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2. Der gerechte Gott

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Gerechtigkeit ist von zentraler Bedeutung für das menschliche Zusammenleben. Der Kirchenvater Augustin hat treffend gesagt, dass Gerechtigkeit das ist, was eine Gesellschaft von einer Räuberbande unterscheidet. Die Frage nach der Gerechtigkeit ist gerade in der Epoche der Globalisierung von entscheidender Wichtigkeit.

In der Epoche der Globalisierung rückt die Welt zusammen; ob aus ihr eine Weltgesellschaft oder eine Weltwillkürherrschaft hervorgeht, entscheidet sich an der Gerechtigkeit … Die zukünftige Gestalt der Welt hängt davon ab, ob auf lange Sicht die Stärkung des Rechts oder das Recht des Stärkeren die Oberhand behält. (Sachs & Santarius 2005, 19)

Es ist keine neue, aber wichtige Erkenntnis: In einer gelingenden Gesellschaft herrscht Gerechtigkeit. „Denn eine ungerechte Gesellschaft entspricht weder den Strebungen des Menschen, noch kann sie auf Dauer Bestand haben“ (a.a.O., 19).

Am 3. Dezember 1984 ereignete sich in einer Pestizid-Fabrik des amerikanischen Chemiekonzerns Union Carbide (heute Teil der Dow Chemical) im indischen Bhopal die bisher schlimmste Chemiekatastrophe der Geschichte. Innerhalb weniger Stunden wurden große Mengen hochgiftiger Gase freigesetzt. In den ersten Stunden gab es mehrere tausend Tote. Bis heute sind an den Folgen des Unfalls 20.000 Menschen gestorben. Über 100.000 Menschen sind chronisch krank, und noch heute sterben Menschen an den Folgen des Unfalls. Gemäß offiziellen Zahlen wurden über 500.000 Männer, Frauen und Kinder in irgendeiner Weise Opfer des Unfalls.

Auf der Internetseite von Union Carbide kann man nachlesen, der Konzern habe sich eifrig bemüht, den Opfern Hilfe zu leisten.4 Das ist bestenfalls eine Übertreibung. 1989 wurde in einem außergerichtlichen Vergleich Entschädigungszahlungen in Höhe von 470 Millionen Dollar für die Opfer festgesetzt. Es mutet zynisch an, dass der amerikanische Ölkonzern Exxon nach dem Tankerunglück der Exxon Valdez in Alaska in erster Instanz zu einer Milliardenbusse verbrummt wurde, obschon dort keine Menschen direkt zu Schaden gekommen waren. Union Carbide hat bis heute das verseuchte Firmengelände nicht reinigen lassen. Heute spielen indische Kinder auf dem verseuchten Boden Fußball. Finden Sie das gerecht? Würden Sie ihr Kind dort spielen lassen?

Es sind solche und ähnliche Fragen sozialer Gerechtigkeit, welche die Menschen bewegen. Es geht um Fragen der Gerechtigkeit zwischen den Völkern, die Frage gerechter Arbeitsbedingungen und Entlohnung, die Fragen sozialer Diskriminierung, die Fragen der Chancengleichheit, der Teilhabe am Leben und nicht zuletzt um Ressourcengerechtigkeit.

Gerechtigkeit ist weder nur von zentraler Bedeutung für das menschliche Zusammenleben noch ausschließlich ein Schlüsselthema des 21. Jahrhunderts; Gerechtigkeit ist auch ein zentraler biblischer Begriff. Von welcher Art von Gerechtigkeit sprechen wir, wenn wir sagen, dass sie zentral für die Zukunft der Menschheit ist? Wer sagt uns, was gerecht ist und was nicht? Was ist unter dem häufig verwendeten Begriff „soziale Gerechtigkeit“ genau zu verstehen? Es ist die Aufgabe dieses Kapitels, auf diese Fragen eine biblische Antwort zu geben. Wir werden dies durch folgendes Vorgehen zu erreichen suchen:

Zuerst untersuchen wir das Konzept der Gerechtigkeit im Alten Testament, mit besonderer Berücksichtigung des mosaischen Gesetzes und der Botschaft der jüdischen Propheten.

Dann untersuchen wir das Konzept der Liebe im Neuen Testament und fragen insbesondere nach dem Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Liebe.

Schließlich fragen wir nach den Motiven und der Bedeutung des utopischen Gerechtigkeitsideals.

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