Читать книгу Die Geburt eines finsteren Universums - Robert Mirco Tollkien - Страница 8
Kapitel 5
ОглавлениеEine Woche später holte mich Andreas an einem Samstagabend um 22:00 Uhr zum Dienstschluss einer Spätschicht an der Tankstelle ab.
Wir verlebten einen herrlichen Abend im Wohnzimmer der WG bei Musik der Doors, Pink Floyds und der Rolling Stones, wobei es Pils aus der Flasche gab und hier und da eine ordentliche Grastüte die Runde machte.
Andreas trug die ganze Zeit einen freudigen Ausdruck auf dem Gesicht, den ich damit in Verbindung brachte, es hier mit einem Menschen zu tun zu haben, der nur äußerst selten in den Genuss einer geselligen Runde kam.
Er erzählte uns, dass er aus einer norddeutschen Unternehmerfamilie stamme, die unter anderem in Klimatechnologie und Zulieferer des Volkswagen Konzerns investiere. Sein älterer Bruder sei mit Freuden bei dem großen, kapitalistischen Spielchen dabei und werde dem Firmengeflecht, das seinen Ursprung einst im Reederei-Geschäft gehabt habe, sicherlich eines Tages vorstehen. Für ihn persönlich käme das allerdings überhaupt nicht in Frage, da er durch und durch Wissenschaftler sei und ein Wissenschaftler tue eben forschen und nichts anderes wolle er tun. Im Großen und Ganzen besäße er nicht das tollste Verhältnis zu Bruder und Eltern, die eine Weile angenommen hätten, dass ihr jüngerer Sohn Autist sei, weil Andreas bereits als Kind schon endlose, einsame Stunden und Tage vor seinem Atari–Computer oder über wissenschaftlichen Büchern verbracht hätte.
Das Physikstudium habe er in nur drei Jahren erfolgreich mit einem Einser-Diplom absolviert und im Alter von achtundzwanzig Jahren sei er zum Doktor der Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Kernphysik promoviert worden. Abschließende Bewertung: summa cum laude. Das Informatikstudium mache er mehr für sich selbst, könne sich aber auch hier eine Dissertation vorstellen.
Es war ein wahrlich netter Abend, beziehungsweise eine sehr nette Nacht, zu deren Ende hin wir alle leicht oder weniger leicht einen in der Krone hatten.
Andreas wurde nicht müde, zu beteuern, wie gut ihm die Zeit in der WG gefallen und dass er eine solch nette Runde längere Zeit nicht erlebt habe.
Er lud Michael und mich zu einem Revanche-Abend bei sich daheim ein.
Ich wurde ein wenig traurig und mitleidig, weil mir an Hand seiner eben getroffenen Aussagen und auch wegen der Erzählungen über seine Familie klar geworden war, dass es sich bei unserem Akademiker um einen sehr einsamen Menschen handelte; einen Außenseiter, den nur so durchgeknallte Personen wie Michael und ich akzeptierten, obgleich er gewaltige Intelligenz besaß und Mitten im Leben stand.
Zwei Monate später erfolgte der Besuch bei ihm daheim.
Andreas lebte in einem schönen, sanierten Altbau im Stadtteil Gadderbaum.
Seine Wohnung, Eigentum und Geschenk seiner Eltern, wies einige Absonderlichkeiten auf. Sie besaß Küche, zwei Badezimmer und vier große Zimmer, von denen allerdings nur zwei Mobiliar enthielten. Eines war eine Mischung aus Schlaf- und Arbeitszimmer, das andere das Wohnzimmer, wobei auch hier reichlich Utensilien aus dem Berufsleben des Gastgebers herumlagen. Andreas besaß kein Bett, sondern nächtigte auf einer schlichten Matratze und im Bettzeug des FC St. Paulis. Er hatte weder Fernseher noch Stereoanlage, dafür aber mindestens vier PCs und zwei Notebooks, die allesamt aus dem Hause Apple stammten. Übervolle Bücherregale nahmen einen Großteil der Wände ein und dort, wo sie Platz ließen, hingen wissenschaftliche Skizzen an den Wänden. Zur Einrichtung gehörten auch zwei Schreibtische, die beide überquollen vor Notizen und Berechnungen.
