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Schneller Angriff auf Stalingrad

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Der schnelle Vormarsch vom Donbogen aus auf die Stadt Stalingrad zu erfolgte am Morgen des 24. August 1942 durch das XIV. Panzer-Korps unter General Hube mit der 3. Infanterie-Division, der 60. Infanterie-Division (mot.) und der 16. Panzer-Division. Die Sanitäts-Kompanien der 16. P.D. waren in Münster aufgestellt worden. Erster Chef der 1 San. Kp. war Oberstabsarzt Dr. Paul Suchfort47.

Dr. Erwin Paal: „Am 25. August 1939 erhielt ich gegen 23 Uhr meinen Einberufungsbefehl zum 26.8.1939 auf dem Gelände des Missionsklosters Münster-Hiltrup. Nach drei Tagen rückten die Einheiten der 16. Infanteriedivision und damit auch die 1. SanKp 1/16 aus den westfälischen Garnisonen und Aufstellungs-Orten. Nachdem die Truppe an der deutsch-luxemburgischen Grenze die Einsatzorte erkundet hatte, begann auch bei der 1. San.-Kompanie ein harter Ausbildungsdienst. Jeder Mann, ob Soldat oder Sanitäter, wurde in allen Aufgaben des Sanitätsdienstes unterrichtet und immer wieder geschult. Jeder Handgriff mußte im Schlaf gekonnt sein, gleichgültig an welcher Stelle der Einsatz des Einzelnen erfolgte. Ein großer Vorteil war der Umstand, daß fast alle Handwerksberufe planmäßig vorgemerkt waren. Maurer, Ofensetzer, Schreiner, Wagenbauer, Friseur, Laborant, Metzger, Koch – auch Diät –, Schuster und Schneider waren unermüdlich im Einsatz.“ Im August 1942 waren die Sanitäts-Kompanien für den schnellen Angriff auf Stalingrad bereit. Anfang August lag der Hauptverbandplatz der 1. San.Kp. im großen Donbogen bei Arshanowskij Ossipowskij, danach in Jerossejewo und anschließend in Jewessejew, an der Straße nach Kalatsch; der HVP der 2. San.Kp. lag in Ssuchanowslij an der Liska.

Dr. Gerlach: „So brauste die 16. Panzerdivision am 23. August 1942 vom Don über die Steppe in breiter Keilform in Richtung Stalingrad, rechts und links von der 3. und der 60. Infanteriedivision geschützt, […] durch die Sicherungsketten der Russen brach, nach hartem Gefecht den Tatarengraben überwand und als erste Stalingrad im Norden und die Wolga erreichte. Zu diesem Unternehmen war vom Divisionsarzt eine Op-Gruppe der 2. Sanitätskompanie unter Führung von Stabsarzt Dr. Weber eingesetzt worden, die sich als völlig ausreichend für diesen Vorstoß erwies.“48

Chef der 2. Sanitäts-Kompanie war Dr. Schattenberg; weitere Ärzte waren als Internist Oberarzt Dr. Franz Sprafke49 und kurzzeitig von Mitte September bis Anfang November 1942 Unterarzt Dr. Hubert Boeckeler50 als Chirurg. Abteilungsarzt seit August 1942 war Unterarzt Dr. Kimmel51; Zahnärzte waren Dr. Jan Dehling52 und Gerhard Becker53.

Die Op-Gruppe Weber richtete sich nach den ersten Kampftagen – und nachdem sich die Division nördlich von Stalingrad in der Steppe eingeigelt hatte und in heftige Abwehrkämpfe mit den Russen verwikkelt war – etwa 300 Meter vom Divisionsgefechtsstand als vorgeschobener Hauptverbandplatz ein.

