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Hills Fallgeschichten: Eine Besichtigungstour

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Ich öffnete auf ein unerwartetes Klopfen hin die Tür zu meinem Behandlungsraum. Eine Frau Mitte oder Ende 30 stand vor mir und fragte, ob sie mich sofort konsultieren könne. Das ist zwar ein ziemlich ungewöhnlicher Einstieg, aber ich hatte tatsächlich gerade etwas Zeit und bat sie deshalb einzutreten. Sie sprach schnell und starrte mich ziemlich unumwunden an, was mir etwas auf die Nerven ging; allerdings kam mir ihr Blick nicht psychotisch vor, sondern nur ungewöhnlich intensiv. Mit der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs erläuterte sie mir ihre Bedingungen für die bevorstehende Therapiesitzung.

Auf Ihrem Praxisschild steht, dass Sie Beratung und Gehirntraining anbieten. Ich weiß nicht, was Gehirntraining ist. (Sie wartete nicht ab, ob ich es ihr erklären würde.) Ich komme von einem anderen Psychiater direkt zu Ihnen. Ich habe schon viele Therapeuten kennengelernt und praktisch jede Therapieform ausprobiert … und ich habe alles gelesen. Glauben Sie, dass Sie etwas anders machen können als Ihre Kollegen? Ich gebe Ihnen dafür 60 Minuten Zeit.

Die ganze Situation war eine recht ungewöhnliche Herausforderung für mich. Wir fingen also mit der Arbeit an. Die Frau setzte sich, und ich spulte meine Routine für Erstgespräche ab. Die Klientin war nicht besonders begeistert darüber, dass sie ihre Geschichte ein weiteres Mal einem Therapeuten erzählen sollte.

Dann schaute sie auf ihre Uhr und sagte:

Sie haben noch 45 Minuten.

Nur kein Druck! Im Sinne der Tradition Milton H. Ericksons hielt ich bei der Klientin Ausschau nach ein paar Anhaltspunkten für mein weiteres Vorgehen (Erickson 2008, S. xii). Sie hatte sich eigentlich klar ausgedrückt: Komm mir gar nicht erst mit einem der Standardbehandlungsverfahren! Es war fast, als hätte sie gesagt: »Behandle mich überhaupt nicht!« Das war ein ziemlich außergewöhnliches Erlebnis, und um ehrlich zu sein: Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Deshalb beobachtete ich sie. Sie benutzte Ihre Hände sehr ausdrucksvoll, indem sie sie in meine Richtung bewegte, um beim Sprechen bestimmte Dinge zu betonen. Plötzlich fühlte ich mich in einen meiner Workshops mit Ernest Rossi versetzt. Was ich sah, ähnelte dem, was bei der Mirroring-Hands-Arbeit geschieht. Ich war mir ziemlich sicher, dass noch kein Therapeut diese Technik bei der Arbeit mit ihr genutzt hatte.

Mir fällt auf, dass Sie Ihre Hände sehr ausdrucksvoll bewegen. Haben Sie sich schon einmal genauer angeschaut, was mit Ihren Händen vor sich geht? … Ist Ihnen schon aufgefallen, was wirklich interessant an den Händen ist?

Sie reagierte erstaunlich kooperativ, schaute sich etwa 30 Sekunden lang ihre Hände an und wendete ihren Blick dann wieder mir zu.

Was tun Sie da?

Sie hatte mir im Grunde erklärt, sie halte nicht viel davon, was Therapeuten dächten. Außerdem war sie es leid, dass ihre Therapeuten ihr immer wieder neue Therapien angedient hatten. Ich täuschte Verwirrung vor und antwortete:

Ich weiß es nicht. Aber Sie haben gesagt, Sie hätten alles getan. Also noch einmal … Haben Sie so etwas schon jemals getan?

Die Frau starrte mich einen Moment lang konzentriert an, schaute dann auf ihre Uhr und sagte schließlich betont sachlich:

Sie haben noch 35 Minuten.

Ich fing mit der Mirroring-Hands-Arbeit an. Wie das im Einzelnen vor sich geht, wird später in diesem Buch erklärt. An dieser Stelle möchte ich nur erwähnen, dass mir die Frau irgendwann im Laufe dieser Arbeit ein wenig überrascht mitteilte, sie habe das Gefühl, ihre Hände repräsentierten zwei Aspekte ihrer Persona. Die eine Hand stehe für einen Teil, den sie verberge, wohingegen die andere Hand darstelle, wie sie sich öffentlich zeige. Ich wiederum hatte das Gefühl, dabei zuzuschauen, wie diese Frau Türen zu Räumen öffnete, in die sie lange nicht hineingeschaut hatte. Manchmal teilte sie mir mit, was in ihr vor sich ging, in anderen Fällen erforschte sie ihre inneren Räume nur privat. Während der nächsten 30 Minuten geschahen viele Dinge, die für diese Darstellung nicht wichtig sind, doch schließlich kamen ihre beiden Hände zusammen und zur Ruhe, wobei die Hand, die ihr »öffentliches Selbst« repräsentierte, von der Hand, die für ihr »privates Selbst« stand, völlig bedeckt wurde.

Die Klientin blieb kurze Zeit still und schaute dann empor. Der bohrende Blick ihrer Augen war einem weicheren Schauen gewichen. Auch sprach sie nun langsamer, und ihre Stimme wirkte kontemplativer. Offensichtlich wusste sie jetzt etwas, das ihr 30 Minuten vorher noch nicht klar gewesen war. Im Laufe der nächsten 15 Minuten – ja, sie blieb länger, als sie mit ihrer Deadline von 60 Minuten prognostiziert hatte – berichtete sie mir, sie habe das »öffentliche Selbst« als ihren Beschützer geschaffen, der ihr geholfen habe, mit frühen familiären Problemen fertigzuwerden. Ihr war nun klar, warum sie sich so frustriert gefühlt und sich vorangegangenen Therapieversuchen verweigert hatte. Alle meine Vorgänger hatten ihr öffentliches Selbst zu »reparieren« versucht, das aber ja ihr Beschützer war. Wäre es jemandem gelungen, ihr den Beschützer wegzunehmen, wäre das für ihr privates Selbst eine Katastrophe gewesen.

Nachdem sie ihren Therapeuten viele Jahre lang nur erlaubt hatte, ihr Beschützer-Selbst zu sehen, waren ihre Hände an diesem heutigen Tag zu Spiegeln ihres tieferen, verborgenen Selbst geworden. Während dieses Mirroring-Hands-Erlebnisses hatte sie Räume erforschen können, die ihr normalerweise verschlossen gewesen waren oder die sie gemieden hatte. Sie hatte sich um ihr verletzliches privates Selbst kümmern können und hatte ihrem »Schutzengel-Selbst« so eine wohlverdiente Ruhepause ermöglicht. Erstaunlicherweise hatte sie den größten Teil dieser Arbeit ohne jedes Eingreifen meinerseits und ohne jede Anweisung von mir erledigt. So hatte sie gefunden, wonach sie gesucht hatte: eine Möglichkeit, ihre Heilung selbst einzuleiten. Wahrscheinlich würde sie bestätigen, dass diese 60 Minuten ihr Leben völlig verändert haben. Gleichzeitig haben sie auch mir einen sehr wichtigen Anstoß gegeben.

Mirroring Hands

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