Читать книгу „… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“ - Richard A. Huthmacher - Страница 11

WER IST VER-RÜCKT?

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sich finden ein versprechen für

immer glück mit den schatten

des lebens wachsend blasses

abbild eines traums

und doch ein

geschenk

Die Wände des Zimmers kamen näher und näher, bebend, schwankend, taumelnd. In der Ferne ertönte Musik, Maria konnte nur einzelne Fetzen erkennen und glaubte, eine Sequenz aus Mozarts Requiem zu hören: „Dies irae, dies illa … solvet saeclum in favilla.“ Fratzen, grell und bunt, mit grotesk verzerrten Zügen, die sie gleichwohl an Prof. Neunmalklug und Frau Prof. Tausendschön erinnerten, drangen aus allen Richtungen auf sie ein und verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Grellbunte Kreise und neonfarbene Spiralen tauchten die Zimmerwände in ein gespenstisches Licht. Über ihre Arme krabbelte Ungeziefer und verbiss sich in ihrer Haut. Ihr Kopf war leer, ihre Gedanken waren aus Watte und ihre Arme und Beine aus Gummi; sie konnte sich weder bewegen noch einen halbwegs klaren Gedanken fassen, war eingeschlossen, weggesperrt in sich selbst. Schreien wollte sie, brüllen oder auch nur jaulen oder winseln, jedoch erstickte jeder Ton in ihrer Kehle. Immer größer wurde die Angst, die in ihr hoch kroch, sich mehr und mehr ausbreitete, die sich wie ein Reif um ihre Brust legte, die sie hinderte zu atmen und sie nachgerade erstickte. Ihre Panik wuchs ins Unermessliche. Plötzlich entrang sich doch ein Schrei ihrer Kehle: laut, durchdringend, aus Verzweiflung bebend.

Maria wachte auf. Und nahm mit Bestürzung wahr, dass sie in einem fremden Bett und in einem fremden Zimmer lag. An Armen und Beine gefesselt, einen Schlauch im Hals und eine Kanüle in der Luftröhre. Langsam dämmerte die Erinnerung an das, was in den letzten Tagen geschehen war:

Sie saßen am Kaffeetisch, es war ein schöner Tag im Juni. Marias Mutter war zu Besuch, sie freute sich, dass ihre Tochter wieder wohlauf und von ihrer Krebserkrankung weitgehend genesen war. Auch Reinhard schaute glücklich drein. Plötzlich hämmerte es gegen die Haustür. Maria staunte, umso mehr, als sie sehr zurückgezogen lebten und kaum Besuch empfingen. Und schon gar keinen, der sich auf solch unangemessene Art bemerkbar machte. Unwirsch erhob sich Reinhard und ging zur Tür.

„Aufmachen! Polizei!“, schrie es von draußen. Völlig irritiert öffnete er die Tür. Und erhielt unversehens einen Schlag gegen die Brust, so dass er rückwärts taumelte. Grün-Uniformierte, an der Aufschrift auf ihren Jacken als Polizei erkennbar, damit man sie nicht mit einem Rollkommando verwechsele, stürmten ins Haus, ihnen folgte ein Milchbart, dessen Wichtigkeit daran zu erkennen war, dass er die Aufschrift „Notarzt“ trug, zwei kräftige Bauernburschen, dem Anschein nach nicht bösartig, eher einfältig und ebenso dreinblickend, folgten ihm; sie waren als Sanitäter zu identifizieren.

„Was ist hier los? Was geht hier vor?“ presste Reinhard heraus, weil ihm der Stoß gegen die Brust noch immer den Atem nahm. „Wir bringen Ihre Frau in die Klinik“, kam kurz und knapp die Antwort. „Das muss ein Irrtum sein. Meine Frau will nicht in die Klinik. Warum auch. Sie ist nicht, jedenfalls nicht mehr krank. Außerdem bin ich selbst Arzt.“ „Wir haben den Auftrag, Ihre Frau in die Klinik zu bringen.“ „Wer hat sie beauftragt? Mit welchen Recht?“ „Dazu sagen wir nichts.“ „Haben Sie irgendeinen richterlichen Beschluss?“ „Brauchen wir nicht.“ „Wieso nicht?“ „Gefahr im Verzug.“ „Welche Gefahr? Welcher Verzug?“ „Halten Sie endlich die Fresse.“

Es war nicht zum ersten Mal, dass sich die Hüter von Recht und Ordnung gewaltsam bei Reinhard Einlass verschafften. Einige Jahre zuvor hatten das Bundeskriminalamt und mehrere Landeskriminalämter zwei Hundertschaften losgeschickt, um seine Klinik, die Zentralen seiner Firmen und private Wohnsitze auf den Kopf zu stellen. Wegen vermeintlichen Abrechnungsbetrugs, wegen angeblicher Rezeptfälschungen, wegen geradezu irrwitzig behaupteter Drogenschiebereien.

