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Der Trabant

Niemand kann die genaue Anzahl benennen, aber nach letzten Schätzungen der NASA dürften in etwa 10.000 Satelliten und größere Trümmer Weltraumschrott auf unterschiedlichen Orbits den Planeten Erde umkreisen.

Ihre verschiedenen Anwendungsgebiete umfassen in erster Linie Kommunikation, Fernsehübertragung, GPS-Tracking, Geo-Forschung, Klimaforschung und natürlich militärische Nutzung in allen Formen - bewaffnet und unbewaffnet. Insgesamt 15 Nationen hatten bis zum Jahr 2015 ihrerseits Objekte ins All geschossen. Nicht zu vergessen natürlich die internationale Raumstation ISS und das HUBBLE Deep Field Space Telescope, dass seit 1990 unschätzbare Informationen aus fernen Galaxien lieferte. Mit knapp 11 Tonnen war das HUBBLE eines der größten Objekte, die im Orbit verankert waren und so wertvoll war, dass man es in fünf kostspieligen Wartungsmissionen immer wieder aufgerüstet hatte.

Aber es gab einen weiteren unscheinbaren Orbiter, der so weit entfernt von der Erde kreiste und der so klein war, dass man ihn nur dann hätte entdecken können, wenn man seine exakte Position im unendlichen Raum genau gekannt hätte.

Die Form dieses Objektes war die einer perfekten Kugel und mit knapp einem Meter Durchmesser so winzig, dass man es selbst bei einer Entdeckung für einen unbedeutenden Trabanten unbekannter Herkunft gehalten hätte, doch im Gegensatz zu allen anderen künstlichen Satelliten war dieser Kugelorbiter bereits seit Tausenden von Jahren ein stummer Begleiter der Erde. In zyklischen Abständen korrigierte dieser Trabant seine Flugbahn so, dass er immer im Halbschatten zwischen Tag und Nacht die Erde in einer konstanten Entfernung umkreiste.

Seit mehr als 500 Jahren hatte der unbekannte Satellit keine andere Funktion ausgeübt, als seine Position zu halten und zu lauschen, aber direkt nach der Enthüllung des goldenen Würfels in Paris hatte sich dieser Zustand schlagartig geändert, denn um mit dem Trabanten zu kommunizieren brauchte es ein Minimum an Lichtenergie: Die zahllosen Fotoblitze bei der Präsentation dieses „archäologischen Objekts“ reichten dem goldenen Würfel aus, um nach Jahrhunderten unter Wasser - eingepackt in einem lichtundurchlässigen Sarkophag aus Holz und Pech - ein einziges hochfrequentes Signal ins All auszusenden. Diese Information war nur wenige Byte groß und es dauerte deshalb nicht einmal eine Zehntelsekunde sie abzusenden, aber damit hatte der Kugel-Orbiter erstmals seit hunderten von Jahren wieder Kontakt zu seinem Passagier. Sofort startete der Trabant ein vor ewiger Zeit erdachtes und abgespeichertes Programm: Sein mattschwarzes, reflektionsarmes Material war aus einem unvergleichlichen Werkstoff, denn es bestand aus „frei programmierbarer Materie“ - Nanobots!

Mit einem entscheidenden Unterschied zu der von Dr. Kasha Muratti beschriebenen Funktionalität theoretisierter Nano-Materie, denn die Nanobots des außerirdischen Trabanten waren lernfähig oder um es anders auszudrücken: Sie besaßen als programmierte Einheit eine Art eigener Intelligenz.

Die Form der Kugel hatte sich seit der Kontaktaufnahme mit dem Goldwürfel sichtbar verändert: An zwei Stellen öffnete sich ein schmaler Schlitz über die gesamte Kugel und teilte sie jeweils in eine Nord- und eine Südhälfte. Das in der Mitte befindliche breite Äquatorband begann um seine eigene Achse zu rotieren - erst langsam, doch schon nach wenigen Augenblicken wurde die hochfrequente Drehgeschwindigkeit einer kraftvollen Zentrifuge erreicht und das generierte eine geringe Schwerkraft, die wiederum winzige Materiepartikel und kosmischen Staub in einem Radius von mehreren hundert Metern anzog und sie in die winzigen Schlitze zwischen den Polen und dem Äquatorband eingesaugte. Innerhalb der Kugel wurden diese Partikel dann zerkleinert, aufbereitet und in ihrer Form komplett umstrukturiert, so dass sie von nun an ebenfalls zu Nanobots wurden. Somit waren die neuen Nanobotmoleküle nichts anderes als identische Klone ihrer eigenen Erzeuger.

Die Menge der von der Gravitation angezogenen Staubpartikel lag zwar täglich nur bei wenigen Gramm, doch im Lauf der kommenden Monate wuchs der Umfang der Kugel konstant weiter, bis sich nach etwa 300 Tagen - wie bei der menschlichen Zellteilung - ein identischer Kugelorbiter abspaltete, um seine neue Position am anderen Ende der Schattengrenze einzunehmen. Dazu hatte der neue Nanobot-Orbiter einfach seine Umlaufbahn so verlangsamt, bis er an der Morgengrenze des Horizonts angelangt war. Dort stabilisierte er seine Flugbahn und begann sofort mit der weiteren Produktion von Nanobots.

Dieser Prozess hatte keinerlei Auswirkungen auf die Gescheh-nisse auf der Erde und wurde auch nirgends wahrgenommen, denn die Wissenschaft war gerade dabei, ein paar physikalische Probleme zu lösen, von denen sie bis vor kurzem nicht einmal wusste, dass sie existieren.

KOLONIE 7

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