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Projekt”hauptstadt“ Ihu

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Da der Abstellplatz der Partenavia keine fünf Gehminuten vom Dorfzentrum von Ihu entfernt war, und ich der Bezirksverwaltung schon lange keinen Höflichkeitsbesuch mehr abgestattet hatte, schlug ich Alex vor, einen Spaziergang durch den Distrikts Hauptort zu machen, und den lokalen Würdenträgern wieder einmal 'hello' zu sagen.

Ihu besitzt keine Sehenswürdigkeiten von touristischer Bedeutung, es ist jedoch bestens geeignet, gerade Besuchern, die mit PNG noch nicht vertraut sind, die Schwierigkeiten vor Augen zu führen, auf die Entwicklungshilfe stößt sobald sie den Anspruch erhebt, „nachhaltig“ zu sein.

An der Stirnseite der Landepiste, parallel zum Vailala, beginnt ein mit viel Wohlwollen als „Straße“ zu bezeichnender Feldweg, der direkt ins Zentrum führt. Hier stehen noch zwei, drei Strommasten aus der Kolonialzeit, als der „Kiap“ genannte australische Distrikthauptmann jeden Abend einen Generator neben seinem Verwaltungsgebäude anwerfen ließ, der öffentliche Gebäude wie die Polizeistation, das Gefängnis, die mit einem Internat verbundene Berufsschule oder die Kirche mit Strom versorgte und gleichzeitig auch Wasser in einen kleinen Wasserturm pumpte, damit niemand, der auf fließendes Wasser zu Hause Wert legte, darauf verzichten musste. Generator und Stromleitungen haben die Unabhängigkeit ebenso wenig überlebt wie die Röhren der Wasserversorgung. Ein kleines, gleich am Dorfeingang neben der Kirche gelegenes Gästehaus der katholischen Kirche beweist jedoch noch heute mit seiner Einrichtung, dass früher einmal alles funktioniert haben musste: In den vier Zimmern, die es Reisenden anbietet, hängt nicht nur jeweils ein elektrischer Ventilator an der Decke, nein es fehlen auch weder Dusche, noch Spülklosett, noch Neonröhre noch gar ein Telefonapparat.

Links und rechts der Dorfstraße stehen zum Teil stattliche Wohnhütten auf den für die Südsee typischen Stelzen, meistens von einem Hof umgeben und eingesäumt von lebenden Hecken aus in allen Farben leuchtenden Bougainvillea Sträuchern. Um die Hütten herum herrscht erstaunliche Ordnung und wo Rasen angepflanzt ist, wird er nach angelsächsischer Manier fein säuberlich mit der Schere getrimmt.

Als wir am Gefängnis vorbeigingen, blieb Alex stehen und kratzte sich am Kopf:

„Am Gästehaus und in der Kirche sind die Fenster vergittert – aber ausgerechnet hier, im Gefängnis, stehen Fenster und Türen offen! Oder träume ich?“

Ich musste schmunzeln:

„Nein, nein, wir leben hier wirklich in einer anderen Welt: hier kann sich kein Dorfpolizist erlauben, einen einheimischen Übeltäter einzusperren. Die Verwandten würden einen Häftling innerhalb von 24 Stunden mit Waffengewalt befreien, unabhängig davon, was er angestellt hat. Und die Angehörigen des Opfers würden sich im gleichen Sinn verpflichtet fühlen, das Unrecht, das einem der Ihren widerfahren ist, brachial zu rächen. Damit wäre ein Stammeskrieg vorgezeichnet. Das Gefängnis ist deshalb ein Relikt aus der Kolonialzeit, das in keiner Weise in das eigentliche kulturelle Umfeld passt. Und so wird es seit der Unabhängigkeit auch nicht mehr benutzt.

Da sich die Menschen aber nicht geändert haben und Verbrechen auch hier, im Busch, an der Tagesordnung sind, hat man einfach den Spieß umgekehrt: statt Gangster einzusperren versucht man erfolgreicher, sie auszusperren: Die Gitter am Gästehaus stammen in der Tat wahrscheinlich vom Gefängnis und sollen heute potentiellen Einbrechern eher das Ein-, und nicht das Auszubrechen erschweren.“

Wir schüttelten unterwegs ein paar Hände, die freundliche Einheimische uns entgegenstreckten, schauten in der Distrikts Verwaltung vorbei, wo der Officer selbst kurz vor Mittag noch nicht zum Dienst erschienen war und gönnten uns eine kurze Pause auf den imposanten Wurzeln eines majestätischen Regenbaumes, der feierlich und trutzig wie eine Kathedrale über dem Steilufer des Vailala thront. Ich liebte diesen schattigen Platz, wo immer ein Windhauch die tropische Schwüle weg fächelte. Hier finden üblicherweise öffentliche Versammlungen statt, und unter dem weit ausladenden Blätterdach des Jahrhunderte alten Baumes war es auch, wo nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem als „Cargo-Kult“ bekannt gewordenen Kulturschock Hunderte von Einheimischen ihr Leben verloren, weil sie vergeblich darauf warteten, dass ihnen die Götter Nahrung und Geschenke vom Himmel sandten. Als dies Manna nicht eintraf, verhungerten sie lieber als ihren Glauben und ihre Überzeugung aufzugeben.

Zum Glück hatte unser Projekt uns das Kanu auf dem Fluss nachgeschickt, so dass wir nur die Böschung hinunterklettern mussten um unsere gut 40-minütige Bootsfahrten in Richtung Kopo in Angriff zu nehmen.

Der Kuss der Schwarzen Papua

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