Das Komischste bekamen wir in der Küche zu sehen, wo lediglich ein großer Kühlschrank umherstand.
Außer Sandwichs und kalten Ravioli aus der Dose verzehre der Wissenschaftler nichts weiter und wenn er tatsächlich Lust auf eine warme Mahlzeit verspüre, gehe er außerhalb essen, bevorzugt in der Gadderbaumer Grillstation oder bei dem Griechen im Herzen von Bethel.
Zwei Räume enthielten nichts weiter als gähnende Leere und eine dünne Staubschicht bedeckte an diesen Orten den Parkettboden.
Im Wohnzimmer nahmen wir auf Sesseln und Sofa Platz, die nicht zusammenpassten, und Andreas warf einen seiner Computer und indianische Musik an. Sie klang vollkommen anders als jene Töne, die man hier in Europa als native Klänge vertrieb; exotisch, aber durchaus interessant und angenehm zu vernehmen.
„Vor drei Jahren habe ich eine Reise durch den Amazonas Regenwald gemacht.", fing Andreas zu erzählen an. „Ich bin mit einem Boot über den Amazonas tief in den Regenwald hineingefahren. Bei einem Stamm, einem ganz kleinen Volk, das so lebt wie eh und je, habe ich diese Musik zum ersten Mal gehört und ein Getränk getrunken, was die aus geheimen, pflanzlichen Zutaten gegoren haben. Mann, Mann, Mann. Das war vielleicht ein abgefahrener Trip."
Michael forderte ihn auf, er solle uns doch die ganze Geschichte erzählen und so berichtete Andreas in aller Ausführlichkeit.
Diese Semesterferien sollten nur mir gehören.
Zuvor hatte ich meine Promotion mit einem sehr erfolgreichen Rigorosum abgeschlossen und war von der Universität zum 01. Oktober 1999 fest eingestellt worden. Und natürlich besaß ich durch meine Eltern genügend finanzielle Ressourcen, um mir eine achtwöchige Reise durch den südamerikanischen Regenwald leisten zu können. Es war ohnehin mehr ein zeitliches Problem als eine Frage des Geldes gewesen.
Von Frankfurt am Main aus flog ich mit Lufthansa nach Sao Paulo, wo mich mein Weg zu einem kurzen Besuch bei einem meiner Cousins führte, der in der Megametropole für eine der Firmen meiner Eltern arbeitete. Von dort ging es weiter in die Niemeyer–Stadt Brasilia, ein am Reißbrett geplanter und durchdachter Ort, faszinierend zu entdecken. Hier hielt ich mich für drei Tage auf, bevor es über Manus weiter nach Santarem ging, den eigentlichen Ausgangspunkt meiner Reise. Dort traf ich Pedro, den Reiseleiter, der mich auf meiner Tour entlang des Amazonas begleiten sollte, und Mike, einen langjährigen Brieffreund, der aus einer alteingesessenen Familie von der Ostküste der Vereinigten Staaten stammte.
Zusammen fuhren wir in einem kleinen Motorboot den mächtigen Strom hinauf, wobei wir Vorräte und Schiffsdiesel an kleineren Versorgungsstationen entlang der Route auffrischten.
Für mich war es eine begeisternde, faszinierende Angelegenheit, die Flora und Fauna des Regenwaldes, die ich bislang nur aus Büchern und Dokumentarfilmen kannte, einmal in natura zu sehen. Weiterhin stimmte die Chemie in unserer kleinen Dreimann-Reisegruppe, was die ganze Angelegenheit noch angenehmer gestaltete.
