Читать книгу Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch - Страница 18
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ОглавлениеDer Kaiser hatte in ohnmächtiger Wut zusehen müssen, wie Matthias sich zum Herrn von Ungarn machte, und erfuhr nun auch von seinen geheimen Verhandlungen mit den unzufriedenen böhmischen Ständen, sodass er sich nicht mehr verhehlen konnte, wie nahe er daran war, auch die böhmische Krone zu verlieren. Der zuverlässigste unter seinen Räten, Hannewald, wie auch der ihm unbedingt ergebene katholische Kanzler, Popel von Lobkowitz, rieten ihm beide, einen Landtag einzuberufen, auf welchem die Stände ihre Forderungen vortragen könnten; dies sei das einzige Mittel, das Vertrauen wieder herzustellen. Hannewald war ein kluger, arbeitskräftiger Mann, der einzig den Vorteil des Kaisers im Auge hatte, alle Menschen außer sich selbst verachtete und durch nichts aus dem Geleise zu bringen war. Zuweilen betrank er sich so, dass er für einige Tage aussetzen musste; aber das einmal gesteckte Ziel behielt er trotzdem im Auge. Er beredete den Kaiser sogar dazu, den Landtag in Person zu eröffnen, denn im Volk sei das Gerede im Schwange, der echte Kaiser Rudolf sei lange tot, man halte einen im Schloss verborgen, der ihm ähnlich sehe, darum müsse er sich einmal öffentlich zeigen.
Die dem außerordentlichen Ereignis vorausgehenden Tage war Rudolf unruhig mit den Vorbereitungen zu seinem Aufputz beschäftigt; er wollte einen schönen und majestätischen Eindruck hervorbringen. Als er mit niedergeschlagenen Augen, von dem Kanzler und einigen Räten geleitet, in den hohen und weiten Versammlungssaal trat, zitterten seine Knie vor ängstlicher Erregung; er hatte das Gefühl, als starrten ihm die Blicke der anwesenden Stände wie Lanzenspitzen entgegen. Dem war jedoch nicht so: die schwarzgekleidete, ein wenig gebeugte Gestalt des Kaisers, der feine Silberschimmer, der über seinen Haaren lag, der Ausdruck des Leidens auf seinem bleichen Gesicht erregte Mitleid und Rührung in den Gemütern und schlug für den Augenblick die feindliche Leidenschaft nieder. Diese gesänftigte Stimmung, die er mit einem verstohlen auf die Versammelten geworfenen Blick erhaschte, erleichterte es ihm, die wenigen Worte, die er zu sprechen hatte, in würdevoller Haltung und mit dem Schein edler Gelassenheit vorzutragen.
Als die Sitzung vorüber war und er sich von der ungewohnten Anstrengung erholt hatte, ließ er auftischen und nahm mit Frauen und Zechgenossen eine Mahlzeit ein. In heiterer Laune machte er sich über die trotzigen Stände lustig, die er am Narrenseil springen ließe; nichts, nichts würde er von ihren Forderungen bewilligen, sie möchten sitzen und beraten und Paragrafen schreiben, solange es sie gelüstete, zuletzt schickte er sie mit langer Nase heim. Es trug zu seinem Wohlbefinden bei, dass Lang auf einer Reise abwesend war; denn dessen Fall war, seit die Sache mit Matthias zum Ausbruch gekommen war, beschlossen. Bei seiner Rückkehr wurde er verhaftet, vor ein Gericht gestellt, und auf sein Vermögen wurde Beschlag gelegt. Einen Teil davon erhielten die vielen Herren, die nun Klagen einreichten, sie hätten Lang große Summen ausgezahlt, damit er ihre Anliegen, Beförderungen und andere Gnadenakte beim Kaiser betreibe, aber keinen Erfolg gesehen; das übrige fiel dem Kaiser zu. Viele wünschten, den hochmütigen und habgierigen Mann am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen enden zu sehen; allein das Gericht fand eine solche Schärfe dem ehemaligen Liebling des Kaisers gegenüber nicht angezeigt, zumal da ihm weder in hochverräterischen Handlungen noch in Zauberei etwas Eigentliches nachzuweisen war, und ließ es bei Verlust des Vermögens und der Freiheit auf Lebenszeit bewenden.
