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b) Verengung der Verständnismöglichkeiten

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Bedeutungsreduzierend wirkt die systematische Auslegung, wenn sich aus dem Zusammenhang mit einer anderen Regelung ergibt, dass ein Sachverhalt, der nach dem Sprachgebrauch noch unter den Anwendungsbereich der auszulegenden Norm fallen könnte, von dieser nicht erfasst sein soll, etwa um nicht die Voraussetzungen der spezielleren, d.h. hinsichtlich des fraglichen Sachverhalts „inhaltsreicheren“ in Bezug genommenen Regelung zu unterlaufen. Würde man etwa die gewaltsame Sicherung der durch einen Sachbetrug erlangten Beute – jedenfalls für die Rechtsprechung konstruktiv vorstellbar, da diese bei der Erpressung keine Verfügung verlangt[39] – als räuberische Erpressung bewerten, so würden dadurch die speziellen Anforderungen unterlaufen, die § 252 StGB für eine Bestrafung wegen einer gewaltsamen Beutesicherung aufstellt (Diebstahl als Vortat; Betroffensein auf frischer Tat) und die wohl auch zeigen, dass die raubgleiche Bestrafung für qualifizierte Nötigungen nach Vollendung eines Vermögensdeliktes Ausnahmecharakter haben soll.[40] Die Rechtsprechung[41] erreicht dieses Ergebnis durch die Annahme, dass durch die qualifizierte Nötigung kein neuer Schaden mehr hervorgerufen werde – im denkbaren Streit darüber, wann einer Beutesicherung/Schadensvertiefung gleichwohl Schadenscharakter zukommen kann, ist aber das Argument mit der Systematik der §§ 252–255 StGB gleichwohl nicht zu unterschätzen.

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Zum anderen kann eine Reduzierung der Bedeutungsmöglichkeiten durch eine spezielle (und hinsichtlich der spezifischen Auslegungsfrage einhellige) Verwendungsweise des entsprechenden Begriffs an anderer Stelle des Gesetzes erfolgen; allerdings muss dazu geklärt werden, ob der Begriff überhaupt im gleichen Sinne verwendet werden soll, was zugleich die Grenzen der systematischen Auslegung illustriert: So hatte der BGH zu entscheiden, ob der Begriff des „Eindringens“ in den Körper beim sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. (entspricht heute, § 176a Abs. 2 Nr. 1) voraussetzt, dass ein entgegenstehender Wille des Opfers überwunden wird.[42] Nach allgemeinem Sprachgebrauch wäre es zumindest möglich, ein „Eindringen in den Körper“ bei der Beschreibung sexueller Handlungen immer dann anzunehmen, wenn etwas irgendwie in den Körper des Sexualpartners gelangt. Allerdings könnte für ein engeres, auf die Überwindung eines entgegenstehenden Willens abstellendes Verständnis sprechen, dass das Gesetz den Begriff des „Eindringens“ beim Hausfriedensbruch nach § 123 StGB nach seit jeher einhelliger Ansicht in der Weise verwendet, dass der Täter gegen oder zumindest ohne den Willen des Opfers in die geschützte Räumlichkeit gelangen muss; diese Lesart des Wortes „eindringen“ könnte daher auch der erst später geschaffenen Vorschrift des § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. zu Grunde zu legen sein. Der BGH allerdings geht davon aus, dass trotz der Verwendung des gleichen Begriffs insoweit eine andere Bedeutung gelten soll,[43] d.h. die Bedeutungsreduzierung durch den Kontext der Verwendung an anderer Stelle scheitert daran, dass dem Begriff dort eine andere Bedeutung zugemessen wird: Der Senat selbst leitet dieses unterschiedliche Verständnis bei den Sexualdelikten aus einem Vergleich mit den Straftatbeständen des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger (die keinen entgegenstehenden Willen bilden können) ab; in der Literatur wird außerdem darauf abgestellt, dass beim Hausfriedensbruch ohne Weiteres Möglichkeiten einer wertungsärmeren Formulierung (z.B. „betreten“) bestanden hätten, die es bei Sexualdelikten nicht ohne Weiteres gebe.[44]

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