Wie die Vandalen waren die Hüter staatlicher Gewalt eingefallen – der Vergleich sei gestattet, ohne die Vandalen beleidigen zu wollen. Keinen Stein hatten sie auf dem anderen gelassen, mit Transportern hatten sie die beschlagnahmten Unterlagen weggeschafft. Nur wenige Stunden später wurden Reinhards angebliche Missetaten im Radio publik gemacht; entsprechende Informationen waren den Medien offensichtlich durch Polizei und Staatsanwaltschaft zugespielt worden. Kein Hund hätte in der Kleinstadt, in der Reinhard damals lebte, anschließend noch ein Stück Brot von ihm genommen.

Anlass des martialischen Großeinsatzes waren falsche eidesstattliche Versichrungen von Dr. G. Großkotz, zuvor Geschäftspartner von Reinhard, dann, aufgrund geschäftlicher und privater Zerwürfnisse, dessen, Reinhards, Todfeind.

Ursache des Haberfeldtreibens gegen Reinhard waren jedoch dessen Auseinandersetzungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und mit der Ärztekammer.

Auseinandersetzungen deshalb, weil Reinhard bedürftige Patienten, auch aus dem angrenzenden Ausland, umsonst behandelte. Auseinandersetzungen, weil Reinhard in seiner Klinik Organisationsstrukturen geschaffen hatte, die deutlich werden ließen, wie viel Geld im Gesundheitswesen zum Fenster hinausgeworfen wird. Auseinandersetzungen, weil Reinhard seine Patienten besser und gleichzeitig kostengünstiger behandelte als seine Kollegen. Was indessen nicht deren Anerkennung, vielmehr ihren Neid und ihre Missgunst zur Folge hatte.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass die mehr als zehn Strafverfahren, die gegen Reinhard dann eingeleitet worden waren, nach fast zehn Jahren eingestellt wurden.

Zu Lasten der Staatskasse. Nachdem die fleißigen Ermittler fast fünfzigtausend Seiten Ermittlungsergebnisse zusammengetragen hatten. Nachdem Verfahren eingestellt und wieder eröffnet, nachdem Hauptverhandlungstermine anberaumt und wieder aufgehoben worden waren. Nachdem Reinhard ein halbes Dutzend Anwälte beauftragt und wieder entlassen hatte. Weil deren vornehmliche Tugend darin bestand, für ein horrendes Honorar möglichst wenig zu leisten. Nachdem die Banken all seine Kredite gekündigt und ihn in den Ruin getrieben hatten. Und zwar aufgrund weiterer eidesstattlicher Versicherungen seiner Todfeindes Dr. Großkotz. Eidesstattlicher Versicherungen, die sich im Nachhinein als erwiesenermaßen falsch herausstellten.

Weshalb Großkotz indes nie verurteilt wurde. Denn er stand „auf der richtigen Seite“. Wie die Staatsanwältin, die im Ermittlungsverfahren gegen das Recht verstieß. Was der zuständige Leitende Oberstaatsanwalt bestätigte. Ohne jedoch ein Verfahren wegen dieser Rechtsverstöße einzuleiten. Denn die Staatsanwältin habe nicht gewusst, was sie tat, Rechtsbeugung indes setze Vorsatz, bewusstes Handeln wider besseres Wissen voraus.

Dann aber, mit Verlaub, hätte man die treue Staatsdienerin wegen Unzurechnungsfähigkeit aus dem Verkehr ziehen müssen. Was freilich nicht geschah.

„Vor Feuer- und Wassersnot behüt´ uns, lieber Herre Gott“, heißt es in einem alten Kirchenlied, das Reinhard einfiel. Und vor Juristen wie diesen, dachte er.

