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c) Erweiterung der Verständnismöglichkeiten

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Vielmehr wird das grammatische Argument im Regelfall zu einer Erweiterung der Verständnismöglichkeiten bzw. zum Nachweis (oder zumindest der Behauptung) herangezogen werden, dass die Verständnismöglichkeit keineswegs auf eine die Subsumtion ausschließende Lesart festgelegt ist. Eine Kontextualisierung, die auf das offene Medium der Sprache abstellt, eröffnet zumeist einen mehr oder weniger weiten Plausibilitätsspielraum. Dieser wird in konkreten Auslegungsvorgängen oft mit Sätzen wie „Die grammatischen Auslegung ist demnach offen.“ oder „Nach einer grammatischen Auslegung sind also beide Ansichten gleichermaßen vertretbar.“ zum Ausdruck gebracht. Eine Verengung der Bedeutungsvarianten bleibt in wirklich problematischen Fällen zumeist anderen Kontexten vorbehalten, und nicht ohne Grund zeigen empirische Studien, dass auch für die Rechtsprechung die grammatische Auslegung meist nur den „Einstieg in die Kontextualisierung“ bildet und das grammatische Argument regelmäßig nicht allein steht, sondern mit anderen Auslegungsargumenten kombiniert wird.[26] Exemplarisch: Wenn im Streit um das Erfordernis eines „Absatzerfolges“ bei der Handlungsvariante des „Absetzens“ bzw. „Absetzen-Helfens“ in § 259 Abs. 1 StGB teilweise behauptet wird, schon die Formulierung „wer (. . .) absetzt (. . .)“ zeige, dass eine Vollendung nur bei Eintritt eines Absatzerfolges vorliegen kann, kann demgegenüber eingewandt werden, dass „absetzen“ ohne Weiteres auch ein Verhalten als solches i.S. eines „auf Absatz gerichteten Tätigwerdens“ beschreiben kann. Zwar verwendet der Gesetzgeber zugegebenermaßen Verben auch sonst nicht selten in dem Sinne, dass ein bestimmter Zustand hergestellt wird (so etwa das „töten“ in § 212 StGB) – indes überschreitet dieses Argument bereits die Grenzen einer rein grammatischen Auslegung, und in der Begründung seines Rechtsprechungswandels zum Merkmal „Absetzen“[27] schließt der BGH seinen Wortlauterwägungen systematische, teleologische und historisch-genetische Argumente nach.

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