Читать книгу „So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher - Страница 28
CUI BONO? VON DEN WITTENBERGER UNRUHEN BIS ZUM BAUERNKRIEG. 1. DIE REICHSRITTER UND DIE REFORMATION
ОглавлениеMeine Liebe!
Luther war offensichtlich ein treuer Diener seiner Herren, so auch bei den sog. Wittenberger Unruhen von 1521/1522, anlässlich derer der (nach dem Wormser Reichstag 1521 vermeintlich Entführte und) für tot Geglaubte wie deus ex machina am ersten Fastensonntag 1522 in Wittenberg auftauchte und die Aufständischen (unter Führung von Andreas Karlstadt und Gabriel Zwilling) mit acht an acht aufeinanderfolgenden Tagen gehaltenen, den sog. Invokavit-Predigten („Invocabit me, et ego exaudiam eum“: Ps 91,15: „Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören“) wieder zur Ruhe brachte.
In der reformatorische Bewegung als „sozialer Umwälzung der Gesellschaft von unten“ spielten nicht nur die Bauern (sowie die Handwerker und die kleinen Gewerbetreibenden der Städte), sondern auch die Ritter, d.h. der niedere, zunehmend verarmende Adel eine bedeutende Rolle; bereits 1521 hatten mittelrheinische und mittelfränkische Ritter Luther Schutz und Geleit angeboten (ohne dass dieser das Angebot annahm, er wusste sich bei seinem Landesherrn in sichereren Händen), und im Herbst 1522 scharten sich große Teile der ober- und mittelrheinischen Ritterschaft unter Führung Franzens von Sickingen gegen den Kürfürsten von Trier zusammen. Sickingens Feldzug gegen den Trierer Erzbischof ist auch als Trierer Fehde, Pfälzischer Ritteraufstand oder Pfaffenkrieg bekannt und endete mit Sickingens Tod.
„Sickingen kämpft ... vor allem gegen den eigenen Abstieg. Sein Stand ist im Niedergang: Der Kaiser, einst oberster Schutzherr der Ritter, verliert Macht an die aufstrebenden Territorialfürsten. Gleichzeitig blühen die Städte auf. Für den niederen Adel bleibt immer weniger Spielraum.
Hinzu kommt, dass die moderne Kriegsführung mit Landsknecht-Heeren und Artillerie die Schwertträger zusehends überflüssig macht … Den Vorabend der Reformation, so schrieb der Historiker Leopold von Ranke 1839, kennzeichne der ´Sieg des Fürstentums über das Rittertum, des Geschützes über die Burgen, insofern der neuen Zeit über die alte´ …“
Luther hatte – wie bei all seinen politisch-strategischen Überlegungen – ein feines Gespür für die Machtverhältnisse im Land: Der Papst war weit weg, ein Stellvertreter Christi auf Erden nach dem anderen wurde vergiftet, auch die Macht des Kaisers schwand in Deutschland zunehmend, nicht zuletzt, weil er anderen, vermeintlich wichtigeren (Kriegs-)Schauplätzen als dem der so genannten Reformation seine Aufmerksamkeit schenkte; mit der Macht des Kaisers sank auch die der Ritter, die zunehmend zwischen dem Einfluss, den die aufblühende Geldwirtschaft den Städten sicherte, und den Machtinteressen der immer mehr erstarkenden Territorialherren (will meinen: der Deutschen Fürsten) aufgerieben wurden:
„Das Mittelalter war um 1500 vorbei. Nur die Ritter hatten das noch nicht begriffen. Sie waren Modernisierungsverlierer und versuchten weiter, dem Gewaltmonopol der Landesherren zu trotzen und missachteten deren Anspruch auf Steuer- und Gerichtshoheit. Der Wormser Reichstag hatte 1495 einen ´ewigen´ Landfrieden beschlossen und das Fehderecht abgeschafft. Weil Sickingen sich nicht daran hielt, wurde im Oktober 1522 die Reichsacht gegen ihn verhängt. Damit war er vogelfrei. Als er ein halbes Jahr später starb, war mit der Zerstörung der Burg Nanstein auch die Kraft des Rittertums gebrochen.“
Politisch klug stellte sich Luther auf die Seite seines Landesfürsten, Friedrichs des Weisen, des „Kaisermachers“. Und hatte offensichtlich „aufs richtige Pferd“ gesetzt, denn der Sachse hielt schützend seine Hand über Luther.
Zur gleichen Zeit wie Franz von Sickingen gegen Trier rüsteten fränkische Ritter gegen die (bischöflichen) Fürstentümer Würzburg und Bamberg; deren (kirchliche) Territorialherrschaft sollte mit Gewalt zerschlagen werden. Summa summarum war der Ritterkrieg der „großangelegte Versuch, mit der Säkularisation geistlicher Fürstentümer gewaltsam die Reichsreform zu beginnen“.
Die Reichsritter scheiterten, die fränkischen Ritter mussten sich den Heeren des Schwäbischen Bundes unter Führung Georgs von Truchseß, des berühmt-berüchtigten Bauern-Jörg geschlagen geben (der u.a. durch die Reichsstädte Augsburg, Nürnberg und Ulm finanzierte wurde und sich, namentlich in den Bauernkriegen, durch besondere Grausamkeit hervortat).
Wie kurze Zeit später die blutige Niederwerfung des Bauernaufstandes stärkte auch die Niederschlagung der Ritteraufstände die Reichsfürsten erheblich und drängte die Reichsritterschaft für den weiteren Verlauf der Reformation in die Defensive, mehr noch: mehr oder weniger in die Bedeutungslosigkeit: „So zeichnete sich hier erstmals die Richtung ab, in der die Bändigung und Kanalisierung der reformatorischen Bewegung vor sich gehen sollte“ – zunächst waren die Reichsritter, dann die Volksmassen (durch die Niederschlagung des Bauernaufstandes) zu befrieden.
Ideologisch-propagandistisch stand das gesellschaftliche Wagnis, durch das die Ritter gegen die real existierenden Machverhältnisse aufbegehrten, unter den Schlagworten: Freiheit, Gerechtigkeit und Gottes Wort (will meinen: Anwendung des Evangeliums auf Gesellschaftspraxis und Lebenswirklichkeit); es war Ulrich von Hutten, der diese Begriffe zum Motto machte.
Hutten hatte – bei aller Friedfertigkeit in seiner Art (auch wenn er bei einem Raufhandel einen Franzos erstach) – gleichwohl das Ziel, „den inaugurierten heiligen Krieg gegen das Pfaffentum zu einer allgemeinen Sache der evangelischen Kräfte im deutschen Rittertum, Fürstentum und Städtetum zu machen“. An Luther schrieb er, Hutten (1520): „Verfechten wir die gemeinsame Freiheit: Befreien wir das unterdrückte Vaterland!“