Wir machten die Bekanntschaft mit manch indigenem Stamm und durften stets bei den äußerst gastfreundlichen Indios für ein paar Stunden verweilen und gelangten so an kleine Einblicke in deren gänzlich andere Welt.
Am zehnten Tag unserer Reise verweilten wir bei einem Stamm, deren Angehörige rote Tücher, jedenfalls sahen sie wie rote Tücher aus, um die Lenden und rot–schwarze Bemalungen auf den Körpern trugen. Sie kamen ungemein freundlich daher und zwei aus ihrer Mitte sprachen gar vorzügliches Englisch. Sie luden uns ein, am Abend an einer feierlichen Zeremonie teilzunehmen, was man sich als junger, wissenschaftlich denkender Mensch nicht entgehen lassen konnte.
Dieser Zeremonie lag etwas Naturreligiöses zu Grunde und die Musik, die dabei auf rasselnden Instrumenten spielte, ging dem Zuhörer durch Mark und Bein. Sie begleitete ein leicht monoton wirkender Gesang.
Im Verlauf der Zeremonie wurde eine hölzerne Schale mit einer trüben, bernsteinfarbenen Flüssigkeit herumgereicht, über die Pedro uns verriet, dass es ein gegorenes Getränk aus Wurzeln, Pflanzen, Früchten und Pilzen des Regenwaldes sei, dessen Rezeptur von einem Volk stamme, welches noch keinerlei Kontakt zur westlich–brasilianischen Kultur gehabt habe, sondern lediglich zu indigenen Stämmen in seiner Nachbarschaft. Das Getränk habe neben der alkoholischen auch eine halluzinogene Wirkung und wir sollten dieser Substanz gegenüber eine gewisse Vorsicht an den Tage legen, da man uns aus Gründen der Gastfreundschaft sicherlich dieses Getränk anbiete.
Es geschah, wie es unser Expeditionsleiter prophezeit hatte, und als die Schale an mich kam, nahm ich einen kleinen Schluck, wobei mir Pedro die ausreichende Menge durch ein Kopfnicken bestätigte, so dass ich die Schale absetzte und weiterreichte.
Das Gebräu schmeckte leicht bitter, doch gar nicht verkehrt und ich fühlte mich ein klein wenig an Bier erinnert, welches einen hohen Anteil an Alkohol aufweist, vergleichbar etwa mit dem dunklen Starkbier aus dem Hause Kloster Andechs.
Umgehend setzte die Wirkung des Alkohols ein und ich fing an, meinen Oberkörper im Takte der Musik vor und zurück zu bewegen.
Eine der Frauen warf irgendwelche Pflanzenreste in das hochlodernde Feuer, worauf wir alle von einem süßlichen Schleier aus blauem Qualm eingehüllt wurden, der die Augen ganz leicht zum Tränen brachte. Die halluzinogene Wirkung, so hatte Pedro es Mike und mir erklärt, setze nach etwa einer Dreiviertel-, spätestens nach einer Stunde ein.
Die Wirkung kam und sie war tatsächlich fantastisch.
Ich wurde eins mit der Natur und all den Menschen, die sich hier in diesem kleinen Dorfe am Ufer des Amazonas aufhielten. Alles schien über unsichtbare, vibrierende Fäden miteinander verbunden zu sein, so dass man fühlen konnte, was der andere fühlte und wahrnahm, was der andere dachte.
Auch das Leben in den Bäumen und den übrigen Pflanzen schien mit einem kommunizieren zu wollen, ja gar die Steine und Felsen, das Wasser des Flusses und die Erde unter unseren Füßen. Alles gab ganz eigene, für sich sprechende Schwingungen von sich. Über diese Schwingungen konnte ich zum Beispiel deutlich die grundlegenden Charakterzüge alles Lebenden wahrnehmen.
