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VERSCHLEPPT – MITTEN IN DEUTSCHLAND

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Als Maria ihre Briefe aus dem Psychiatrie-Knast, in den man sie verschleppt und eingesperrt hatte, schrieb, als sie diese Briefe in aller Eile kritzelte, weil sie unter ständiger Beobachtung stand und weil man schon wiederholt ihre Briefe konfisziert hatte, als Maria ihre Zeilen geradezu hinschmierte, weil ihre Mutter sich angemeldet hatte und den Brief für Reinhard, dem man nicht gestattete, sie zu besuchen, aus der geschlossenen Anstalt schmuggeln wollte, lag schon ein Martyrium hinter ihr. Und noch größere Pein vor ihr.

Nach ihrer gewaltsamen Klinikeinlieferung war sie sofort in den OP verbracht und dort gegen ihren Willen operiert worden. Weshalb war ihr unklar. Man hätte die Entzündung ihrer Beine, die mit ihrer – weitestgehend ausgeheilten – Krebserkrankung nichts, aber auch nicht das Geringste zu tun hatte, ohne weiteres konservativ, also nicht operativ behandeln können. Wie dies bei Kindern grundsätzlich so gehandhabt wird.

Zweifelsohne wäre eine solche Behandlung auch zu Hause möglich gewesen. Zumal Reinhard ja Arzt war. Dass sie also gegen ihren Willen hierher verbracht wurde, war nur ein Vorwand, um sie „aus dem Verkehr“ zu ziehen. Indem man ihr eine psychische Erkrankung unterstellte, sie für unzurechnungsfähig erklärte, weil sie sich einer angeblich notwendigen Operation entzog.

Der sich zu entziehen, selbst wenn die Operation tatsächlich notwendig gewesen wäre, was indes nicht zutraf, selbstverständlich einzig und allein ihre eigene Entscheidung war; niemand kann gezwungen werden, sich eine bestimmten Behandlung angedeihen zu lassen. Selbst wenn sich jemand für eine andere als die übliche Behandlung entscheidet, kann daraus nicht geschlussfolgert werden, er sei psychisch krank. Dies ist auch juristisch unumstritten.

Nach der Operation war Maria nicht auf Intensivstation oder in der chirurgischen Abteilung aufgewacht. Zunächst mit ungläubigem Staunen, dann mit wachsendem Entsetzen nahm sie zur Kenntnis, dass sie sich in der psychiatrischen Abteilung der Klinik befand. Was hatte man nun mit ihr vor? Hatte man sie noch nicht genug gequält?

Ihr blieb kaum Zeit, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen, denn schon näherte sich ein Pfleger, groß, dunkelhaarig, nicht unsympathisch wirkend, der wohl darauf gewartet hatte, dass sie aus der Narkose erwacht. In gebrochenem Deutsch sagte er zu ihr: „Ich geben jetzt Spritze gegen Schmerzen.“ Irmgard hatte keine Schmerzen, sie wollte keine Spritze und ahnte instinktiv Schlimmes. Dann schwand auch schon ihr Bewusstsein.

Aus Akten und Zeugenaussagen lässt sich das weitere Geschehen wie folgt rekonstruieren:

Jeder, der zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht wird, muss bis zum Ablauf des auf die Einweisung folgenden Tages einem Richter vorgestellt werden, damit dieser darüber entscheiden kann, ob die zwangsweise Unterbringung rechtens und ggf. aufgrund des Gesundheitszustands des Betroffenen fortzusetzen oder nicht rechtens und zu beenden ist. Gegen den Willen des Betroffenen kann dieser nur bei akuter Selbst- und/oder Fremdgefährdung zwangsweise untergebracht werden; das Bayerische Unterbringungsgesetz ermöglicht eine zwangsweise Unterbringung auch, wenn im „erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet“ ist, was auch immer dies bedeutet. Eine Unterbringung kann ferner erforderlich sein, um eine Person, die nicht im psychiatrischen Sinne erkrankt ist, vor einer Gefahr für Leib oder Leben zu schützen, weil sie sich in einem Zustand befindet, der ihre freie Willensbildung ausschließt.

Maria indes gefährdete weder sich selbst noch andere; man konnte sie somit nur in der Psychiatrie eingesperrt halten, wenn man sie in diesen zuvor benannten, eine freie Willensbildung ausschließenden Zustand versetzte.

Deshalb wurde sie „abgeschossen“. Reinhard kannte diesen zynischen Begriff aus seiner früheren ärztlichen Tätigkeit in der Psychiatrie – so verfuhr man gegebenenfalls mit Patienten, die unruhig, aufsässig, störend waren. Sie erhielten eine entsprechend hohe Dosis eines Neuroleptikums, Benzodiazepins (z. B. Valium) oder eines ähnlichen Medikaments. Und Ruhe und Ordnung waren wieder hergestellt.

Solchermaßen sollte auch mit Maria verfahren werden. So dass der zuständige Richter eine nicht ansprechbare, (nur vorübergehend, was der Richter natürlich nicht wissen konnte) bewusstlose Person vorfinden und ihre weitere Unterbringung in der Psychiatrie verfügen sollte.

Ob Maria dann absichtlich (möglicherweise wollte Prof. Neunmalklug das, was bereits geschehen war, vertuschen) oder versehentlich eine viel zu hohe Dosis verabreicht wurde, wird sich wohl nie klären lassen. Jedenfalls hatte sie einen Herz- und Atemstillstand, war klinisch tot, musste reanimiert, intubiert und nach allen Regeln der Kunst von ehrenwerten Ärzten der Klinik, die nicht in das Komplott verstrickt waren, notfallmedizinisch versorgt werden.

Gottseidank überlebte sie den verbrecherischen Anschlag. Von dem der zuständige Richter natürlich nichts ahnte. Weshalb er – nachdem ihm Prof. Neunmalklug und dessen ärztlichen Schergen weitere Lügengeschichten über Maria aufgetischt hatten – verfügte, dass die bewusstlose, nach der Reanimation noch im Koma liegende Frau in psychiatrischer „Obhut“ verbleiben müsse.

Ein paar Wochen nach diesem Ereignis erstatteten Maria und Reinhard Strafanzeige und stellten Strafantrag gegen Prof. Neunmalklug.

Den werten Leser wird nicht erstaunen, dass das Ermittlungsverfahren gegen Neunmalklug und seine Helfershelfer von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Die zuständige Ärztekammer berief sich zunächst auf das laufende Ermittlungsverfahren und ließ nach dessen Einstellung nie mehr etwas von sich hören; bekanntlich hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. Stattdessen versuchte Neunmalklug Maria und auch Reinhard mit den abenteuerlichsten, frei erfundenen Diagnosen als im psychiatrischen Sinne Kranke zu denunzieren und zu stigmatisieren.

So verfährt man mit politisch und gesellschaftlich missliebigen Menschen – ob sie nun Gustl Mollath, Reinhard, Maria oder wie auch immer heißen –, welche die Interessen der Reichen und Mächtigen stören. Denn viele von letzteren glauben, über den Gesetzen zu stehen. Und haben genügend Geld, nicht nur ihre Helfer und Helfershelfer zu bezahlen, sondern auch, um die Medien derart in ihrem Sinne zu beeinflussen, dass der breiten Öffentlichkeit ihre Schweinereien weder bekannt noch und schon gar nicht bezüglich Tragweite und Auswirkungen bewusst werden.

„… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“

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