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3.1. Träume als Zeichen der Götter

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Bewusst lautet die Überschrift nicht „Albträume als Zeichen der Götter“, weil nach unserem heutigen Verständnis nach antiker Auffassung alle Träume von Göttern eingegeben waren und diese den Schlafenden dadurch etwas mitteilen wollten. Daher gab es keine Unterscheidung in Träume und Albträume. Diese wäre nach diesem Verständnis auch unsinnig und überflüssig, da schlimme Träume nichts anderes bedeuteten, als dass die Götter dem Träumenden eine Mahnung oder eine böse Voraussage mitzuteilen hatten.

Bereits im Alten Orient (Mesopotamien) wurden Träume häufig festgehalten und ihnen galt eine große Aufmerksamkeit. Träume wurden als von äußeren Mächten eingegeben angesehen und es wurde zwischen verschiedenen Traumarten unterschieden, wie etwa zwischen nächtlichen Visionen, Morgenträumen oder schlechten und quälenden Traumbildern (Näf, 2004). Lexikonartige Traumbücher gab es in der Bibliothek des assyrischen Großkönigs Assurbanipal (668–627 v. Chr.), wo ursprünglich wohl 3000 Träume verzeichnet waren. Man diagnostizierte aus den Träumen Krankheiten. Auch diente die Traumdeutung dazu, die viel weiter verbreiteten Weissagungen der Leberschau zu bestätigen.

In dem großen sumerischen Gilgamesch-Epos wird die Geschichte von Enkidu erzählt, der dem Gilgamesch die Träume deutet. Von besonderer Bedeutung waren in Mesopotamien, wie auch im alten Ägypten, die Träume der Herrschenden, denen eine besonders hohe Vorhersagekraft zugeschrieben wurde.

Aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend gibt es eine Aufstellung all der schrecklichen Dinge, die einem Menschen widerfahren können. Und da finden sich neben Verhexungen und Schlaganfall, Pest und übler Nachrede, dem Biss einer Schlange oder dem Stich eines Dolches auch schreckliche Träume. Auch wurde der Untergang des altakkadischen Reiches später damit erklärt, dass der letzte Herrscher von Akkad sich über die Eingeweideschau hinweggesetzt und dem Rat seiner Traumdeuter nicht gefolgt sei.2

Die Texte des Alten Testaments spiegeln die altorientalische Wertschätzung der Traumdeutung wider. Jedoch wird die Traumdeutung darin auf einen sekundären Platz verwiesen im Gegensatz zu den Prophezeiungen, die Gott auserwählten Propheten „von Mund zu Mund“ gab und nicht über den Umweg der Träume. Dennoch wird im Alten Testament selbstverständlich davon ausgegangen, dass Gott in direkt verständlichen Träumen mit Menschen kommunizieren kann (Näf, 2004). Und weiterhin berichtet das Alte Testament ja von wichtigen Träumen, in denen Gott mit Menschen kommunizierte, so mit Abraham, Salomon, Jakob oder Joseph, dem er in zahlreichen Träumen erschien, was ihn als Liebling Gottes (und seines Vaters Jakob) erscheinen ließ und weswegen er von seinen Brüdern gehasst wurde. Joseph wurde darüber hinaus selbst zu einem großen Traumdeuter, der alle anderen ägyptischen Traumdeuter übertraf. Erinnert sei an seine Deutung des Traums des Pharao von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren.

Die Stelle, in der Gott dem Jakob im Traum erscheint, lautet: „Aber Jakob zog aus von Beer-Seba und reiste gen Haran und kam an einen Ort, da blieb er über Nacht; denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein des Orts und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an dem Ort schlafen. Und ihm träumte; und siehe, eine Leiter stand auf der Erde, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder; und der Herr stand obenauf und sprach: Ich bin der Herr Abrahams, deines Vaters, Gott und Isaaks Gott; das Land darauf du liegst, will ich dir und deinem Samen geben. Und dein Same soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollt ausgebreitet werden gegen Abend, Morgen Mitternacht und Mittag; und durch dich und einen Samen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht lassen, bis dass ich tue alles, was ich dir geredet habe. Da nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Gewiss ist der Herr an diesem Ort, und ich wusste es nicht; und fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus und hier ist die Pforte des Himmels“ (1. Mose 28, 10–17).

