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Ich hatte eine Annonce aufgesetzt: Verpachte zwei Erdstellen in bester Lage mit Blick auf Kapelle gegen Nutzung eines teilbaren Zeit-Raums, Nähe Hochbahn Bedingung. Einundzwanzig Zuschriften waren eingegangen. Ich entschied mich, mit einem über achtzig Jahre altem Ehepaar Kontakt aufzunehmen. Die beiden Alten wollten auf Probe ein Jahr im Altersheim verbringen.

Es waren selbständige Geschäftsleute, die nie eine Lebensversicherung abgeschlossen hatten. Und genau das gefiel mir. Wußte ich doch als meine eigene Hinterbliebene, was solch eine Versicherung wert war, weil Leben nicht gesichert werden kann. Die Nutzungsdauer von zehn Jahren reichte dem Ehepaar, da sie ohnehin keine Kinder hatten, die sich um das Grab kümmern würden.

Früher sagte mir die Frau, sei sie nie darauf gekommen, daß ihr der Ort, an dem sie begraben werden würde, wichtig sein könnte. Aber jetzt beruhige sie die Vorstellung, ein Grab zu haben. Wahrscheinlich hinge das mit dem Alter zusammen. Das Sterben sei schon ein merkwürdig Ding. Ich konnte ihr nur zustimmen.

Die Konditionen für die Untervermietung waren gut. Ich hatte in die Bedingung eingewilligt, in einem Jahr aus der Wohnung wieder auszuziehen, falls sie und ihr Mann sich nicht einleben würden im Altersheim. Die Frau ließ sogar über die Höhe der Nebenkosten mit sich reden.

Das Ehepaar hatte die Wohnung als Eigentum vor Jahrzehnten erworben. Hier hatten sie gelebt. Hier war ihr gemeinsamer Ort, an den sie zurückkehren konnten nach ihrem Tagwerk. Die Vorstellung, daß sie, wenn sie jetzt sterben würden, wieder einen gemeinsamen Ort hätten, an dem sie Ruhe fänden, täte ihr gut.

Wir vereinbarten einen Termin zur Besichtigung der Grabstätte.

Ich hätte nicht übertrieben, sagte die alte Dame, als wir ankamen. Die Grabstelle wäre wirklich etwas Besonderes. Der Friedhof gepflegt. Seine Lage verkehrsgünstig, für den, der übrigbliebe, um nach dem anderen zu sehen. Ihrem Mann würde dieser Ort auch gefallen.

Wir fuhren daher zu ihrer Wohnung. Sie lag nicht im vierten Stock, sondern im dritten. Ein Raum, durch eine Schiebetür teilbar. Vor dem Fenster die Hochbahn. Die Schienen in Höhe der Fenster nur wenige Meter entfernt. Ich riß das Doppelfenster auf und sah hinaus. Wenn ich mich nur genügend hinauslehnte, konnte ich die Tunneleinfahrt sehen, die auch Ausfahrt war...

Ich war begeistert. Mit einem Blick aus dem Fenster konnte ich also Ausgang und Eingang vom Tunnel sehen. Ich sagte zu.

Es finde sich ja gar nicht so oft einer, der direkt an der Hochbahn wohnen möchte, sagte die Frau. Sie hätten damals beim Kauf gerade wegen der Hochbahn von der Verkehrsgesellschaft einen günstigen Kaufvertrag bekommen. Ich könne ihr glauben, man gewöhne sich an die Hochbahn und an ihren Lärm in wenigen Monaten. Am Tage fahre die Bahn im Drei- Minuten-Takt. Zwischen ein und fünf Uhr nachts fahre sie gar nicht. Da sei es wirklich ruhig hier. Nur aufpassen müsse ich in dieser Zeit, daß das Haus immer abgeschlossen sei, wegen der vielen Stadtstreicher. Sie werden nach Betriebsschluß aus dem Tunnel gejagt. Da sei schon viel passiert.

Während ich auf die Hochbahn sah, holte ich aus der Manteltasche den Untermietsvertrag für die Grabstelle. In einem Anwaltsbüro hatte ich ihn aufsetzen lassen. In ihm waren sowohl der Preis für eine illegale Überführung von Personen im Sterbefall festgelegt, als auch die Lagergebühren in einem Doppelgrab für maximal zehn Jahre. Die Frau unterschrieb.

Ich mußte im Gegenzug unterschreiben, daß ich die Wohnung als Unterwohnung für ein Jahr nichtmöbliert miete und die Miete monatlich bar an meine Vermieter zahlte. Ich unterschrieb auch, daß ich für alle Schäden in der Wohnung selbst aufzukommen hätte und baulich keine Veränderungen vornehmen dürfte.

Ich unterschrieb zum ersten Mal mit Agnes. Die Frau gab mir die Wohnungsschlüssel und verabschiedete sich.

Die gefundene Frau

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