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Neuer Gesellschaftsvertrag

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In den Tagen nach der Thüringer Landtagswahl spricht der Philosoph, Autor und Videoblogger Gunnar Kaiser unter dem Titel »Jetzt lassen sie die Masken fallen« auf YouTube einen sehr nachdenklichen Text ein. Unter dem Eindruck der immer offener gegen die Verfassung handelnden Akteure in Politik und Medien, der Selbstbemächtigung Merkels sowie dem Linksdrall der CDU spinnt Kaiser den Faden weiter und prognostiziert das baldige Ende der bisherigen Demokratie. Unverkennbar ist Thüringen erst der Anfang einer politischen Lage, die angesichts der supranationalen Agenden auf den Politikfeldern Pandemie- und Klimaschutz, Gender, Migration und Finanzpolitik mit dem bisherigen Demokratiesystem kaum noch umzusetzen ist. Deshalb wollen viele Politiker Demokratie »neu denken«. Die ehemaligen Volksparteien verzwergen, während rechte und linke Ränder wachsen. Stabile nationale Machtverhältnisse, unter denen EU-, UN- und WHO-Vorgaben (zur Klimarettung, Migration und Pandemieabwehr …) umgesetzt werden könnten, lassen sich kaum noch herstellen. Merkels rigoroser Umgang mit der Wahl in Thüringen stellt so gesehen nur eine allererste Notreparatur dar. Natürlich bemüht man sich, das Geschehen als einmaligen Sonderfall darzustellen; tatsächlich jedoch werden sich ähnliche Konstellationen häufen. Der Hautstadtjournalist und stellvertretende Chefredakteur der Welt, Robin Alexander, beschreibt die Problematik in einem vorausschauenden Artikel mit dem Titel »Thüringen war kein Unfall. Thüringen war der Anfang«:

»Nun wird man das Desaster von Erfurt mit regionalen Besonderheiten erklären: Hinter den sieben Thüringer Bergen hätten sieben CDU-Zwerge verrückt gespielt. Aber dieses Märchen kann man getrost vergessen. Die Widersprüche, denen die Christdemokraten in Erfurt nicht gewachsen waren, stellen sich der Partei in ganz Ostdeutschland. Auch die Gemütslage, die von Unverständnis über die Politik der Kanzlerin längst in Aggression gegenüber der Berliner Parteizentrale umgeschlagen ist, gleicht sich überall in den neuen Ländern – und teilweise auch darüber hinaus. Deshalb war Thüringen kein Unfall, sondern könnte erst der Anfang gewesen sein.« 31

Auf Dauer muss das bestehende Demokratiesystem nachhaltig umgebaut werden, damit »unreife Wähler«, die offenbar vorzugsweise im Osten der Republik zu finden sind, nicht immer wieder dazwischenfunken. Gunnar Kaiser hat recht, wenn er annimmt, dass der Weg unweigerlich in Richtung einer Technokratur und Expertenregierung führen wird. Dabei wird die bisherige klassische Gewaltenteilung durch einen Expertenbeirat ergänzt, der die Regierung bezüglich der angeblich übergroßen Herausforderungen, wie der anthropogenen Klimakrise oder einem Pandemiegeschehen, berät. Angesichts »globaler Krisen« soll der zunehmend überforderte Wähler über Expertenbeiräte »entlastet« werden. Denn was kann ein ostdeutscher Handwerker zur politischen Willensbildung schon Sinnvolles beitragen, wenn sich 97 Prozent der »besten und schlausten Köpfe der Welt« (Markus Söder) einig sind, was die Politik zu tun hat? Die Coronakrise hat dieses Modell, Aushebeln der parlamentarischen Demokratie zugunsten einer globalen Expertenelite, erstmalig erfolgreich etabliert. Vertreter des Weltwirtschaftsforums, UN, WHO und EU werden dem verängstigten Bürger im Laufe des Jahres 2020 erklären, dass dieses »neue Normal« ein Dauerzustand werden muss. Corona war die erste koordinierte Aktion, unter einer »Gefahrenlage« nationale Demokratien und Grundgesetze durch supranationale Agenden zu ersetzen. Dies ist die eigentliche Bedeutung von »Politik neu denken«. Um die Pläne eines globalen Gesellschaftsumbaus zu erkennen, muss man wahrlich kein Verschwörungstheoretiker sein. Die offiziellen Grundsatzpapiere sind frei zugänglich. Ebenso ist es kein Geheimnis, von wem die WHO oder die UN ihr Geld bekommen, um überhaupt noch handlungsfähig zu sein. Auch den führenden Politikern kann man kaum vorwerfen, sie wären bezüglich der globalen Pläne unehrlich. Dies liegt zum Teil auch daran, dass sich die Politik eine gewisse Ehrlichkeit inzwischen erlauben kann. Ein Großteil der Bürger ist über die Leitmedien ideologisch und moralisch so weit vorbereitet, zugleich aber auch verängstigt, dass viele einen tiefen Strukturwandel sogar herbeisehnen und freiwillig unterstützen. Im Zusammenhang mit der Klimakrise, der Corona-Pandemie und globaler Migration sprechen Politiker die anstehenden Veränderungen offen an, so auch die Kanzlerin auf dem 37. Weltwirtschaftsforum in Davos. Bezüglich der deutschen Ziele bei der EU- und G8-Präsidentschaft lässt sie kaum Zweifel an ihrer Entschlossenheit:

»Mit deutlichen Worten hat Kanzlerin Merkel in Davos für mehr Klimaschutz geworben: Die Erreichung der Pariser Klimaziele könnte ›eine Frage des Überlebens‹ sein, sagte sie – und sprach von ›historischen Transformationen‹. […] ›Diese Transformation heißt im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen.‹« 32

In der Coronakrise wird endgültig klar, wohin die Reise gehen soll. Am 11.07.2020 wendet sich der Bayrische Ministerpräsident Markus Söder mit einer Videobotschaft an die Bürger des Landes. Söder war im Zuge seiner rigorosen »Corona-Abwehrmaßnahmen« im Politiker-Ranking immer weiter aufgestiegen und bringt sich im Sommer 2020 als neuer Bundeskanzler in Stellung:

»Wir stehen vor gewaltigen Aufgaben. Corona ist eine ganz große weltweit. Der Klimawandel bleibt eine epochale Herausforderung für uns alle. Wie müssen wir darauf reagieren? Nun, es gibt Erkenntnisse darüber. Es gibt Vorschläge und Ratschläge von den besten und schlausten Köpfen der Welt, wie man auf das eine, Corona, als auch auf das andere, Klimawandel, reagieren sollte. Es ist eigentlich nicht so schwer, diesen Empfehlungen zu folgen und politisch umzusetzen, bringt Ertrag und kann helfen. Wir tun das in Bayern und auch überwiegend in Deutschland. Aber was schwierig ist: Dass es Menschen gibt und auch zum Teil politisch Verantwortliche, die das ignorieren, die das leugnen und das Gegenteil davon behaupten. Es gibt den Klimawandel. Ihn zu leugnen ist eine Sünde. Es gibt Corona als Herausforderung. Es ist nicht nur eine leichte Grippe. Es zu leugnen kann Leben gefährden und zwar in existenzieller Form. Warum gelingt es uns nicht, eine gemeinschaftliche Idee zu entwickeln, und zwar global, was wir tun sollen und was wir voranbringen müssen? Nationale Egoismen auf der einen Seite. Das Leugnen von wissenschaftlichen Fakten und das Verführen von Menschen zu noch so absurden Verschwörungstheorien wird keine Lösungen bringen. Deswegen sind wir in Bayern gern auf der Seite der Vernünftigen. Wir sind auf der hellen Seite der Macht, wie es in Star Wars so schön heißt. Warum? Weil wir das Beste für die Menschen erreichen wollen und uns nicht an absurden Verschwörungstheorien und dem Leugnen von Fakten beteiligen wollen. Unser Appell ist, dass wir uns alle einreihen in die Gruppe und Gemeinschaft der Vernünftigen.« 33

Diese vor schwarze Pädagogik strotzenden Rede Söders lässt keinen Zweifel daran, dass sich die führende deutsche Politikergeneration längst zu einer supranationalen Technokratie entschlossen hat. Abweichende Meinungen oder gar Widerspruch zur Regierung, welche die Pläne der »besten und schlausten Köpfe der Welt« umsetzt, werden nicht toleriert. Wer sich nicht einreiht in die »Gemeinschaft der Vernünftigen«, ist ein »Sünder«, steht auf der dunklen Seite der Macht und gefährdet das Gemeinwohl existenziell. Dabei wird diese Hexenjagd par excellence von der Mehrheit der deutschen Bürger nicht etwa abgestraft, sondern im Gegenteil goutiert. Doch wenn sich ein Politiker an höchster Stelle des Staates unwidersprochen als Demagoge betätigen und Menschen in Gut und Böse einteilen kann, stehen dem Land schwere Zeiten bevor.

