Читать книгу Die gefundene Frau - Rita Kuczynski - Страница 9

6

Оглавление

Moses Grossman packte mit viel Sorgfalt seine Orgel in einen grünen Seesack. Nachdem er ihn zugeschnürt hatte, wandte er sich zu mir.

Komm. Der Weg ist lang.

Schweigend fuhren wir mit der letzten U-Bahn in Richtung Wohnheim. Der Bahnhof, an dem wir ausstiegen, war menschenleer. Wir hatten den U-Bahntunnel kaum verlassen, da wurde hinter uns sein Zugang aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geschlossen. Bis fünf Uhr morgens war die Untergrundbahn nicht nur für Obdachlose gesperrt.

Den Nachtbus zum Wohnheim hatten wir um drei Minuten verpaßt. Der nächste fuhr erst in einer knappen Stunde. Also liefen wir auf der endlose geraden Ausfahrtsstraße, an der nun meine Bleibe lag.

Kurz vor dem Heim blieb Moses stehen und zeigte auf die Strecke, die wir gemeinsam zurückgelegt hatten.

Die Straße ist auch ein Weg. Du wirst sehen. Selbst wenn wir den Weg nicht bis an sein Ende gemeinsam gehen. Aus all der Leere, die wir hörten, kann nach diesem Ende auch Stille neu entstehen. Hörst du?

Ich hörte nichts. Nur das Geräusch eines uns entgegenkommenden Autos, dessen Scheinwerferlicht noch nicht zu sehen war.

Die Wüste ist in uns, meinte Moses. Wir durchqueren sie täglich, wenn wir uns durchqueren. Wir wollen es nur nicht wahrhaben. Also tun wir so, als wüßten wir noch wohin, lange nachdem wir uns verloren haben. Tun so, als seien nicht wir die, die da herumirren. Tun, als seien wir andere.

Er schloß die Haustür zum Wohnheim auf und brachte mich bis an die Flügeltür zu den Schlafräumen für Frauen im Parterre.

Die zweite Nacht im Wohnheim ist länger als die erste. Aber was du vor Sonnenaufgang träumst, soll in Erfüllung gehen. Es ist spät.

Noch wußte ich auf solche Sätze nicht zu antworten. Wortlos verabschiedete ich mich und ging den leeren Gang bis an sein Ende, wo mein Zimmer lag. Erschöpft ließ ich mich auf mein Futon fallen und schlief traumlos bis in den späten Vormittag.

Die gefundene Frau

Подняться наверх