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c) Erweiterung der Verständnismöglichkeiten

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Eine zusätzliche Erweiterung der Bedeutung auf Grund der Systematik (oder auch eines anderen Kontextes) kommt zwar regelmäßig nicht gegenüber der weiten grammatischen Auslegung in Betracht, wohl aber gegenüber einer bereits durch andere Kontexte (scheinbar) reduzierten Lesart. Die Systematik kann dann zeigen, dass doch ein weiteres Verständnis überzeugender ist, obwohl auf den ersten Blick andere Gesichtspunkte für eine Einengung zu sprechen schienen. Dies ist dann der Fall, wenn der Vergleich mit einer anderen Vorschrift ein Argument dafür liefert, dass ein bestimmter, durch ein engeres Verständnis ausgeschlossener Sachverhalt, offenbar doch vom Gesetz erfasst sein soll.

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Exemplarisch lässt sich dies anhand der vor dem 6. StrRG heftig umstrittenen, danach weitgehend einheitlich beantworteten Scheinwaffenproblematik zeigen: Der Wortlaut des 1998 neu gefassten § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB, wonach ein qualifizierter Fall des Raubes vorliegt, „wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder überwinden“ lässt zwar durchaus die Lesart zu, dass dieses Mittel nicht objektiv gefährlich sein muss, sondern auch eine objektiv ungefährliche Scheinwaffe zur Bedrohung genügen kann. Es ließe sich aber mit Blick auf den hohen Strafrahmen[45] sowie auf die Tatsache, dass das Element der Drohung bereits im Grundtatbestand des einfachen Raubes nach § 249 StGB berücksichtigt ist, ein Zweck der Vorschrift postulieren, nach dem nur objektiv gefährliche Gegenstände den Tatbestand der Qualifikation erfüllen. Ein Blick in die innertatbestandliche Systematik zeigt jedoch, dass bereits § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB alle „Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeuge“ erfasst. Soll diesen „anderen gefährlichen Werkzeugen“ neben den „Waffen“ eine eigenständige Bedeutung zukommen, muss Nr. 1a alle objektiv gefährlichen Gegenstände erfassen. Dann aber müssen mit „sonstigen Werkzeugen“ gerade (wenn nicht sogar nur!) objektiv ungefährliche Gegenstände gemeint sein.[46]

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Das Beispiel zeigt im Übrigen auch anschaulich, dass ein auszulegender Begriff auch in unterschiedliche systematische Kontexte gestellt werden kann – mit durchaus gegenläufigen Ergebnissen. In einer solchen „Patt-Situation“ wird dann das systematische Argument allein kaum den Ausschlag geben, aber zumindest den „gegnerischen“ Hinweis auf die Systematik entkräften können. Die Entscheidung über den Bedeutungskonflikt kann dann umso leichter mit anderen Argumenten begründet werden (so in der Scheinwaffenproblematik mit dem historisch-genetischen Hinweis auf die Gesetzesbegründung[47]).

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