Jedenfalls wurde unsere Op-Gruppe allen Anforderungen gerecht; wir konnten außerdem durch mehrmalige Räumung mit KrKw54 unter Panzerbegleitschutz Verwundete in die Feldlazarette am Don verlegen, um Platz zu schaffen. Ergänzungen an Sanitätspersonal und Material, gestellt durch die zwei motorisierten Sanitätskompanien, die ihren Standort in Orten am Don hatten, wurden auf diese Weise wieder in die Igelstellung hineingebracht. Später, als die 6. Armee heran war und der Don-Wolga-Korridor genügend verbreitert war, verlief der Rücktransport der Verwundeten reibungslos. Man konnte dann dem bewährten Prinzip wieder folgen: erst transportieren und dort operieren, wo der Verwundete Aussicht hatte, länger bleiben zu können.“

Dr. Weber: „So nahmen wir auch am Vormarsch vom Don zur Wolga teil. Als ich von der Division den Befehl bekam, mich am 23. August 1942 mit meiner Operationsgruppe im Dongebiet einzufinden, wussten wir, dass am nächsten Morgen ein großer Tag für unsere Division hereinbrach. Sie hatte den Auftrag, als Panzerspitze den Vormarsch zwischen Don und Wolga auf Stalingrad durchzuführen. Auf dem westlichen Ufer des Don wartete ich mit meiner Gruppe auf den Einsatz und den Marsch über die Donbrücke55. Schließlich war es soweit: Hier und da gab es Granateinschläge, oder es fielen Bomben, die die Russen auf unsere Marschgruppe abwarfen. Es war noch tiefe Nacht; die Brücke wurde ohne Zwischenfall überquert, und wir setzten uns auf dem anderen Ufer sogleich weiter in Marsch. Die Sonne kam heraus; es war ein herrlicher Sonnentag, an dem sich die Kolonne über die Steppe in Richtung zur Wolga hin bewegte. Die 16. Panzerdivision fuhr als Spitze, flankiert links und rechts von der motorisierten 3. und der 60. Infanteriedivision.

Der Vormarsch gestaltete sich wie auf einem Paradeplatz. Nach Überwindung und Ausbruch aus dem Brückenkopf am Don gab es keine Feindeinwirkungen. Die Steppe brannte hier und da, hervorgerufen durch unsere Schlachtflieger, die 20 Meter über uns auf jeden verdächtigen Heuschober oder andere Objekte ihre Munitionsgarben mit Brandmunition abfeuerten. Verwundete fielen nicht an. Erst gegen Mittag, als wir uns schon der Stadt Stalingrad näherten, wurde der Widerstand der Russen härter. Ein stärkeres Artilleriefeuer wurde auf uns gerichtet, so daß auch einige Verwundete anfielen, die rasch versorgt und in die Krankenwagen verladen wurden, damit sie später operiert werden konnten.

Am frühen Nachmittag erreichten wir im Norden von Stalingrad die Höhe und sahen zum ersten Mal die Häuser der Stadt und die Wolga vor uns liegen. Es war ein imponierender Anblick, da die Sonne den Fluß und die Stadt erleuchtete, so daß sich die Wolga als glitzerndes Band durch die Landschaft zog. Wir bezogen eine Balka56 an einer Höhe im Norden von Stalingrad, fuhren unsere Operationswagen und ebenfalls die anderen Fahrzeuge in die Schlucht hinein, die eine Länge von etwa 150 Meter hatte. Der Operationswagen wurde sofort fertiggemacht, so daß wir uns bereits nach kurzer Pause wieder der Versorgung und Operation der Verwundeten widmen konnten.

Wir ahnten an diesem Tage nicht, daß wir hier in dieser Schlucht einige Monate verbringen sollten! Der Vormarsch der 16. Panzerdivision war so schnell erfolgt, daß die anderen beiden Infanteriedivisionen, die 3. und die 60., nicht mitgekommen waren, so daß wir uns in der Nacht am Nordrand von Stalingrad einigeln mußten. Ich wußte aus Erfahrung, daß wir bei unseren Panzern bestens aufgehoben waren, wenn wir im Kern des Igels lagen. So begaben wir uns zur Ruhe, nachdem alle Verwundeten versorgt und in Zelten untergebracht worden waren.

In aller Frühe weckten uns heftiges Artilleriefeuer und hoher Gefechtslärm aus dem Norden. Der Russe hatte jetzt unseren Durchbruch und unsere Situation richtig wahrgenommen und versuchte, unsere Panzerdivision in ihrer Igelstellung anzugreifen und zu vertreiben. Die Lage für die Division war sehr ernst, da wir keinen Rücktransport durch den geplanten Korridor durchführen konnten. Die 3. und die 60. Infanteriedivision waren noch nicht in den Stellungen eingetroffen, die sie beziehen sollten. Das waren kritische Tage für unsere Einheiten, die sie bei Beginn der Schlacht nicht vorausgesehen hatten.


