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2. Wie konnte es so weit kommen? Die Vorgeschichte der Krise

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Angesichts des billionenschweren Desasters stellt sich die Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung. Gehen wir zunächst in die Zeit vor dem Euro zurück.

Jahrzehntelang war die Wirtschafts- und Finanzpolitik insbesondere der südeuropäischen Länder gekennzeichnet durch hohe Inflation, zweistellige Zinsen und hohe Staatsverschuldung. Diese instabilen Elemente verursachten aber keine Krisen heutigen Ausmaßes, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Währungspolitik gewahrt blieb: Abwertungen neutralisierten die inflationsbedingte Verteuerung südeuropäischer Produkte. Kostete ein Kilogramm portugiesischer Pfirsiche in dem einen Jahr 200 Escudos und im Folgejahr 220 Escudos (Inflationsrate 10 Prozent), so wertete die portugiesische Währung ab, zum Beispiel von 100 Escudos je DM auf 110 Escudos je DM. Für den deutschen Verbraucher kosteten die Pfirsiche gestern wie heute 2 DM; der portugiesische Export blieb intakt.

Mit Einführung der Währungsunion wurden die nationalen Währungen nach Maßgabe der folgenden Bedingungen gegen den Euro eingetauscht:

• Die Eurostaaten verpflichteten sich 1992 im Maastricht-Vertrag, die jährliche öffentliche Neuverschuldung auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen.

• Die öffentliche Gesamtverschuldung, also die über die Jahre hinweg aufgehäuften Verbindlichkeiten, sollte bei 60 Prozent des BIP gedeckelt werden.

• Das Regelwerk der EZB war dem der Deutschen Bundesbank nachempfunden. Es beinhaltete als oberstes Ziel die Preisniveaustabilität sowie ein Verbot der Staatsfinanzierung mit der Notenpresse.

• »No-Bail-out«: Kein Einstehen für die Schulden anderer Staaten.

Wenn also die Südstaaten gezwungen wären, ihre öffentliche Verschuldung einzudämmen und eine gestrenge EZB der Inflation dort ein Ende bereiten würde, dann, so hofften die Investoren, wären diese Staaten bald so stabil wie Deutschland. Zudem erwarteten die Märkte – auch vor dem Hintergrund hoher Subventionen aus dem EU-Haushalt (siehe Kap. II, Punkt 4) – ein Aufholen in Sachen Wirtschaftskraft und Wohlstand (»Konvergenz«). Bedingt durch eine schon zuvor recht expansive Geldpolitik (vgl. Kap. I, Punkt 3) war auch reichlich Kreditmasse vorhanden. Folglich, so die herrschende Meinung seit Mitte der 90er-Jahre, könne man den Südstaaten ähnlich günstige Kredite gewähren wie etwa Deutschland.

Gesagt, getan: Die privaten Investoren – Banken, Versicherungen, Investmentfonds, Pensionskassen, Hedgefonds – liehen privaten und staatlichen Instanzen billiges Geld. Da auch keine Abwertung mehr drohte – die früheren Weichwährungen gingen ja im Euro auf –, lagen die Zinsen bald nur noch unwesentlich über dem deutschen Niveau. Für Spanien, Italien und Portugal sanken die Zinsen um fünf, für Griechenland gar um 20 Prozentpunkte auf rund 5 Prozent.17 Jedoch landete nur ein Bruchteil der zufließenden Kaufkraft im Aufbau einer leistungsfähigen Wirtschaft. Vieles floss entweder in den Konsum, wie in Griechenland, oder einseitig in den Immobiliensektor. Letzteres war kennzeichnend für Spanien und Irland, wo die Häuserpreise boomten und mit ihnen der Bausektor. In Spanien wurden Jahr für Jahr so viele Wohnungen fertiggestellt wie in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen.

Wie auch der billige Kredit der letzten 15 Jahre verwendet wurde – er trieb die Löhne und Preise in den Südländern nach oben. Ausgehend von einigen Boombranchen konnten die Arbeitnehmer hohe Lohnsteigerungen durchsetzen, die die Produzenten an ihre Abnehmer weiterreichten. Im Endeffekt stiegen die Preise der in den GIIPS-Staaten erzeugten Güter zwischen 1995 und 2008 um 24 Prozent stärker als im »Norden« – dessen Güter für die Verbraucher im »Süden« folglich immer attraktiver wurden.18 Das sonnige Griechenland importierte am Ende gar Tomaten aus den verregneten Niederlanden. Sicherlich waren die Inflationsraten längst nicht mehr so hoch wie in der Vor-Euro-Ära, doch es fehlte das für die Exportwirtschaft so wichtige Korrektiv des Wechselkurses. Wenn sich also das Kilogramm portugiesische Pfirsiche um 10 Prozent von 1 Euro auf 1,10 Euro verteuerte, so kam dieser höhere Preis voll und ungeschminkt beim Verbraucher im Norden an – der sich sogleich nach preiswerteren Lieferanten umsah.

Die aus der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit resultierende Leistungsbilanzkrise trägt heute wesentlich zur hohen (Jugend-)Arbeitslosigkeit in Südeuropa bei.

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