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1 Titanen der Masturbationskunst

Nach wie vor keine Ergebnisliste vom SPARKASSENCROSSLAUF, es interessiert ja auch keinen und wenn doch, würde es derjenige nicht öffentlich zeigen oder bei den Protagonisten des Spektakels nachfragen.

Ambrosius kränkelt jedenfalls seitdem, nachgewiesen durch Abwesenheit am Arbeitsplatz: er durchquert momentan weder Betriebstor, noch passiert er den abzugehenden Checkpoint zur Zeitaufzeichnung seiner Tätigkeit.

So kann man auch von sich reden machen, ohne was zu tun.

Muss ich mir merken.

Herumgestanden hat bei mir über zehn Jahre eine quaderförmige Rasierwasserflasche mit Flüssigkeit, die man sich nach der Rasur ins Gesicht wirft, um Pickeln zuvorzukommen, um gut zu riechen, um die Haut zu beruhigen.

Da ich also seit zehn Jahren keine Rasur im Gesicht mehr praktiziere (ohne rumzulaufen wie Rasputin), sogar eine korrekt und linear ausgerichtete Bartfrisur absolut ablehne (weil: will ja kein Wendler zum Beispiel sein, will auch nicht junge Dinger wie der Wendler abschleppen), hat sich der Flüssigkeitsstand im grünen Quader nicht verändert, sich konstant einen Pegel bewahrt, der abrupt heute abgeschöpft wurde, nachdem ich mir Gedanken darüber machte, ob denn Rasierwasser eine Haltbarkeitsgrenze hat (nicht ausgewiesen) und wie eh schon scharfes billiges Rasierwasser nach zehn Jahren riecht und wie eine komplette Wohnung riechen kann, wenn man damit Möbel und Dreckflecke ein- und wegreibt und die Brühe auf Untertassen kippt und von dort aus in den gasförmigen Zustand übergehen lässt.

Nur um das zu testen, nur um klarzustellen, dass ich nicht nur um die Umwelt zu schützen, das Zeug nicht ins Klo oder in eines der Waschbecken kippe, die meinen Haushalt so wunderbar abrunden.

Als ich einen Spiegel, der seit mindestens auch zehn Jahren einfach nur im Raum rumsteht und nicht irgendwo hängt, mit einem Lappen wienerte, der mit dem erwähnten Mittel getränkt war, dachte ich kurz an einen Punker mit Handwerkerbezeichnung (Maurer) als Spitznamen von früher, der dafür bekannt war, dass er ganz ungeniert darüber sprach, wie er sich gern vor dem Spiegel einen runterholt. Was früher schon sehr speziell war, wo man über so was tratschte und dabei die Irokesenfrisur mit Kopf drunter schüttelte, während heute kaum jemand in einem Schlafzimmer ohne Spiegelschrank schläft, obwohl sich im Bad und in der Flurgarderobe auch noch Spiegel befinden, ja sogar die Decke im Schlafzimmer wird bei manchen verspiegelt, weil man so was in Hollywoodfilmen sieht, oder weil man sich gern beim Schlafen zuguckt, ach nee.

Jedenfalls ist der mit dem Handwerkernamen damals also eine ziemlich perverse Sau gewesen und die anderen Punker mit Gemüse (Möhre)-, Obst- (Birne, okay, den gab es auch als Kanzler)- oder Gegenstandsnamen (Ofen) waren es auch.

Titanen der Masturbationskunst.

Heilige.

Bei meiner Oma war in der Küche das Verpackungsfoto einer esda Thalheim- Strumpfhose an die Wand genagelt.

(Erotische Aufpeppung von Wohnraum in der Mangelwirtschaft.)

Darauf zu sehen eine Dame, die ein bestrumpftes Bein in Richtung Fotograf hält.

Ich war damals noch so klein, dass ich mir nur wünschte der Fotograf zu sein.

In einem Hamburger Szeneheft las ich in der Zeit, als ich das Rasierwasser nicht öffnete, einen Rundumschlag gegen Pornokonsum, ein Pro für Zeiten, als man im Wartezimmer des Hausarztes heimlich die Seiten aus Illustrierten riss, auf denen man durch Büstenhalter was zu sehen glaubte.

Ein Kontra gegen 3D und Full- HD- Videos, die man sich heute mal in rauen Mengen einfach so runterlädt und dann noch schneller vor und weiter spult, anstatt sich daheim hinzusetzen und ansprechende Klokritzeleien zu entwerfen.

Thalheim im Erzgebirge ist ein Ort, der sich nur durch einen Hooliganboxclub noch einen Namen machen kann.

So schlimm ist es um uns bestellt.

Stracciatella und Mitropa

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