All dies schoss ihm durch den Kopf, als seine Freunde und Helfer nun erneut bei ihm eindrangen. Wie vor nicht allzu langer Zeit, als sie sich wie Schwerkriminelle Zugang zu seinem Haus verschafft hatten. Weshalb Reinhards und Marias Anwalt mit folgender Beschwerde protestierte:

„…Rechtsanwaltskanzlei…

Vorab per Telefax…

Amtsgericht M.

DRINGEND! BITTE SOFORT VORLEGEN!

Beschwerde

… drangen am Montag, den 10.08.20..., gegen 8:00 Uhr morgens, bewaffnete Unbekannte auf das Grundstück und in Räume … im … S... (in) I. a. A. ein. Sie hatten sich in das o.g. Anwesen gewaltsam Zugang verschafft. Später konnte deren Identität [die der Eindringlinge] als Herr T… F…, Polizeiobermeister, ... Polizeiinspektion H. in ... Begleitung weiterer Polizeibeamter … festgestellt werden …

Aufgrund der Abgeschiedenheit des Wohnhauses, am Ende der Straße am Wald gelegen, ging Frau Dr. H… von einem Einbruch aus. Sie befand sich allein im Haus … Als sie in ihrem Treppenhaus einen Mann vorfand, der ... nicht als Polizeibeamter zu erkennen war, fing sie an, um ihr Leben ... zu schreien…

Der Mann trug weder Polizeidienstkleidung noch mit Polizeischrift versehene Einsatzkleidung, [vielmehr] Zivilkleidung, und befand sich mit im Anschlag befindlicher und ungesicherter Kurzwaffe im ... Treppenhaus ... Hinweise für einen notwendigen Waffeneinsatz sind weder … noch … zu entnehmen…

Die mit dem Waffeneinsatz einhergehende Lebensgefahr für die unbewaffnete Fr. Dr. H… bedarf keiner weiteren Erörterung …

Die Schwere des Eingriffs [vom Einbruch bis zur konkreten Lebensgefahr durch Schusswaffeneinsatz] steht außerhalb jeglichen Verhältnisses …

… Rechtsanwaltskanzlei,

durch

Rechtsanwalt

Fachanwalt für…“

Das angerufene Gericht verwarf die Beschwerde. Ohne jegliche Begründung. Mit einem einzigen, lapidaren Satz: „Der Beschwerde wird nicht abgeholfen.“

Noch im Sterben schrie Maria um Hilfe; „nicht schießen, nicht schießen“, waren die letzten Worte, die Reinhard von ihr hörte. „Nicht schießen, nicht schießen!“

Auf die Frage, warum der Einsatz überhaupt erfolgt war, hatte Polizeiobermeister Dummstark – so will ich ihn nennen – seinerzeit geantwortet: „Wir müssen doch ´mal nachschauen, welche Unterlagen Sie verstecken.“ Von welchen Unterlagen sprach er?

Nachdem Reinhards Klinik geschlossen, seine Firmen in die Pleite getrieben, sein gesamter Besitz verschachert worden war, nachdem er sein gesamtes Vermögen infolge der zuvor angesprochenen Ereignisse verloren hatte und er völlig mittellos war, versuchte er – teils der Not gehorchend, teils der Überzeugung folgend, nichts sei so schlecht, als dass es nicht auch für etwas gut sei –, seinem Leben eine neue Ausrichtung, neuen Sinn und Inhalt zu geben.

Schon zuvor hatte er eine Reihe von Krebskranken mit nicht-schulmedizinischen Methoden geheilt. Ohne indes genau zu verstehen, wie solch alternativen Methoden wirken. Diese Wirkung zu verstehen, wissenschaftlich-stringent zu erklären und anhand von Kasuistiken, d.h. durch Fallbeispiele, welche die Heilung der Patienten dokumentieren, zu beweisen, hatte er sich deshalb zur Aufgabe gemacht.

Seine Erfolge bei der Behandlung Krebskranker, namentlich solcher, welche die Schulmedizin zuvor als unheilbar aufgegeben und ihrem Schicksal überlassen hatte, waren bald so überwältigend, dass die Fachwelt aufhorchte, indes das, was ihr zu Ohren kam, entweder mit Gleichgültigkeit oder, schlimmer, mit Feindseligkeit zur Kenntnis nahm. Denn Reinhards Heilmethoden kosteten nur einen Bruchteil der herkömmlichen Behandlung. So dass allzu viele im Medizingeschäft um ihre Pfründe fürchteten.