Unter dem Strich waren die meisten Erfahrungen dieser Nacht von einer unglaublichen, positiven Natur, so dass es einen Wahnsinn darstellte, eine solche Erfahrung erleben zu dürfen.
Neben den Schwingungen gab es selbstverständlich weitere Erfahrungen bewusstseinserweiternder Natur.
Ich konnte durch die Blätter der gewaltigen Baumkronen direkt auf die Sterne und hinter diese sehen und verstand endlich, was Neil Young in seinem Lied Helpless mit der Passage >>...blue, blue windows behind the stars...<< zu vermitteln versuchte.
Die Erkenntnis, dass die Welt und der Kosmos und alles sich darin befindliche eng miteinander verbunden sind, wog ungemein wohltuend, in jenen gefühlten Momenten gar befreiend.
Mit dem Beginn eines neuen Tageslichtes setzte langsam, aber sicher das Runterkommen ein. Allmählich gewann die Welt den Zustand zurück, den sie besaß, wenn man als Normalsterblicher durch sie zog, und mit diesem seichten Prozess setzte eine tiefgehende Müdigkeit ein.
In der Gästehütte schliefen Mike, Pedro und ich auf einer Art Kokosmatte lange, tief und traumlos.
Als wir erwachten, waren beinahe vierundzwanzig Stunden vergangen und es wurde Zeit, die Reise fortzusetzen.
Beim Verlassen des Dorfes fragte ich einen der beiden englischsprachigen Indianer, ob es eine Möglichkeit gebe, an einen Tonträger mit der Zeremonienmusik zu gelangen. Er antwortete, dass ein Mitglied seines Volkes in Santarem einen kleinen Laden betrieb, in dem man native Gegenstände und Souvenirs erwerben könne. Dort gebe es eine ordentliche Auswahl an indianischer Musik.
Tatsächlich erstand ich dort auf der Rückreise eine CD als Erinnerung an diese unvergessliche Nacht im Herzen des brasilianischen Regenwaldes.
Nun war unsere Reise noch nicht beendet, denn es stand abschließend ein dreitägiger Besuch von Buenos Aires auf dem Programm, bevor sich am dortigen Flughafen die Wege Mikes und meiner Person trennen sollten.
Wir bewohnten ein wundervolles Hotel im Herzen der argentinischen Hauptstadt, zogen durch die zahllosen Bars des Hafenviertels, wo man Tango Tänzerinnen und Tänzer bei ihren prächtigen, künstlerischen Verführungen bewundern konnte. Ja, der Tango war eindeutig zusammen mit der Verehrung des exzentrischen, ehemaligen Fußballstars Diego Maradona die Seele dieses Stadtteils.
Obgleich sich zwei merkwürdige Dinge in dieser Metropole zutrugen, bleibt Buenos Aires eine der schönsten Städte, die ich in meinem Leben besucht habe.
Zum einen wurde ich in der ersten Nacht von einem merkwürdigen Traum heimgesucht, kein Alptraum, aber auf eine gewisse Art und Weise schon recht unheimlich.
Hier der Traum in der Zusammenfassung: Ich stand auf dem Balkon meines behaglichen Hotelzimmers und blickte statt auf das rege Großstadttreiben über die karge Pampa Patagoniens, die in einem trüben Zwielicht vor sich hin schimmerte. Aus diesem Halbdunkel rief irgendetwas über die Schwingungen nach mir, doch konnte ich nicht erkennen, wer oder was dort nach mir verlangte. Mit Schwingungen meine ich genau die Schwingungen, die ich auch verspürt habe, als ich bei den Indios gewesen bin und an deren Zeremonie teilgenommen habe. Er, sie oder es rief mich, nach Patagonien zu kommen oder an sonst einen Ort auf der großen, weiten Welt.