Matthias hatte sich die künftige Größe mehr Mühe und Arbeit kosten lassen, als von seiner Natur zu erwarten war, nur in einem wichtigen Punkte blieb er hartnäckig, nämlich in dem einer standesgemäßen Heirat. Hätte er einen ehelichen Nachfolger gehabt, so hätte er weit mehr Aussicht auf allgemeine Anerkennung gehabt, als jetzt der Fall war, und er selbst wie die Verfechter seiner Sache hätten viel ruhiger in die Zukunft blicken können. Die Schwierigkeit bestand aber darin, dass er seit Jahren mit einer Frau namens Susanna Wachter zufrieden und bequem lebte, von der er sich durchaus nicht trennen wollte. Diese hatte einen feurigen und herrschsüchtigen Charakter, weswegen die Menschen im Allgemeinen nicht mit ihr anzubinden liebten; ihn jedoch, der ihr vollkommen ergeben war, versorgte sie mütterlich, und ihre genaue Bekanntschaft mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen ermöglichte es ihr, ihm das tägliche Leben glatt eingehen zu lassen.
Die ersten Versuche Khlesls, diesen heiklen Gegenstand anzurühren, ließ Matthias abgleiten, als ob er ihn nicht verstehe; dann wehrte er sich, indem er die Heirat auf die Zeit verschieben wollte, wo er sein Ziel erreicht hätte. Das gehe nicht an, sagte Khlesl, man müsse einmal zugeben, dass seine Jugend ohnehin verrauscht sei, wolle er noch Nachkommenschaft erzielen, so müsse er sich dazuhalten. Seinem früheren Stande hätte es hingehen mögen, dass er sich eine Beischläferin genommen habe, jetzt müsse er als ein Mann und Christ den Pflichten seines hohen Amtes nachkommen. In seiner Verblendung bilde er sich ein, dass von der Susanna Wachter seine Seligkeit abhänge; wenn er aber einmal eine andere koste, werde er merken, dass der eine Teig gewälzt und gebacken sei wie der andere und dass dieselbe Ware auf jedem Markte feil sei. Um ihn davon zu überzeugen, führte ihm Khlesl bei Gelegenheit eines Reichstages eine hübsche Person zu, die sich bereit erklärte, wenn es so der Wille Gottes sei, dem Erzherzog entgegenzukommen; aber schon nach kurzer Zeit wurde Matthias ihrer überdrüssig und verlangte mit verdoppelter Sehnsucht Susanna Wachter zurück. Dieser Umstand legte die Vermutung nahe, dass Matthias von der Wachter behext und unfähig gemacht sei, Kinder zu erzeugen oder überhaupt sich mit anderen Frauen einzulassen. Mit Vorstellungen, welche Gefahr er an der Seite dieses Weibes laufe, brachte Khlesl es allmählich dahin, Matthias ein wenig ängstlich und misstrauisch zu machen und ihn wenigstens zum Anhören seiner Vorschläge zu bewegen.
Es war die jüngste Schwester des Herzogs von Bayern, Magdalena, die Khlesl ins Auge gefasst hatte, um damit seinem Schützling den Beistand dieses tatkräftigen und glaubensstrengen Herzogs zu sichern, und Matthias ließ es endlich zu, dass der Bischof nach München reiste und insgeheim anklopfte, wie die Werbung des Erzherzogs am dortigen Hofe aufgenommen werden würde. Da Magdalena bisher noch keine Bewerber gehabt hatte, die ernstlich in Betracht gekommen wären, begann die Frage ihrer Versorgung dem alten Herzog, ihrem Vater, ernste Gedanken zu machen, und die Aussicht auf diese Heirat versetzte ihn in nicht geringe Aufregung. Allerlei Bedenken standen freilich entgegen: erstens das Alter des Matthias, der damals fünfzig Jahre alt war, ferner sein wunderliches Verhältnis zu Rudolf und sein verwegenes Scharmutzieren in Ungarn und Böhmen, womit er noch alles verspielen könne. Hiergegen führte Khlesl an, wie lästerlich und schändlich es in Prag zugehe, dass Gottes Beistand dem Matthias nicht fehlen könne und dass er ja auch nichts Unbrüderliches gegen Rudolf vorhabe, sondern auf dem Wege der Billigkeit bleiben wolle. Anders ließ sich die Erzherzogin Maria, Wilhelms Schwester, vernehmen: er solle sich doch den stinkenden Matthias vom Leibe halten, schrieb sie ihrem Bruder; nach außen scheine er vielleicht noch ein wenig, aber innen sei alles verfault, und der Teufel werde über kurz oder lang damit davonfahren. Ob Wilhelm nicht wisse, dass seine Hure, die Wächter, ihm die Manneskraft abgehext habe? Das wäre ein gottloser Handel, wenn er seine Tochter einem solchen Manne gäbe, von dem sie keine Kinder gewinnen und auch sonst wenig Ehre davontragen könnte.