Generaloberst Hans Hube

General Hube, unser Divisionskommandeur, kam am zweiten Tag zu mir auf den Verbandplatz und fragte mich: ‚Doktor, wie viele Verwundete hatten Sie?‘ Bis zu diesem Zeitpunkt betrugen die Verluste an Verwundeten schätzungsweise 60 bis 70 Mann. Die Unterbringung war nur in Zelten möglich, aber bei den Kämpfen, die in den nächsten Tagen auf uns zukommen sollten, vermehrte sich die Zahl der Verwundeten auf 150, und noch immer gab es keine Möglichkeit, sie zu rückwärtigen Diensten abzutransportieren.

Endlich, am fünften Tag nach unserem Vorstoß und dem Aufbrechen unseres Igels im Norden von Stalingrad, war es schließlich soweit, daß wir unsere Verletzten abtransportieren konnten. Dazu wurden alle Krankenkraftwagen benutzt, die zur Verfügung standen, und gleichzeitig auch alle LKW, alle Transportwagen und alle Munitionswagen, die unsere Verwundeten zu den Auffangstellungen unserer Division bei meiner Sanitätskompanie am Don mitnahmen. Die Kolonne wurde von Panzern begleitet, so daß eventuelle Zwischenfälle von diesen bereinigt werden konnten. Inzwischen hatten die 3. und die 60. I.D. (mot.) ebenfalls ihre neuen Stellungen im Norden des Korridors bezogen, so daß der Transport zwischen Don und Wolga jetzt gewährleistet war, abgesehen von einigen Einbrüchen, die von den Russen versucht wurden.“

Der Hauptverbandplatz der 2. San.Kp. lag am 28. August genau an Punkt 134, sechs Kilometer südwestlich von Jesowka, einen Tag später bei Rynok, drei Kilometer nördlich von Orlowka, am 2. September in Werchnaja.

Dr. Gerlach: „Obwohl die Division reichlich durch die vorangegangenen Kämpfe mitgenommen und erschöpft war, war es infolge des immer noch heftig tobenden Kampfes um Stalingrad durchaus nicht sicher, ob und wann wir einmal für eine Ruhepause herausgezogen würden. Es war durchaus möglich, daß wir auch über Winter in der Stellung bleiben mußten. Nachdem wir im September noch in einfachen Erdlöchern gehaust hatten, immer in der Hoffnung, bald wieder vorwärts marschieren zu können, waren wir nun doch immer tiefer in die Erde gegangen. Nicht nur, daß uns in unseren Erdlöchern nachts die Feldmäuse übers Gesicht liefen, kamen nachts immer mehr sogenannte ‚Nähmaschinen‘, die, wie wir sagten, ihre kleinen, aber unangenehmen Bomben mit der ‚Kohlenschaufel‘ auf unseren Gefechtsstand und die Umgebung warfen. So wurden immer wieder Leute verwundet, die nachts für kurze Zeit den Bunker zum Austreten verlassen hatten, und auch mancher Bunker wurde getroffen. Diese Flugzeuge erschienen mit der Dunkelheit und verschwanden erst wieder in der Morgendämmerung, wenn unsere Jäger sie vertrieben. Ich atmete jedes Mal am Morgen auf, wenn ich bei meiner Op-Gruppe feststellen konnte, daß in der Nacht nichts passiert war.

Außerdem waren eines Morgens plötzlich fünf russische Panzer vor unserem Gefechtsstand erschienen, die zwar nicht lange zu leben hatten, aber immerhin auch unseren Verbandplatz beschossen hatten, so daß Stabsarzt Dr. Weber mit seinen Männern zum Schutze der Verwundeten in Rundumverteidigung gegangen war. Aus all diesen Gründen wurden ein tieferer und größerer Erdbunker für die Verwundeten gebaut, Öfen hergerichtet und Holz aus den eroberten russischen Stellungen geholt. Der wertvolle Op-Wagen wurde ebenfalls in die Erde eingebaut – er hatte schon einige Bombensplitter abbekommen.

