Читать книгу Ausbildungsförderungsrecht - Roland Deres - Страница 9

1.Motive der Ausbildungsförderungsgesetzgebung des Bundes

Оглавление

Individuelle Förderung der Ausbildung durch die öffentliche Hand be­deutet: Der Staat stellt dem einzelnen Auszubildenden die für Lebensunterhalt und Ausbildung während der Ausbildungszeit benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung. Diesen individuellen Unterhalts- und Ausbildungsbedarf zu decken, wurde herkömmlich als Aufgabe der Eltern und notfalls des Auszubildenden selbst angesehen. Der Staat beschränkte sich auf eine institutionelle Ausbildungsförderung, indem er die Ausbildungsstätten bereitstellte. Einer großen Zahl ausbildungsfähiger und -williger junger Menschen, deren Eltern nicht in der Lage waren, die hohen Aufwendungen während der oft vieljährigen Ausbildungszeit zu tragen, blieb damit eine gründliche, qualifizierende Ausbildung versagt.

Am Ende der 60er Jahre hielt dies keine der politischen Kräfte in Bund und Ländern mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I des Grundgesetzes1, einem Grundgedanken der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für vereinbar. Der soziale Rechtsstaat, der – unter dem „Vorbehalt des Möglichen“2 – soziale Unterschiede durch eine differenzierte Sozialordnung auszugleichen hat, wurde vielmehr als verpflichtet angesehen, durch Gewährung individueller Ausbildungsförderung auf eine berufliche Chancengerechtigkeit der jungen Menschen hinzuwirken. Er habe dem einzelnen die Ausbildung zu ermöglichen, die seiner Neigung, Eignung und Leistung entspreche und die er erhielte, wenn er und seine unmittelbaren Angehörigen in der Lage wären, die hierfür erforderlichen Mittel aufzuwenden.

Aber nicht nur um des persönlichen Schicksals des Einzelnen willen wurde zu diesem Zeitpunkt und wird heute noch viel drängender Ausbildungsförderung durch die öffentliche Hand als notwendig angesehen. Auch das Interesse der Allgemeinheit an der Heranbildung eines qualifizierten, den Anforderungen unserer hochindustrialisierten Gesellschaft auch zahlenmäßig genügenden Nachwuchses erforderte – und erfordert heute in noch viel stärkerem Maße – eine erweiterte staatliche Mitwirkung an der Aus- und Heranbildung. In den kommenden Jahrzehnten konnten aus damaliger Sicht und – hierfür besteht heute noch ein viel ausgeprägteres Bewusstsein – können die in Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungswesen und Verwaltung unseres Landes erforder­lichen Kräfte nur zur Verfügung stehen, wenn es gelingt, die sog. Bildungsreserven zu aktivieren. Aktuell kommt der individuellen Ausbildungsförderung im Hinblick auf die hohe Zahl von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und die Notwendigkeit ihrer Integration eine zusätzliche Bedeutung, eine weitere Aufgabe zu.

Unabhängig von der aktuell erweiterten Aufgabenstellung der Ausbildungsförderung muss ihre Ausgestaltung an ihrer Grundaufgabe ausgerichtet bleiben: Realisierung des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes, allen jungen Bürgern – unabhängig von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation ihrer Familie – eine intensive, veranlagungsgerechte, neigungsentsprechende Ausbildung an qualifizierten Ausbildungsstätten zugänglich zu machen.

Ausbildungsförderungsrecht

Подняться наверх