Diese Warnungen machten nur geringen Eindruck auf den alten Herzog und noch weniger auf Magdalena selbst; ihre Tante sei neidisch, sagte sie, und fürchte, dass Matthias von ihr Kinder bekomme und dadurch für ihren Ferdinand die Aussicht, Kaiser zu werden, dahinschwinde. Maximilian erinnerte sie neckend daran, wie sie, als ihre Schwester Maria Anna den Ferdinand genommen habe, spöttisch gesagt habe, sie möchte keinen von den buckeligen Österreichern zum Manne; worauf Magdalena errötend entgegnete, der Ferdinand sei allerdings ein alberner Löffel und wackelig in den Gelenken wie ein Hampelmann, mit Matthias sei es etwas anderes, er sei bei Jahren, habe Vernunft und Erfahrung, solle gar nicht so übel sein. Übrigens, sagte sie, müsse ein jeder sein Glück versuchen, sie wolle es auch, die Susanna Wachter wolle sie ihm schon austreiben, und das uneheliche Klosterleben sage ihr vollends nicht zu, so sei doch etwas bei der Heirat gewonnen.
So war die Angelegenheit schon auf einen Punkt gegenseitiger Verständigung gekommen, als sie durch etwas Unvorhergesehenes durchkreuzt wurde, nämlich durch die Werbung des Kaisers um Magdalena. Als das Gerücht von der geplanten Heirat des Matthias nach Prag kam, wurden in der Umgebung des Kaisers höhnische Bemerkungen gemacht, wie sie seinen Beifall haben mussten. Wenn die Magdalena ein Kind bekäme, hieß es, hätte sie es wohl eher vom Teufel als von Matthias. Aufziehen möchte er die Braut schon, wenn es aber dann zum Tanz käme, wie er bestehen sollte? Wenn die Hochzeit auch vollzogen würde, sagte Rhutsky, würde die Wachter doch nicht leiden, dass er den Fuß auf das Ehebett setzte; es sei ja bekannt, dass sie in einem gewissen Kloster ein Lämplein brennen habe, womit sie ihm das Lebenslicht ausblasen könne.
Der Kaiser hörte wohlgefällig zu, war einige Tage nachdenklich und kam dann damit heraus, dass er die Magdalena selbst heiraten wolle. Er wolle dem Matthias seine falschen Karten verschlagen, ohnehin sei es jetzt Zeit für ihn, sich zu vermählen. Zwar gefalle ihm auch eine florentinische Prinzessin gut, deren Bild er kürzlich gesehen habe, aber er wolle es nun zuerst auf die bayrische abstellen. Er müsse lachen, sagte er, wenn er sich den Schrecken und die Enttäuschung unter seinen habgierigen Brüdern ausmale.
Rudolfs Räte schüttelten den Kopf, hielten es aber für klüger, ihr Erstaunen nicht zu äußern, und so ging denn eine vertrauliche Gesandtschaft nach München ab, um unvorgreiflich über die Sache zu reden. Der alte Herzog verlor einigermaßen die Fassung, denn diesen Bewerber auszuschlagen schien ganz und gar unmöglich, und doch wäre ihm Matthias, als der künftige Kaiser, bei Weitem lieber gewesen. Auch Magdalena wollte von Rudolf nichts wissen; vor Matthias grause ihr weniger, weil er nicht gar so alt und auch sonst nicht so unflätig sei wie der Kaiser.
In ihrem Widerstande wurde Magdalena durch die Bekanntschaft mit ihrem Vetter Leopold bestärkt, Ferdinands jüngerem Bruder, der sich in sie verliebte und eine heftige Zuneigung in ihr erweckte. Der nun zwanzigjährige Bischof von Passau ging mit dem Gedanken um, sich nach dem Tode der Mutter des geistliehen Wesens, zu dem er niemals Lust gehabt hatte, zu entäußern und ein fröhliches Fürstenleben anzufangen, wie es andere seinesgleichen führten. Er fühlte sich fähig, ein Held zu sein, sowohl im Krieg wie im Regiment und in der Liebe, und womöglich den Dämel, seinen Bruder Ferdinand, den er für einen Duckmäuser ansah, aus dem Sattel zu heben. Da er an jenem gehässigen Familienvertrage vom Jahre 1606 nicht beteiligt gewesen war, hatte der Kaiser eine Vorliebe für ihn gefasst und ihm Hoffnung gemacht, er werde ihn etwa noch zu seinem Sohn und Nachfolger erheben. Die Erlaubnis, das geistliche Kleid abzulegen, würde ihm der Herzog von Bayern, glaubte er, leicht in Rom erwirken können.
Von dieser Leidenschaft ergriffen, sträubte sich Magdalena nunmehr ebensowohl gegen Matthias wie gegen Rudolf und erklärte, sie wolle als Nonne in ein Kloster gehen, wenn man sie zwingen wolle, einen anderen Mann als Leopold zu heiraten. Diesen liebe sie und werde nie einen anderen lieben, und ebenso ungestüm gebärdete sich Leopold zur großen Verlegenheit des alten Herzogs.