Ich überlegte mir, die Op-Gruppe, die wirklich Ruhe verdient hätte, mit einer anderen auszutauschen, aber Stabsarzt Dr. Weber bat im Einverständnis mit seiner Gruppe darum, nicht abgelöst zu werden. Mir war es sehr recht, da diese Gruppe vorzüglich arbeitete und Dr. Weber, im Frieden Oberarzt an der chirurgischen Universitätsklinik Köln, ein ausgezeichneter Chirurg war und das Vertrauen der ganzen Division genoß. So hätten wir, wenn es notwendig geworden wäre, in den gut ausgebauten Stellungen den Winter durchstehen können.“

Der vorgeschobene Hauptverbandplatz der 2. Kompanie lag Anfang Oktober bis November zwei Kilometer nördlich von Orlowka. Ihr HVP war in Lataschinka bei Rynok bzw. in Jessowka bei Orlowka.

Dr. Gerlach: „Mitte November wurde bekannt, daß die Division nach Ablösung durch die 94. Infanteriedivision in die Winterquartiere abrükken sollte. Der Divisionsarzt der 94. I.D. war bereits bei mir gewesen und hatte sich sehr befriedigt die geschaffenen Unterkünfte angesehen. Bevor es soweit war, kam der Befehl, am 17. November konzentrisch Rynok im Norden der Stadt anzugreifen und zu nehmen. Trotz größter Anstrengung scheiterte dieser letzte Kampf. Wieder herrschte auf allen eingesetzten Truppenverbandplätzen und vor allem bei unserer Op-Gruppe Hochbetrieb. Ich beorderte die doppelte Anzahl von Krankenkraftwagen heran, um alle Verbandplätze rasch zu entleeren und die Verwundeten in die Armeefeldlazarette zu bringen; nur das Notwendigste wurde operiert, und am Abend des 19.11 war alles aufgearbeitet. Alle Verwundeten waren abtransportiert; Hauptmann Mues, einen unserer tapfersten Offiziere, der einen schweren Kopfschuß erhalten hatte, ließ ich mit dem Fieseler Storch ins nächste Feldlazarett bringen. Das Sanitätspersonal der 94. I.D. war zur Übernahme eingetroffen. Mit gutem Gewissen konnte ich Stabsarzt Dr. Weber den Befehl zum sofortigen Abrücken in die Winterquartiere geben; er rollte noch in der Nacht mit seiner OP-Gruppe ab. Nach all den schweren Wochen und Monaten, die uns in den harten Kämpfen den Verlust so vieler guter Kameraden gebracht hatte, waren wir aber doch in ruhiger Vorfreude auf unsere Ruhequartiere, aber am Morgen des 20. November war schlagartig alles anders!“

Dr. Weber: „Je länger wir in dieser Schlucht bleiben mussten, desto mehr wurde getan, um unsere Fahrzeuge und den Operationswagen in die Erde einzubauen. Wir gruben für den Op-Wagen einen Riesenschacht, bedeckten ihn mit Eisenbahn- und Schienenschwellen und packten darauf wieder eine Erdschicht, so daß eine provisorische Unterkunft und ein Bunker für den Op-Wagen vorhanden waren. Auch die Mannschaft hatte ihre Unterkunftsräume in der Balka verbessert. Für die Verwundeten war reichlich Platz geschaffen worden. Man hatte die Bunker mit Brettern etwas komfortabel hergerichtet, so daß sie wie kleine Stuben innerhalb der Balka wirkten. In dieser Stellung hätten wir den Winter gut überstehen können, mit Heizung, Öfen usw.

Da kam der Befehl, daß die 16. Panzerdivision abgelöst und die 94. Infanteriedivision diese Stellung übernehmen sollte; wir sollten hinter den Don verlegt werden, um hier als Auffangstation, und unsere Panzer als Feuerwehr für eventuelle Durchbrüche oder Angriffe der Russen in Aktion zu treten. Ich bekam am 20. November den Befehl, mich zum Don hin abzusetzen und mich bei meiner Kompanie zu melden.“

Auch Dr. Paal rückte ab: „Ich bekam den Auftrag, eine Winterstellung westlich des Don vorzubereiten und einen Hauptverbandplatz dort zu errichten, außerhalb des späteren Kessels, denn unsere Division sollte herausgezogen werden. So zog ich zwischen Don und Wolga hin und her; im letzten Moment blieb ich daher außerhalb des Kessels, und Dr. Weber blieb drin.“

Stalingrad - Die stillen Helden

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