Dann erwachte ich, war zunächst einmal verwirrt und orientierungslos und dann um so erleichterter, als mir bewusstwurde, dass ich mich im Bett meines Hotelzimmers und nicht in der Pampa befand. Da draußen noch Dunkelheit vorherrschte, konnte der Schlaf nicht allzu lang gedauert haben und es gelang mir nicht, zügig wieder einzuschlafen, so dass ich mich auf den Balkon begab, als wolle ich auf Nummer sicher gehen, dass unter mir auch tatsächlich das nie wirklich zur Ruhe kommende Buenos Aires lag und nicht etwa eine wilde Landschaft.
Aus reinem Interesse stellte ich schnell mit Hilfe des Stadtplans fest, dass mein Balkon tatsächlich nach Süden und somit in Richtung Patagonien wies; ein Faktum, welches ich schon recht unheimlich fand.
Eine weitere Seltsamkeit war noch unheimlicher, weil sie sich im wahren Leben am helllichten Tage ereignete.
Wir erreichten im Rahmen einer unserer Streifzüge den Plaza de la Republica mit dem fast siebzig Meter hohen Obelisken. Ob ihr es mir glaubt oder nicht, der Obelisk rief nach mir. Er rief mich, aufzubrechen und sendete zudem über die Schwingungen eine Botschaft, die zu verstehen ich nicht mächtig war. Denn sie wurde in einer gänzlich anderen Sprache kommuniziert. Es hat sich angehört wie diese Geräusche, die man von Jupiters Magnetfeld empfangen kann.
Natürlich ging sofort durch meinen Kopf, dass das alles ein Backflash von den Drogen sein könne, die sich in dem gegorenen Getränk befunden hatten. So fragte ich Mike, ob er ähnliche Effekte verspüre, worauf Mike diese Frage verneinte und zu beruhigen versuchte, indem er sagte, dass sich Drogen von Mensch zu Mensch unterschiedlich auswirkten und es sich durchaus um einen Backflash gehandelt haben könnte.
Ich musste einfach dort stehen und den Obelisken anstarren, während diese seltsamen Schwingungen mir in einer gänzlich unbekannten Sprache etwas zu erzählen versuchten. Es erschien für mich unbegreiflich, warum all die anderen Menschen, die über die Gehsteige flanierten, das nicht bemerkten.
Es war der Auftakt zu einer langen Serie von seltsamen Träumen und Erfahrungen.
Nachdem Andreas seine Erzählung beendet hatte, versicherte er uns, dass wir neben seinem fernen Freund in Amerika und einer losen Freundin die einzigen Personen seien, die von dieser Geschichte wussten.
Nun entbrannte eine lebhafte Diskussion darüber, in wie weit die im Regenwald konsumierte Droge ihren Anteil an diesen Zuständen trüge und da es sich um ein besonders offenes Gespräch handelte, machte natürlich schnell die Idee die Runde, dass Andreas, um es in schönem Neudeutsch zu formulieren, eventuell auf dem Trip hängen geblieben sei. Unser Gastgeber entgegnete darauf, dass er sich dahingehend bereits einer Bekannten anvertraut habe, die als Neurologin am Hamburger Universitätsklinikum arbeite.
„Sie hat mich eingehend untersucht und nichts Auffälliges gefunden. Mein Gehirn arbeitet ganz normal.", erklärte er uns. „Ich habe mir da eine ganz verrückte Idee zurechtgelegt. Könnte es vielleicht möglich sein, dass es ein Netzwerk gibt, welches alles und jedes Leben, das sich in diesem Kosmos befindet, miteinander verbindet? Es verbindet uns über Schwingungen. Vielleicht war ich durch diese Droge tatsächlich Teil dieses Netzwerks. Ich war in dieser Nacht am Amazonas eine Einheit mit meinen Mitmenschen und der Natur. Das ist so sicher wie der Mehrwertsteuer. Ich bin mir ganz, ganz sicher, dass diese Verbindung über unseren hübschen, kleinen Planeten hinausgeht. Alles, und damit meine ich alles, hängt zusammen!“
„Und was ist dann später in Buenos Aires los gewesen?“, hakte Michael nach.
