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I. Die Auslegungsbedürftigkeit – auch im Strafrecht

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Ebenso wie in allen anderen Rechtsgebieten ist auch im Strafrecht bei der Anwendung seiner Rechtsquellen – d.h. namentlich des StGB, aber auch der zahlreichen Gesetze mit flankierenden Strafvorschriften („Nebenstrafrecht“) und auch der Normen, welche für die Strafbarkeit in Bezug genommen werden[1] – eine Auslegung erforderlich. Das besondere, durch Art. 103 Abs. 2 GG auch verfassungsrechtlich widergespiegelte Interesse an Bestimmtheit und möglichst weitreichender Determination der Rechtsanwendung durch den Gesetzgeber[2] ändert daran nur bedingt etwas. Gewiss ist die besondere strukturelle Situation des strafenden Staates mit seiner erheblichen Eingriffsintensität zu berücksichtigen, da die verfassungsrechtliche Stellung des von der staatlichen Strafverfolgung betroffenen Bürgers sich auch methodisch widerspiegeln muss.[3] Dennoch zeigt die Geschichte, dass Versuche, die Anwendung des Rechts von vornherein – insbesondere durch Auslegungsverbote – festzulegen, gescheitert, ja eigentlich zum Scheitern verurteilt gewesen sind.[4] Die Bedeutungsgrenzen von Wörtern als solchen sind nicht nur unscharf, sondern können prinzipiell überhaupt nicht angegeben werden, da selbst umfassende Wörterbücher nur Verwendungsbeispiele aufzählen, nicht aber nach Art eines „Sprachgesetzbuches“ korrekte und inkorrekte Verwendungen dauerhaft und verbindlich festschreiben.[5] Jede Anwendung einer Regel pfropft diese auf einen neuen Kontext auf und verschiebt sie damit wenigstens minimal. Ein Verbot der Auslegung könnte also nur erfolgreich sein als Verbot der Anwendung eines Gesetzes.

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Dennoch ist der Konkretisierungsbeitrag des Strafrichters reduziert, denn die dem Richter sonst bei der Rechtsarbeit üblichen Konkretisierungstechniken stehen ihm nicht in vollem Umfang und in derselben Freiheit zur Verfügung.[6] So ist ihm die analoge Anwendung von strafbarkeitsbegründenden bzw. strafbarkeitsschärfenden Normen durch Art. 103 Abs. 2 GG untersagt,[7] und man wird auch (noch) stärker als sonst unter den Auslegungsargumenten einen Vorrang normtextnaher Argumente und damit insbesondere der Verwendung im allgemeinen (Alltags-)Sprachgebrauch besondere Bedeutung zuzumessen haben.[8]

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