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3.4 Die wissenschaftliche Betrachtung der Albträume im 19. Jahrhundert

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Im 19. Jahrhundert setzte sich zunehmend die Auffassung durch, dass Albträume kein Ausdruck von Besessenheit durch Geister oder Dämonen seien, sondern die Folge unangenehmer körperlicher Reize, die auf den Schläfer einwirken. So könnte etwa ein zu üppiges und schweres Abendessen Albträume auslösen. Der Würzburger Arzt Johann Börner hat als Erster darauf hingewiesen, dass die nächtliche Atemnot, etwa aufgrund eines auf dem Mund liegenden Kissens zu Erstickungsgefühlen und dann in der Folge zu Albträumen führen würde. Diese Sichtweise, dass bestimmte physikalische Reize, beispielsweise die Berührung eines Fells (das als Bettdecke dient) zu den entsprechenden Traumvisionen eines zotteligen Monsters führe, wurde durch Woldemar Cubasch weiter ausgeführt und experimentell überprüft. Cubasch schreibt in seinem Werk „Der Alp“ (1877): „Zu einer beliebigen Stunde der Nacht, stets bei festem und tiefem Schlafe, fühlt der Träumende plötzlich, oder nach und nach, dass die Respiration behindert ist; irgend ein Wesen, meistens ein zottiges Thier, oder eine hässliche menschliche Gestalt, stemmt sich dem Schläfer auf die Brust, oder schnürt ihm die Kehle zu, und sucht ihn zu erwürgen; die Angst wird mit der Atemnoth immer größer, jede Gegenwehr ist unmöglich, denn wie durch Zauberkraft sind alle Glieder gelähmt; der Unglückliche sucht zu fliehen – umsonst, er ist wie angewurzelt an die Stelle; die Gefahr, die Angst wird immer größer, da endlich überwindet eine letzte furchtbare Kraftanstrengung das feindliche Wesen, eine heftige Bewegung erweckt den Träumenden den aus seinem Schlafe und – Alles ist vorüber, nur der kalte Schweiß auf dem ganzen Körper, ein laut hörbares Herzklopfen erinnert den Erwachten an den verzweifelten Kampf auf Leben und Tod, an die gräßliche Todesangst, die er soeben zu überstehen hatte“ (S. 7–8).

Damit wird der Albtraum ganz in einen rationalen, der Zeit entsprechenden naturwissenschaftlichen Erklärungszusammenhang gerückt. „Der Alp ist keine Krankheit; die erschreckenden Träume sind das Produkt einer Atemnoth, welche ihrerseits wieder verursacht wird durch einen direkten Verschluss der Mund- und Nasenöffnung, indem der Schlafende entweder auf dem Gesichte liegt, oder indem die Bettdecke oder dergleichen die Respirationsöffnungen verlegen“ (Cubasch, 1877; S. 17–18). „Die Seelentätigkeit dauert im Schlafe fort und die Äußerung dieser Fortdauer ist eben der Traum … und so kommen Eindrücke, welche unsere Sinne treffen, auch zu unserm Bewusstsein, wenn auch in undeutlicher und verworrener Art und Weise, und wenn es äußere Reize sind, welche eine Vorstellung in der Seele (also im Traum) veranlassen, so nennt man einen solchen seiner Entstehungsursache nach einen Nervenreiztraum. Der Sinneseindruck wird in der Seele logisch verarbeitet und erweckt eine Vorstellung entweder nach der Beziehung zwischen Mittel und Zweck, oder nach dem Zusammenhang von Ursache und Wirkung; d.h. die Seele schließt aus der Empfindung auf deren Ursache, welche sich entweder aus der Natur des Reizes selbst oder aus früheren Erfahrungen reproduziert. Im Allgemeinen aber erzeugt der zum Bewusstsein gelangte Sinneseindruck im Traume eine übertriebene Vorstellung … Der Charakter des Alp hängt demnach auch zusammen mit der Natur des Gegenstandes, welcher das Gesicht des Träumenden bedeckt; ist es eine raue wollene Decke, so ist der Dämon ein zottiges, haariges Thier, vielleicht auch der Teufel selber; empfinden die Gesichtsnerven einen weichen, glatten Gegenstand, so hat es der Träumer mit einem menschlichen Wesen zu tun“ (Cubasch, 1877; S. 21–22).

Diese Auffassung vom Albtraum als Nervenreiztraum kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden und ist in wenigen seltenen Fällen sicherlich auch zutreffend. Jedoch ist die Annahme, dass alle Ängste im Traum und alle Albträume nur reine Nervenreizträume seien heute längst überholt. Zudem ist diese Ansicht auch nicht besonders neu, auch wenn die Medizin des 19. Jahrhunderts dies als eine neue und bahnbrechende Erkenntnis ansah. Bereits Artemidor von Daldis hat solche Nervenreizträume beschrieben, ihnen aber eine untergeordnete Bedeutung zugeschrieben und für die Traumdeutung als irrelevant eingestuft. Auch Freud hat in seiner Traumdeutung die Nervenreizträume als eine mögliche Quelle für Träume genannt, sie aber auch, da sie eben gerade nicht das Moment der Traumarbeit aufweisen, als psychologisch uninteressant und für die Traumdeutung nebensächlich eingestuft. Und obwohl Nervenreizträume mit Bestimmtheit auftreten (wer kennt nicht das in einen Traum eingearbeitete Läuten des Weckers?), können diese physikalischen Reizquellen nur einen Bruchteil der Albträume erklären und das sind letztlich auch gerade die nicht besonders beängstigenden Albträume, da nach dem Erwachen ja meist die Ursache für den Angsttraum deutlich wird.

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