Folgt man den Programmen von EU, UNO und WHO, soll es in den nächsten 20 Jahren, »zum Wohle aller Menschen auf diesem Planten« eine zentralistische, globale Umverteilungs-, Subventions-, Impf- und Planwirtschaft geben. Die dazu notwendigen tief greifenden Transformationen sind en détail ausgearbeitet, nachzulesen in den großen Grundsatzpapieren. Viele Menschen sind über die Hintergründe und die neue Trägerschaft supranationaler Organisationen vollkommen uniformiert. Ursprünglich sind globale Organisationen ehrbar gestartet und stellten den ernsthaften Versuch dar, gegen weltweite Missstände vorzugehen. Noch heute profitieren UNO, WHO und IWF vom Nimbus einer humanen, altruistischen Agenda, ebenso wie die Tagesschau und das heute-journal noch immer als objektive Medien wahrgenommen werden. Doch wie Prof. Max Otte zu Recht feststellt – die Welt von 2020 ist nicht mehr die Welt von vor 30 Jahren. Inzwischen besteht das Führungspersonal supranationaler Organisationen aus linken Ideologen, die wiederum von supereichen globalen Konsortien finanziert werden. Den offenkundigen Widersinn derartiger Allianzen zu durchschauen und darin dennoch eine gewisse Logik zu erkennen, das erfordert ein tiefer gehendes Verständnis. Zunächst sollte man wissen, dass der mächtigste Verbund global agierender Firmen, das Weltwirtschaftsforum (WEF), mit der UNO einen strategischen Vertrag zur Finanzierung der UN-Agenda 2030 geschlossen hat. Das Kuriose: Die UN wird vom linken Ideologen António Guterres geleitet, und der WEF ist längst keine private Stiftung mehr mit dem lapidaren Missionsziel, »den Zustand der Welt zu verbessern«.

»Das typische Mitgliedsunternehmen ist ein globales Unternehmen mit einem Umsatz von über 5 Mrd. US-Dollar, wobei dies je nach Branche und Region variieren kann. Außerdem zählen die meisten dieser Unternehmen zu den wichtigsten Unternehmen ihrer Branche und/oder ihres Landes und spielen bei der Zukunftsgestaltung ihrer Branche und/oder Region eine wichtige Rolle. Seit 2005 bezahlt jedes Mitgliedsunternehmen eine Basis-Jahresmitgliedsgebühr von 42 500 Schweizer Franken (CHF) und eine Gebühr von 18 000 CHF für die Teilnahme seines Präsidenten am Jahrestreffen in Davos. Industrie- und strategische Partner bezahlen jeweils 250 000 CHF und 500 000 CHF, um maßgeblich an den Initiativen des Forums mitzuwirken.« 34

Etwas Kleingeld ist also schon vonnöten, sofern man die schöne, neue Welt mitgestalten will. Ein Teil der Kritiker dieses Prozesses behauptet, die neue Ordnung wird eine radikal sozialistische sein. Andere warnen hingegen vor einem globalen Raubtierkapitalismus – möglicherweise haben beide Seiten recht. Verfolgt man die jährlichen Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos und schaut sich das willfährige Verhalten der eingeladenen Politiker an, könnte man auf die Idee kommen, wer die globale Politik tatsächlich bestimmt. Politiker sind es eher nicht. Der Gründer des WEF, Klaus Schwab, macht überhaupt keinen Hehl daraus, wie er sich eine schöne, neue Welt vorstellt. Den großen globalen Systemwechsel sehnt das WEF schon länger herbei, wie das Motto des Jahrestreffens von 2019 verrät: »Globalisierung 4.0 – Gestaltung einer globalen Architektur im Zeitalter der vierten industriellen Revolution«. Zweifellos sind es die großen E-Commerce-Unternehmen sowie die Pharmaindustrie, die mit riesigen Gewinnen aus der Coronakrise hervorgehen werden. Wie ich am Ende dieses Buches noch ausführen werde, gibt es trotz aller Widersinnigkeit der Allianzen zwischen Kapitalisten, Kulturmarxisten und technikgläubigen Transhumanisten dennoch einen gemeinsamen Nenner. Im Weltbild der Globalisten gilt Nietzsches Leitsatz: Gott-ist-tot. Nur die säkulare Hybris eines seelisch entwurzelten Menschen macht neuzeitliche Allmachtfantasien möglich. Man negiert fundamentale Bedürfnisse der menschlichen Psyche, will den Tod besiegen, den Menschen auf eine neue evolutionäre Stufe heben, Viren kontrollieren und das Weltklima verändern.

Vom Verlust der Freiheit

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