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Parentifizierung

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Insbesondere in Bezug auf die Rolle kleiner Jungen in Familiensystemen ergibt sich aufgrund der häufig abwesenden Väter ein besonderer Pathomechanismus der Parentifizierung, den ich ›Kronprinzeffekt‹ nenne. Wegen der Infantilität ihrer Männer waren viele Frauen der Kriegskind-Generation in ihrer Mutter- und Elternrolle überfordert. Was eine angemessene Verantwortung für das Familiensystem angeht, so entwickelte sich der emotional abwesende, kindische Mann nicht selten zum Totalausfall. Durch Arbeitssucht, Alkoholismus oder übertriebene Hobbys ihrer Männer fühlten sich viele Frauen enttäuscht und im Stich gelassen. Die Zuwendungen und Bestätigungen holten sich daher viele Kriegskinder-Mütter von ihren Babyboomer-Söhnen, die als ›Ersatzmänner‹ fungierten. Realer sexueller Missbrauch war hierbei sicherlich eher eine Ausnahmeerscheinung, dennoch entwickelten viele Kronprinzen ungesunde Solidarisierungen mit der Mutter gegen den Vater, was die enge Mutterbindung noch weiter zementierte. Töchter solidarisierten sich natürlich ebenso mit ihren Müttern, was jedoch nicht ganz so unnatürlich erschien. Nicht selten entstand eine typische Frontlinie: Mutter und Kinder auf der einen Seite – der einsame Vater auf der anderen Seite, was den Rückzug der Väter natürlich noch weiter vergrößerte. […] Von Parentifizierung im Familiensystem sind natürlich auch Mädchen betroffen, denn der Prozess beschreibt allgemein eine ungesunde Umkehr in der Eltern-Kind-Rolle. Alle Prozesse, in denen emotional bedürftige, regressive Eltern ihre eigenen Kinder dazu missbrauchen, sich Zuwendung und Support zu holen, führen zur ›Parentifizierung‹. Der Begriff bedeutet ›sich Eltern machen‹, und zwar aus den eigenen Kindern. Dabei fühlen Kinder ganz instinktiv die Schwäche ihrer Eltern und wissen ganz genau, dass sie auf Gedeih und Verderb von ihnen abhängig sind. Deshalb tun Kinder nahezu alles, um ihre Eltern zu stützen. Man muss Kinder kaum aktiv in nicht-kindgerechte Rollen drängen, sie übernehmen wie von selbst eine ›Eltern-Funktion‹ gegenüber einem oder beiden Elternteilen, wenn sie die Familie bedroht sehen. Sie opfern ihr eigenes, kindgerechtes Leben zugunsten des Systems – zu einem schrecklichen Preis. Denn hiermit wird ein unseliger Kreislauf geschlossen, Parentifizierung vererbt sich weiter – in diesem Fall von den Kriegskindern auf die Babyboomer. […]

Vom Verlust der Freiheit

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