„Ich denke, dass die Wirkung der Droge einfach länger angehalten hat. Ich war dann plötzlich wahrscheinlich mit jemanden verbunden und derjenige mit mir, der sich in Patagonien aufgehalten hat. Vielleicht wollte er mir das mitteilen.“, antwortete Andreas und entzündete die erloschene Tüte.
Dichter Qualm und ein intensiver Marihuanageruch hüllten die Sitzecke ein.
„Aber du meintest doch, dass der Obelisk nach dir gerufen habe.“, gab ich zu bedenken und nahm den Joint von Andreas entgegen.
Michael trank genussvoll einen Schluck von seinem Bier und blickte Andreas erwartungsvoll an. Das Thema konnte nur als schräg, aber reichlich interessant bezeichnet werden.
„Vielleicht kam es mir nur so vor. Ich denke, der Obelisk hat wie eine Art Verstärker für diese Schwingungen gewirkt. Der Obelisk ist vielleicht mehr als nur ein symbolisches Bauwerk. Genau wie es die Pyramiden sind. Es ist doch längst erwiesen, dass die Pyramiden keine reinen Grabmonumente darstellen. Beide Dinge stammen aus dem Alten Ägypten. Ich sage es euch, die Ägypter wussten viel mehr, als wir heute auch nur erahnen können.“, legte er uns begeistert dar.
„Und wir können diese Schwingungen oder Signale nicht wahrnehmen, weil bestimmte Funktionen in unserem Gehirn nicht darauf geeicht sind. Die Droge hat diese Funktionen aktiviert und du konntest Teil des großen, kosmischen Netzwerkes werden.“, steuerte ich eine Idee bei.
„Genau. Du triffst es auf den Punkt. Vielleicht haben wir diese Fähigkeit früher mal besessen und sie ist uns abhandengekommen.“, sprudelte der Gastgeber voller Begeisterung und mit einem Leuchten in seinen Augen. „Aber die Droge der Indianer hat sie teil- und zeitweise wieder reaktiviert. Ich bin mir sicher, dass die Alten Ägypter die Verbindung nach Belieben aufnehmen konnten. Und irgendeine hochentwickelte Zivilisation weit jenseits der Erde hat sie dann mit dem Wissen versorgt, solche Bauwerke zu erschaffen. Wir wissen doch alle, dass die Pyramiden nicht mit Bronzemeißeln erschaffen worden sind. Die Beweise dafür habe ich sogar hier daheim.“
Andreas wies mit dem ausgestreckten Arm auf das übervolle Bücherregal gegenüber der Sitzecke, welches beinahe die komplette Längswand des Zimmers einnahm. Dann griff er zu dem orangenen Päckchen Javaanse Jongens–Tabak auf dem zerkratzen, schlichten Sofatisch aus Holz und fing an, sich eine Zigarette mit Filter zu drehen.
„Du hast erwähnt, dass Irgendwer oder Irgendjemand über diese, nun, Schwingungen nach dir gerufen hat. Wer kann das deiner Meinung nach gewesen sein?“, stellte ich eine weitere Frage.
„Keine Ahnung. Das weiß ich wirklich nicht. Noch nicht. Aber eines Tages werde ich es sicherlich herausbekommen. Denn, ob ihr es mir glaubt oder nicht, die Rufe erfolgen immer noch. Zumeist in meinen abgefahrenen Träumen und manchmal, es mag verrückt klingen, spüre ich auch im Wachzustand, dass da etwas ist, eine Botschaft, die durch meinen ganzen, wirklich ganzen Körper rauscht. Ja, es ist wie ein Rauschen. Das trifft es wohl am ehesten.“, antwortete Andreas begeistert und im Anschluss setze er ein Grinsen auf, welches ich einfach nicht deuten konnte.
