte der Anker nicht zur Lösung des Problems beitragen, denn die einzige erkennbare Kennzeichnung war eine Art Siegel in der Form der königlichen Marine und damit konnte er definitiv keine neuen Erkenntnisse über die Identität der Galeone vermitteln.

Die gab es dafür aus einer anderen Abteilung: Im Labor hatte man eine geringe Menge, des an Bord befindlichen Schwarzpulvers getrocknet und kontrolliert zur Reaktion gebracht - sprich man hatte aus einigen der Holzbohlen eine kleinen Kiste geschreinert und darin einige Gramm gezündet. Schon beim allerersten Vergleich der Explosionsrückstände mit den Proben vom Heck der Galeone machte eines klar: Hier passten die gefundenen Rückstände überhaupt nicht zusammen.

Offensichtlich war das verwendete Pulver bei der Schiffs-explosion nicht nur explosiver, sondern vor allem beim Schwefelanteil konnte man ganz klar erkennen, dass es sich um eine ganz andere Abbaustätte wie beim normalen Schießpulver aus der Waffenkammer gehandelt haben musste. Wie konnte das sein? Schließlich war die Schatzgaleone eindeutig ein spanisches Modell und auch alle geborgenen Helme und Rüstungsgüter waren spanischer Herkunft.

Insgesamt 87 Skelette hatten sie bis dato geborgen, wobei nicht alle komplett waren und auch deren DNA-Analyse war bis auf wenige Ausnahmen spanischer Herkunft. Die Wissenschaft hatte seit Jahren alle historischen Funde mittels DNA-ANALYSE untersuchen lassen, und so ließ sich durch den Abgleich mit Hunderttausenden von gesammelten Daten erreichen, dass man ziemlich genau sagen konnte, in welcher Gegend sich ein Mensch die meiste Zeit seines Lebens aufgehalten haben musste.

Insofern war es nur normal, dass fast alle gefundenen Knochen typische DNA-Merkmale von Menschen aufwiesen, die auf der iberischen Halbinsel gelebt hatten.

Bei drei Skeletten wiesen die DNA-ANALYSEN auf süd-amerikanische Herkunft hin und ein Mitglied der Besatzung schien aus dem mittleren Italien zu stammen. Das war insofern nicht ungewöhnlich da es schon immer auch Italiener in der spanischen Marine gegeben hatte, genauso wie Portugiesen.

Mittlerweile hatte man auch die Reste der drei Masten freigelegt, die größtenteils ziemlich verrottet waren. Im Besanmast, also dem hinteren der drei Masten machten sie dann aber doch eine weitere seltsame Entdeckung. Die Explosionssimulation bewies, dass dieser Mast am nächsten zum Explosionsherd gewesen sein musste. In einer der natürlichen Ritzen des Mastes entdeckte man neben den normalen Schmauchspuren der Schwarzpulverexplosion ein winziges Stück purpurfarbenen Stoffes, das offensichtlich mit einer goldenen Borte verziert war und durch die Kraft der Explosion in diese Spalte gedrückt wurde. Die Analyse dieses Stoffes ergab eindeutig italienische Herkunft und das war eine echte Überraschung ...

KOLONIE 7

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