Dass man durch entsprechende Einflussnahme die Erteilung der von Reinhard angemeldeten einschlägigen Patente zu verhindern wusste war noch eine der „harmlosen“ Maßnahmen.

Vielmehr glaubte man, der Forschungsergebnisse von Reinhard ließe sich billiger habhaft werden. Durch Hausdurchsuchungen beispielsweise. Für die man irgendeinen Vorwand erfand.

Der groteskeste von allen war der, Hinweise erhalten zu haben, er, Reinhard, habe seine Frau ermordet, und ihre Leiche in seinem alten Auto abtransportiert. Mit gespieltem Erstaunen nahmen die Hüter von Ordnung, Herrschaft und Kapital bei der Hausdurchsuchung dann zur Kenntnis, dass Maria wohlauf und ob Dreistigkeit und Ungeheuerlichkeit solcher Vorwürfe und dergleichen Vorgehens völlig entsetzt, in ihrem Glauben an alles, was ihr zuvor selbstverständlich gewesen, zutiefst erschüttert war.

Reinhard versichert auf Ehre und Gewissen, dass sich dieser Vorfall tatsächlich so ereignet hat. So unglaublich dies auch klingen mag.

Derart jedenfalls wurde Reinhard – nach und nach, Willkürakt für Willkürakt, Rechtsverletzung nach Rechtsverletzung – klar, dass sogenannte rechtsstaatliche Systeme zwar ein kodifiziertes Recht garantieren, dass dessen beliebige Auslegung und ggf. auch Beugung und Brechung sich im Zweifelsfall jedoch nicht von der in Willkürherrschafts-Systemen unterscheiden.

Indes: Korruption, Vetternwirtschaft, organisierten Lug und Trug gibt es in Deutschland selbstverständlich nicht. Nur in Bananenrepubliken. Und die sind bekanntlich in Afrika, Südamerika, in Russlands „lupenreiner Demokratie“, jedenfalls anderswo zu finden.

„Lieber Gott, mach mich dumm, dass ich in den Himmel kumm“, fiel Reinhard ein. Oder auch ein anderer „Schüttelreim“: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich nicht nach Dachau komm´.“

Dies alles schoss Reinhard, zeitrafferartig, durch den Kopf, als das bayerisch-grün uniformierte Rollkommando, Notarzt und Sanitäter im Tross, die Treppe hinauf stürmte. Im Wohnzimmer hatte sich Maria, starr vor Schreck, die Augen weit aufgerissenen, entsetzt ob der einfallenden Soldateska und aufgrund ihrer Erfahrungen Schlimmes ahnend, an ihre Mutter, eine winzige Person, gerade einmal ein Meter fünfzig groß und weit über achtzig Jahre alt, geklammert.

„Wir bringen Sie jetzt in die Klinik.“

„Wieso, weshalb? Wer gibt Ihnen dazu ein Recht? Zeigen Sie mir einen Beschluss, irgendein Papier.“

„Brauchen wir nicht. Gefahr im Verzug.“

„Was ist das? Wen gefährde ich? Wer oder was ist gefährdet?“

„Halten Sie den Mund. Sie kommen mit! Wenn nicht freiwillig, legen wir Ihnen Handschellen an. Solchen Neunmalklugen wie Ihnen werden wir schon zeigen, wo´s lang geht.“

Reinhard balgte sich mit den Polizisten, hatte gegen die Übermacht indes keine Chance; sie drängten ihn immer wieder ab, wenn er seiner Frau zur Hilfe eilen wollte. Diese hatten sie zwischenzeitlich ins Schlafzimmer geschleift und aufs Bett geworfen, wo sie mit Gewalt festgehalten wurde; ihre Mutter saß schreckensstarr in einer Ecke, stumm vor Angst, nachdem man sie mit roher Gewalt von ihrer Tochter losgerissen und ihr, die gerade einmal 35 kg wog, einen derart rüden Stoß versetzt hatte, dass sie, durchs Zimmer taumelnd, mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand, in dessen Ecke sie nun saß, gelandet war.