„Ist es vielleicht diese Pyramidenkreatur, die nach dir ruft?“, rutschte es mir raus und sofort bedauerte ich es, diese Frage gestellt zu haben, denn die Angst vor dieser Kreatur war mir nach dieser einen Nacht an der Tankstelle nur zu gut bekannt.
Im nüchternen Zustand wäre dir das ganz sicher nicht passiert, Hohlhupe!
Sofort verschwand das Grinsen und machte einem sorgenvollen, gar ängstlichen Blicke Platz. Nervös flackerten seine Augen, die Hände fuhren an den Oberschenkeln über den Stoff seiner Jeans; vor und zurück und zurück und vor.
„Nein!“, kam es ihm nach etwa zwanzig Sekunden bemüht kraftvoll über die Lippen. „Diese Pyramidenkreatur beobachtet mich lediglich von irgendwo her. Das Rufen erfolgt nicht von ihr. Das fühle ich nur zu deutlich. Ganz, ganz sicher! Ganz am Anfang habe ich gedacht, dass es vielleicht diese Pyramidenkreatur sein könnte, aber sie ist es nicht. Fragt mich nicht, warum das so ist, es ist einfach so.“
Das Grinsen kehrte zurück und gleichzeitig fühlte ich Erleichterung in mir aufkeimen, die jedoch umgehend wieder der Sorge wich, nur dass es sich diesmal um eine Sorge anderer Natur handelte.
Die Pyramidenkreatur beobachtet ihn! Und das gesichtslose Irgendetwas ruft ihm im Schlaf und im Wachzustand eine Botschaft zu, die zu verstehen der gute, alte Andreas leider noch nicht mächtig ist. Kann es vielleicht sein, dass der liebe Kerl hier, dein Freund, tiefergehende Probleme mit der Psyche hat und diese schlicht und einfach nicht erkennt? Sich ein Märchen daraus zusammenreimt, um somit eine Krankheit zu verdrängen?
Die Gedanken, welche durch meinen Kopf zogen, sprach ich nicht aus, startete nicht einmal den Versuch, dieses Thema eventuell vorsichtig ins Rollen zu bringen. Auch von Seiten Michaels passierte nichts in diese Richtung; warum auch immer.
„Meinst du echt, die Droge wirkt bis heute nach?“, fragte Michael stattdessen immerhin und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus, der überzuquellen drohte.
„Ich weiß es nicht genau. Das Getränk im Urwald hat vielleicht nur einen Anstoß gegeben und nun bin ich dazu in der Lage, eben diese Schwingungen zu empfangen. Ich war so oder so immer recht sensible in allen Dingen. Ich kann mich seit jeher gut in andere Menschen reinversetzen oder ihre Stimmungen nachvollziehen. Vielleicht hat das Alles auch damit etwas zu tun. Denn mein Freund Mike, mit dem zusammen ich die Reise gemacht habe, kann von solchen Erfahrungen rein gar nichts berichten.“
Kann es sein, dass sich Freund Hillmann für eine Art Auserwählten hält? Vielleicht solltet es doch angesprochen werden!
„Wenn es ein solches Netz im Kosmos wirklich gibt, wie stellst du dir es denn vor?“, lautete meine Frage und irgendwie fühlte ich mich nicht gut dabei.
„Entweder besteht es aus irgendeiner Form von Wellen oder es ist ein Gebilde, welches diese Schwingungen transportiert. Wenn Letzteres zutrifft, dann sind seine Fäden wahrscheinlich Milliarden von Lichtjahren lang, aber lediglich so dick wie ein halber Atomkern oder so.“, antwortete er entschlossen und stand auf. „Ich gehe in die Küche. Braucht jemand noch Bier?“
Als er zurückkehrte, wechselten wir allmählich das Thema und der Abend nahm seinen Verlauf, bis Michael und ich gegen zwei Uhr nachts den Heimweg antraten.