Wie wir sehen, ist diese Stelle des Alten Testaments nicht nur ein Beispiel dafür, wie Gott einem Menschen (hier Jakob) im Traum erscheint, sondern auch, wie Jakob nach seinem Erwachen sich fürchtete (auch wenn der Traum beileibe kein Albtraum war). Aufgrund der direkten Erscheinung Gottes in seinem Traum wird die Traumstätte dadurch etwas Besonderes und Heiliges.


Abbildung 1: Julius Schnorr von Carolsfeld: Gott erscheint Jakob im

Auch der Traum des Pharao von den sieben fetten und sieben mageren Jahren ist dafür ein Beispiel. Joseph weiß ihn so trefflich zu deuten und wir schreiben ihn eindeutig der Eingebung Gottes zu, dort heißt es: „Da sprach Pharao zu ihm: Mir hat ein Traum geträumt, und ist niemand, der ihn deuten kann; ich aber habe gehört von dir, wenn du einen Traum hörst, so kannst du ihn deuten. Joseph antwortete Pharao und sprach: Das steht bei mir nicht; Gott wird durch Pharao weissagen“ (1. Mose 41, 15–126). Wie wir sehen, geht es zwar vordergründig um die Traumdeutung, aber letztlich wird von Joseph klar gesagt, dass Gott den Traum eingegeben hat, um über ihn mit dem Träumer zu kommunizieren und die Deutung daher lediglich die Auslegung des Gottesworts ist.

Auch im Neuen Testament finden sich noch Stellen, in denen Gott im Traum erscheint und zu den Menschen spricht, wenngleich auch nicht mehr so häufig wie im Alten Testament. Meist erscheint Gott in Form der Engel, so etwa verkündete ein Engel, der dem Josef im Traum erscheint, um ihm mitzuteilen, dass er mit Maria und dem neugeborenen Jesus nach Ägypten fliehen soll (Matthäus 2, 13).3 Es sei aber erwähnt, dass die Engel auch des Tags erscheinen konnten, wie etwa der Erzengel Gabriel, der Maria die Geburt Jesu verkündet.

Im alten Ägypten wurden Träume als ein „Wachen im Schlaf“ angesehen (Näf, 2004). Das älteste uns bekannte Traumbuch findet sich auf einem ägyptischen Papyrus aus der 12. Dynastie (2000 – 1700 v. Chr.). Es unterscheidet zwischen guten und schlechten Träumen und ebensolchen Menschen, die jeweils unter unterschiedlichen Traumgesetzen stehen. Und im neuen Reich (1150 – 1070 v. Chr.) belegt das Alte Testament die Relevanz der Deutung der Herrscherträume mit dem berichteten Aufstieg des Joseph zum Traumdeuter des Pharao.

Der Traum kommt von Zeus, heißt es in der Ilias des Homer. Diese Aussage bringt das Verständnis des Traumes im antiken Griechenland klar zum Ausdruck. Der Traum galt als etwas Bedeutungsvolles, er stellte die Verbindung zwischen dem Menschen und den höheren Wesen her. Daher haben Träume im Leben der Griechen auch eine große Rolle gespielt und es bestand eine große Traumgläubigkeit (Brackertz, 1979). Der Träumende wurde als ein Teil des Kosmos und daher ein Teil der Einheit der Welt angesehen. Träume waren somit auch Ausdruck der Gesetzmäßigkeit des Kosmos, die von den Göttern geschaffen wurde und als Teil dieses Kosmos waren eben auch die Träume göttlich bestimmt.

Daher überrascht es auch nicht, dass Träume in der griechischen Literatur eine wichtige Rolle spielten. Homer hat in vollendeter Weise insgesamt sieben Träume in der Ilias und der Odyssee erzählt, wo sie von zentraler handlungsleitender Funktion sind. Ebenso hat Aischylos Träume ins Theater gebracht, wie etwa in dem Stück „Die Perser“, wo sich „ineinander verschränkte Prozesse von Handlung, Träumen und Deuten“ ergeben (Näf, 2004, S. 43).