Reinhard gelang es, ein Fenster aufzureißen und nach Leibeskräften um Hilfe zu rufen. Doch selbst wenn man ihn hörte, abgelegen, wie sie wohnten – wer hätte Hilfe gegen wen holen sollen. Die Polizei alarmieren, dass sie gegen die Polizei einschreitet?

Maria lag mittlerweile keuchend und strampelnd auf dem Bett, wehrte sich mit hochrotem Kopf und Tränen in den Augen gegen die rohe Gewalt, mit der man sie festhielt. „Gleich werden Sie schlafen, dann geht’s es Ihnen besser“, versuchte, dümmlich grinsend, der milchbärtige Notarzt mit dem Doppelnamen Verbrecher-Hasenfuß sie zu beruhigen. „Mein Gott, welche Waschlappen man aus Menschen machen kann“, schoss es Reinhard durch den Kopf. „Und welch Unheil diese Hasenfüße anrichten.“

„Hilfe, Hilfe, sie bringen mich um“, schrie Maria mit nach und nach erstickender Stimme; Verbrecher-Hasenfuß hatte ihr eine Spritze gesetzt, die sie zum Verstummen brachte.

Dann ging alles schnell. Man legte Maria auf eine Tragbahre, fixierte sie an Händen und Füßen – d.h., man fesselte sie wie eine Schwerkriminelle – und verfrachtete sie in den bereitstehenden Rettungswagen, der sich, eskortiert von Einsatzfahrzeugen der Polizei, alsdann mit Blaulicht und Martinshorn in Bewegung setzte.

Welch´ gelungene Inszenierung, was für ein Spektakulum für die Schaulustigen, die sich zwischenzeitlich, trotz der abseitigen Lage des Anwesens, eingefunden hatten. Reinhard erinnere sich an die Verhaftung eines Terroristen, die er in den Siebziger-Jahren während seiner Studienzeit in Berlin erlebt hatte; der Aufwand heute war dem von damals durchaus vergleichbar.

Noch hielt Reinhard die Ereignisse für eine weitere Nacht- und Nebelaktion der Polizei; dass Arzt-Kollegen – Prof. Neunmalklug, Frau Prof. Tausendschön und Dr. Großkotz – in das Geschehen verstrickt, mehr noch, dessen Initiatoren sowie Inszenierung und Ablauf des weiteren Vorgehens bereits minutiös geplant waren, ahnte er nicht.

Mithin glaubte er, mit Arztkollegen im Krankenhaus reden und sie vom Unrecht der Vorkommnisse überzeugen zu können, wenn er die Klinik nicht allzu lange nach dem gespenstischen Tross erreichen würde, der mittlerweile durch die Nacht preschte wie weiland der Reiter in Goethes Erlkönig. Schier wahnsinnig vor Angst um seine Frau jagte er deshalb hinter dem Konvoi her, überfuhr rote Ampeln, kümmerte sich nicht um Einbahnstraßen, übersah die Lichthupen der Autos, die ihm entgegenkamen, rumpelte über Bordsteinkanten, dass fast die Achsen brachen, schleudert auf dem nassen Asphalt und behielt nur mit Müh und Not die Kontrolle über seinen Wagen.

An der Klinik angekommen, hetzte er zur Notaufnahme. Schon von weitem hörte er die Hilferufe von Maria, die offensichtlich wieder aufgewacht war. „Hilfe. Hilfe, warum hilft mir denn keiner. Reinhard, bist Du da, wo bist Du. Hilf mir doch.“

Zwei Wachleute, die bereits auf Reinhard warteten, wollten ihm den Zugang zur Notaufnahme versperren; es misslang. „Ich komme, ich helfe Dir“ schrie Reinhard, und sah, wie Maria von Pflegern und Ärzten in wehenden weißen Kitteln in weiter hinten gelegene Räume verbracht wurde.

Arztkollegen, die er ansprach, zuckten zurück und stieben von dannen, als habe er Pest und Cholera gleichzeitig. Plötzlich begriff Reinhard, dass Marias Verschleppung generalstabsmäßig geplant worden war. Schon tauchten Grünuniformierte auf, welche die überrumpelten Wachleute zu Hilfe gerufen hatte; sie schleiften Reinhard, nicht gerade zimperlich, nach draußen.

„… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“

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