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VII. Rechtsschutzgarantie

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Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen steht, stellt eine „Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung“[205] und eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dar.[206] Zur öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Bestimmung gehören aber nicht Akte der Rechtsprechung.[207] Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nur Schutz durch, nicht gegen den Richter.[208] Dies bedeutet, dass Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug garantiert.[209] Dementsprechend wurden über lange Zeit die Bestimmungen der Strafprozessordnung über die Anfechtbarkeit gerichtlicher Durchsuchungsanordnungen für mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar erachtet. Dies galt insbesondere für diejenigen Fälle, wo die Durchsuchung bereits abgeschlossen war (sog. prozessuale Überholung).[210] Mittlerweile fordert das Bundesverfassungsgericht allerdings, dass auch richterlich angeordnete Ermittlungseingriffe, die sich typischerweise erledigen, bevor präventiver Rechtsschutz erlangt werden kann, einer eigenständigen nachträglichen gerichtlichen Kontrolle unterliegen.[211] Dies gilt vor allem deshalb, weil das Strafverfahren auf ein anderes Rechtsschutzziel gerichtet ist als die Überprüfung individueller Ermittlungsmaßnahmen aufgrund des Richtervorbehalts.

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Darüber hinaus ist Art. 19 Abs. 4 GG im Kontext mit Art. 104 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zu sehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse an der Fortführung oder Einlegung eines Rechtsmittels auch in Fällen fort, in denen sich das Rechtsschutzziel durch zwischenzeitliche Beendigung der angegriffenen Hoheitsmaßnahme erledigt hat, wenn es um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff geht.[212] Ein Freiheitsverlust durch Inhaftierung indiziert deshalb ein Rehabilitationsinteresse des Betroffenen, das ein von Art. 19 Abs. 4 GG umfasstes Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch dann begründet, wenn die Maßnahme erledigt ist. Diese Garantie kann weder vom konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon abhängen, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor Beendigung der Haft erlangt werden kann.[213] Außerdem hat Art. 19 Abs. 4 GG erhebliche Bedeutung für den Strafvollzug, denn diese Grundgesetzbestimmung verlangt Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne staatliche Eingriffe nicht ohne fachgerichtliche Prüfung zu tragen hat.[214]

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Des Weiteren garantiert Art. 19 Abs. 4 GG die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle.[215] Allerdings hält das Bundesverfassungsgericht es grundsätzlich für nicht geboten, die Einleitung und Führung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens vor Abschluss der Ermittlungen gerichtlicher Kontrolle zu unterwerfen. Die Rechtsschutzgarantie verlange nur Rechtsschutz zur „rechten Zeit“, weshalb ein Zuwarten dem Beschuldigten bis zur Entschließung der Staatsanwaltschaft nach § 170 StPO in der Regel zuzumuten sei.[216] Ausnahmen dürften allerdings bestehen, wenn der Beschuldigte durch das gegen ihn geführte Erkenntnisverfahren als solches bereits eine grundrechtliche Einbuße (etwa an gesellschaftlichem Ansehen) erfährt, die im weiteren Verfahren, selbst wenn es zu einer Einstellung oder einem Freispruch kommt, nicht mehr folgenlos ausgeräumt werden kann.

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