Abbildung 2: Raffael: Joseph erzählt seine Träume


Abbildung 3: Julius Schnorr von Carolsfeld: Der Engel erscheint dem Joseph im Schlaf

So wie nach der Auffassung der Griechen die Träume also von Göttern oder höheren Mächten eingegeben waren, war es allein von diesen Mächten abhängig, welche Botschaften sie den Träumenden mitzuteilen hatten. Diese konnten positiv oder angenehm sein, weil etwa dem Träumer ein günstiges Schicksal bevorstand oder er durch Wohlverhalten sich dieses verdient hatte. Es konnte aber auch ein schlimmes, böses Schicksal dem Träumenden bevorstehen, worauf er durch den Traum hingewiesen wurde. In allen Fällen war es jedoch entscheidend, dass der Traum eine Botschaft, eine Bedeutung haben konnte, die es zu deuten galt, um sein Leben danach auszurichten. Daher gab es keinen substanziellen Unterschied zwischen angenehmen und angstbesetzten Träumen. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich die Menschen trotzdem vor schrecklichen und angstvollen Träumen fürchteten. Jedoch galt die Angst vor schlechten Träumen als eine falsche Haltung, da auch schlimme Träume ja etwas Gutes bedeuten konnten oder die Götter damit vor einer Gefahr warnen wollten. Ob das Verhalten des sagenhaften König Midas, der, wie Plutarch berichtet, aus Angst vor seinen schrecklichen Träumen Selbstmord begangen habe, daher untypisch ist, oder die Angst vor schlimmen Träumen im Altertum doch weiter verbreitet war, kann nicht abschließend beantwortet werden.

Da die Träume eine wichtige Botschaft der Götter waren, war es von großer Bedeutung, sie richtig zu deuten. Dies oblag den Traumdeutern, deren Kunst ein göttliches Handwerk darstellte und die im antiken Griechenland – wie auch schon in Mesopotamien und im alten Ägypten – ein hohes Ansehen hatten. Bereits in der Ilias des Homer werden Traumdeuter erwähnt (1, 63), wo es heißt: „Ich fürcht, der Krieg und die Seuche zwingen uns in die Knie – soll der Rest von uns hier dem sichren Tod entgehn, bleibt uns nur, die Belagerung aufzugeben und Segel zu setzen. Doch warum fragen wir nicht irgendeinen Seher oder Priester – am besten einen Traumdeuter: Zeus schickt ja auch die Träume.“4 Die Traumdeutung wurde im antiken Griechenland als eine Äußerung der göttlichen Vorsehung verstanden. Bei Aischylos hat Prometheus den Menschen die Gabe der Traumdeutung gebracht, die somit eine göttliche Gabe und Kunst ist. Gaia, die als Mutter der Träume galt, schickte in der Nacht schwärzlich gefiederte Gestalten mit ihren Bildern. Apollon bat Zeus, die Träume zu verschlüsseln.

Für uns von besonderem Interesse ist auch die Tatsache, dass im antiken Griechenland bis weit in die römische Kaiserzeit hinein, Träume und deren Deutung eine wichtige Rolle bei der Behandlung kranker Menschen (mit körperlichen oder seelischen Problemen) spielten. Die Krankenbehandlungen fanden üblicherweise in den Asklepieien statt, das waren dem Gott der Heilkunst Asklepios (römisch Äskulap) geweihte Heiligtümer, denen Sanatorien angeschlossen waren. In diesen Sanatorien fand eine, nach heutiger Auffassung, sehr fortschrittliche und in gewisser Weise psycho-somatische Behandlung statt, indem die Patienten sowohl mit medizinischen Maßnahmen, als auch mit Heilschlaf, Ruhe und Entspannung behandelt wurden. Eine wichtige Rolle spielten dabei auch die Träume, insofern die Träume heilend wirken konnten. Dies konnte dadurch geschehen, dass im Traum ein Gott erschien und den Kranken heilte, aber auch dadurch, dass der Traum an sich heilsam wirkte, im Traum Ratschläge zur Heilung gegeben wurden oder durch die Deutung der Träume eine Lösung zur Behandlung gefunden wurde. Die Trauminhalte wurden oft schriftlich festgehalten und sind uns bis heute überliefert.

