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Teil I

Kapitel 1

München – 21. Februar 2003

Sie banden die Hände des alten Mannes mit Kabelbindern hinter seinem Rücken fest, brachten eine Metallklammer an und zerrten ihn in den Park hinter dem Museum. Es ging alles sehr schnell.

Früher am Abend hatten sie die beiden Straßenlampen, die am nächsten standen, mit Leinenbeuteln verhängt. Es herrschte jetzt vollkommene Dunkelheit – abgesehen von einer mondbeschienenen Stahlskulptur mit dem Titel „Moderner Baum III“. Über einen „Ast“ dieses Baums, in mehr als sechs Metern Höhe, war ein Nylonseil geschlungen. Sie hakten die Metallklammer an das Seil und drehten an dem langen Griff der Kurbel des Flaschenzugs, der am Fuß der Skulptur verankert war. Die Hände des Mannes wurden hochgerissen, als er in die Luft gezogen wurde. Sein gesamtes Gewicht hing nun an seinen Armen. Als er oben war, lösten sie die Rücklaufsperre. Der Mann fiel sechs Meter in die Tiefe, doch kurz bevor er auf den Boden aufschlug, rissen die Männer den Kurbelgriff herum und stoppten das Seil. Es ertönten ein ohrenbetäubendes Kreischen und das Geräusch brechender Knochen. Sie lösten die Rücklaufsperre, und der Mann fiel ins Gras.

Ein junger Mann mit glattem, langem Haar hockte sich neben ihn. „Wo ist es?“

Ein dünner, klagender Ton war die einzige Antwort.

„Läsionen am Plexus des Oberarms. Verletzungen der Nerven, Bänder und Sehnen. Es wird nicht besser, alter Mann.“

Er öffnete eine kleine Ledertasche und holte etwas hervor. „Siehst du das?“ Er hielt dem Mann eine Spritze vor das Gesicht. Die Nadel schimmerte im Mondlicht. „Das ist die Erlösung. Ein sanfter Tod. Sag uns, wo es ist und wie wir drankommen.“

Der Mann auf dem Boden schloss die Augen.

Noch drei Mal zogen sie ihn hoch und ließen ihn wieder fallen. Sie wechselten sich an der Kurbel ab, weil das Hochziehen schwer war, selbst mit dem langen Hebel. Beim fünften Mal übertraf der Schmerzensschrei schließlich alle vorangegangenen.

„Jetzt hat es die Achsel zerrissen“, sagte der junge Mann und ließ seinen Blick über die nutzlos herabhängenden Gliedmaßen und die nackte Angst im Gesicht des Mannes wandern. „Das hab’ ich gemeint, als ich gesagt habe, dass es nicht besser wird. Sagst du’s mir jetzt?“

Die Augenlider des alten Mannes flatterten, und seine Lippen bewegten sich lautlos.

Der Jüngere ging zu seinem Kollegen am Flaschenzug, um sich mit ihm zu beraten. Dann kehrte er zu der reglosen Gestalt im Gras zurück.

„Nachdem es mit dem physiologischen Ansatz nicht geklappt hat, probieren wir jetzt den psychologischen“, sagte er und nahm die Spritze in die Hand. Die Nadel zeigte gen Himmel. Er drückte leicht den Kolben, und eine winzige braune Blase formte sich auf der Spitze. „Ich beziehe mich auf die seelischen Qualen, die aus dem Wissen heraus entstehen, dass wir uns deinen Enkel vornehmen, wenn wir mit dir fertig sind.“

Der Alte blinzelte, dann schloss er die Augen.

„Gabriel. Der Engel Gabriel“, sagte der junge Mann, fuhr mit zwei Fingern über den Hals des Alten, wischte Dreck und Schweiß weg, um die Arterie freizulegen. „Die letzte Chance, ihn zu retten.“

Er wartete, dann warf er seinem Kollegen einen Blick zu, der kurz nickte.

„Eine Schande, dass Gabriel so viel früher zu den Engeln gehen wird als die siebenundsiebzig Lenze, die du genossen hast, alter Mann.“

Er führte die Nadel ein.

„Verdammtes Vermächtnis“, sagte er.

Dann drückte er auf den Kolben.

Das Vermächtnis. The Legacy

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