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I. Achtung der Menschenwürde

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Der Höchstwert der Verfassung, die Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer „Magna Charta“ grundlegender Bindungen der staatlichen Strafgewalt geworden.[65] Im gesamten Bereich des materiellen und prozessualen Strafrechts verlangt die Achtung der Menschenwürde, dass der Beschuldigte oder Täter keinesfalls zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung oder Strafvollstreckung werden darf.[66] Daher haben zahlreiche und tragende verfassungsrechtliche wie einfachgesetzliche Einzelgewährleistungen ihre tiefere Wurzel in der Menschenwürdegarantie, so insbesondere der Schuldgrundsatz (nulla poena sine culpa),[67] das Folter- und Missbrauchsverbot (Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG, § 136a StPO), das Verbot der Todesstrafe (Art. 102 GG), das Verbot grausamer oder grob unangemessener Bestrafung,[68] das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und das Gebot einer menschenwürdigen Ausgestaltung des Freiheitsentzugs, die eine Verpflichtung zur Resozialisierung einschließt.[69] Bei lebenslanger Freiheitsstrafe verlangt die Menschenwürdegarantie die konkrete und grundsätzlich realisierbare Chance des Verurteilten auf Wiedererlangung der persönlichen Freiheit.[70] Auch das Schweigerecht des Beschuldigten wird als Ausdruck der Achtung vor der Menschenwürde angesehen.[71] Die Unantastbarkeit des „Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ bei modernen Ermittlungsmaßnahmen wie der Überwachung der Telekommunikation und des Wohnraums hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls mehrfach unterstrichen.[72] Sogar in Fällen mit extraterritorialem Bezug zieht der Menschenwürdevorbehalt des Grundgesetzes der Vollstreckung einer im Ausstellungsstaat erfolgten Verurteilung in absentia im Vollstreckungsstaat Grenzen.[73]

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