Der Glaube an die Göttlichkeit der Traumdeutung trat im Lauf der Zeit zurück und wich der Vorstellung, dass es sich um eine menschliche Kunst, um eine Wissenschaft, handelte. In dem Maße aber, wie sich die Ansicht durchsetzte, dass es sich bei der Traumdeutung um eine menschliche Kunst handelte, war diese auch erlernbar, ähnlich wie die ärztliche Heilkunst. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Traumdeuter ihr Wissen und ihre Fähigkeiten systematisierten, um es weitergeben zu können. Daher entstanden in einer großen Zahl Schriften über die Kunst, also die Wissenschaft der Traumdeutung. Von den vielen Traumbüchern ist uns das Traumbuch des Artemidor von Daldis (etwa 96 bis 160 n. Chr.) als ältestes erhalten. Er fasst darin das Wissen älterer und nicht mehr erhaltener Traumbücher zusammen, sodass wir von der Existenz einer umfangreichen wissenschaftlichen Traumdeutungsliteratur im antiken Griechenland ausgehen können.

Das Traumbuch des Artemidor von Daldis ist eine lexikonartige Sammlung von Traumsymbolen und Trauminhalten und ihrer Deutung. Artemidor von Daldis hat es wohl für eine breite Öffentlichkeit geschrieben und um zwei Bücher ergänzt, die für seinen Sohn bestimmt waren, um ihm dieses Wissen weitergeben zu können. Gemäß dieser lexikonartigen Sammlung von Traumbeispielen braucht der Traumdeuter lediglich einen bestimmten Trauminhalt oder ein Traumbeispiel nachzuschlagen, um zu wissen, was der entsprechende Traum bedeutet. Beispielsweise bedeutet das Träumen, dass dem Träumenden Hörner eines Ochsen oder eines gewalttätigen Tieres angewachsen sind, einen gewalttätigen Tod. Meist bedeutet es, dass der Träumende geköpft werden wird, da es so ja auch den gehörnten Tieren ergehe (1. Buch, 39). Die Traumdeutung war aber sehr differenziell und derselbe Trauminhalt konnte bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich interpretiert werden, ja sogar das Gegenteil bedeuten. So bedeutet das Träumen des Erbrechens von Blut, Nahrungsmitteln oder Schleim bei mittellosen Menschen einen Gewinn, weil diese ja nichts zu verlieren haben, bei reichen Menschen bedeutet es aber einen Schaden, denn diese besitzen und können verlieren (4. Buch, 26). Träume von Eiern würden Ärzten, Malern und Leuten, die mit Eiern handeln, Vorteile bringen, allen anderen Menschen aber bedeuten sie, in geringer Anzahl, materiellen Gewinn, weil sie nahrhaft sind; in großer Zahl aber bedeuten sie Sorgen und Kummer, häufig auch Prozesse, wie die aus den Eiern schlüpfenden Küken überall herumscharren und Verstecktes aufspüren (2. Buch, 43).

Nach dem Traumverständnis der Antike sind aber nicht alle Träume geeignet, die Zukunft vorherzusagen. Es werden trügerische Träume, die keinen Vorhersagewert besitzen, von den wahren Träumen, die sich verwirklichen, unterschieden. Die trügerischen Träume entstehen durch rein körperliche Vorgänge, also etwa durch zu viel oder schwer verdauliche Nahrung am Abend oder durch physikalische Reize, wie Kälte aufgrund einer verrutschen Bettdecke oder Druckschmerz aufgrund unbequemer Lage (eine Sicht, die bis vor Kurzem auch als wissenschaftliche Erklärung für das Auftreten der Albträume angenommen wurde, wie wir später sehen werden). Die wahren Träume, die also einen Vorhersagewert haben, lassen sich wiederum unterscheiden in realistische Träume, in denen das Geträumte exakt dem entspricht, was zukünftig passieren wird und in allegorische Träume, in denen das kommende Schicksal nur symbolisch angedeutet wird. Während die realistischen Träume naturgemäß keiner Deutung bedurften, sind es die allegorischen Träume, die zum Gegenstand der Traumdeutung wurden.

Die realistischen Träume sollen vor allem bei gesitteten Menschen vorkommen, die auch ihre sinnlichen Leidenschaften unter Kontrolle hätten, was insofern sehr interessant ist, als hier ein Zusammenhang zwischen dem Leben des Träumers und seinen Träumen hergestellt wird, der über die strenge Auffassung hinausgeht, dass die Träume von Göttern bestimmt seien und auch dem Träumer einen Einfluss auf seine Trauminhalte zuschreibt, eine Auffassung, die ja der modernen Psychologie entspricht.

Die Traumdeutung beschränkte sich somit im Wesentlichen auf die symbolhaften Träume und fand nach der sogenannten Chiffriermethode statt. Dazu wurde der Traum in seine einzelnen Bildabschnitte zerlegt, deren Bedeutung wurde (z.B. anhand der Traumbücher) bestimmt und diese einzelnen Deutungen dann in einen großen Gesamtzusammenhang gebracht. Dafür war es unerlässlich, auch etwas über die Person des Träumers zu wissen, seine aktuellen Lebensumstände, aber auch das, was ihn aktuell beschäftigte. Eine Auffassung hinausgeht, die der modernen Auffassung der Entstehung von Träumen und Albträumen schon sehr nahe kommt (siehe Kapitel 6).

Den Römern war die Beschäftigung mit Träumen und deren Deutung zunächst fremd, sie übernahmen dies aber von den Griechen. Aus der römischen Kaiserzeit sind daher viele Träume überliefert, darunter auch viele Albträume. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Berichte von Albträumen, die als solche im modernen heutigen Sinn betrachtet werden, also nicht als schlimme Träume, die von Götter eingegeben wurden, sondern als Angstträume aufgrund individueller Belastungen oder traumatischer Erfahrungen. Von dem römischen Historiker Tacitus sind uns Berichte über Albträume des Aulus Caecina Severus bekannt, der Arminius in der Schlacht im Teutoburger Wald besiegte und nur knapp der Vernichtung entging. Von besonderem Interesse dürften die Überlieferungen des römischen Schriftsteller Sueton sein, der die Albträume des Kaisers Nero ausführlich berichtet, die in der damaligen Zeit schon als Folge der vielen Grausamkeiten und Morde, die in Neros Familie (und durch ihn) begangen wurden. Sie wurden im Sinne des Einflusses des Lebens und seiner Belastungen auf die Albträume gedeutet. Auch Plutarch ist der Meinung, dass psychische und physische Ursachen die Träume beeinflussen können, so wie etwa ein Ungleichgewicht der Körpersäfte oder ein Durcheinander des Pneumas zu bizarren Träumen führen kann (Näf, 2004). Von Galen stammt die Lehre, dass der Traum des Kranken anzeigen würde, welche Körpersäfte im Überfluss oder im Mangel vorhanden wären. So würde etwa ein Feuer im Traum einen Überfluss an gelber Galle, hingegen Rauch oder Finsternis ein Zuviel an schwarzer Galle anzeigen.

Fassen wir zusammen: In der Antike herrschte die Auffassung, Träume seien von höheren Wesen (im Allgemeinen den Göttern) eingegeben und enthielten eine Botschaft an den Träumer. Daher konnten sie gedeutet werden, um die Zukunft vorauszusagen. Da die Vorsehung der Götter sowohl gut als auch schlecht sein konnte, gab es gute und böse Träume, die entsprechend eine gute oder schlechte Vorhersage für die Zukunft und das kommende Schicksal bedeuteten, wobei schlechte Träume im Sinne einer Warnung letztlich auch Gutes bedeuten konnten. Dieses Verständnis ist nicht zu vergleichen mit unserem heutigen Verständnis von Albträumen als psychische Störung. Vermutlich haben auch die antiken „Albträumer“ unter ihren schlimmen Träumen gelitten, aber dann wohl weniger an den Träumen selbst, als unter deren Deutung, wenn diese ihnen ein schlechtes Ereignis oder eine schlimme Zukunft weissagte. Dieses konnte aber auch aus scheinbar harmlosen Trauminhalten gedeutet werden, so wie schlimme Trauminhalte etwas Positives voraussagen konnten (wie das obige Beispiel des Erbrechens von Blut bei armen Menschen). Insofern war es wohl weniger der Traum, der die Menschen beunruhigte, sondern dessen Deutung. Erst bei den Römern scheint sich die Auffassung herausgebildet zu haben, dass Träume – und damit auch angstvolle Träume – ein Produkt des Träumenden und seiner Lebensumstände sein können.

Was uns den Schlaf raubt

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