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ОглавлениеETYMOSOPHIE SPRACHE ALS TOR ZUR WEISHEIT
Roland R. Ropers
Die Sprache ist ein wesentliches Tor zur Weisheit. Nach einem Konzert in Stockholm im April 1998 (Carlo Maria Giulini, 1914 - 2005, hatte Ludwig van Beethovens „Missa Solemnis op. 123“ dirigiert) entdeckte ich urplötzlich einen tieferen Zugang zur Wort- und Sprachbedeutung als durch herkömmliche Etymologie gewohnt. Mein Lieblingskomponist Beethoven (1770 - 1827) schrieb über sein großes Chorwerk: „Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehn!“ Stockholm war die Geburtsstunde des Begriffs „Etymosophie“.
Wer erfahren hat, dass die Wesensnatur eines jeden von uns ohne Tor, ohne Schranke ist, ist ein Weiser und Wissender. Wir leben in einer Welt des Bewusstseins-Wandels, der Transformation, wo unsere Worte, unsere Sprache die Welt in ihrer Ursprünglichkeit erfassen und wiederentdecken sollten. Die Turmbaulegende von Babel schildert primär ein geistiges Entwicklungsgeschehen innerhalb der Menschheit, den Fall vom Geistes-Bewusstsein in das Verstandes-Denken, den Verlust von Intuition, des inneren Wortes, das aus der Gabe unmittelbarer Anschauung geboren wurde. Diese Anschauung nennt der Grieche theoria, die Wesensschau. Unsere Ratio, unser Intellekt hat die Wesensschau, das Erkennen des Wesentlichen vergewaltigt und versteht jetzt irrtümlich unter Theorie abstraktes Denken.
Den Vätern der Urzeit waren noch Sinn und Schöpfungskraft der Laute ihrer Sprache wohlbekannt. Sie vermochten daher das Wesen aller Dinge durch die lebendig erfühlten Sprachkräfte auszudrücken, sodass zwischen der Buchstabenmagie ihrer Namensgebung und der geistigen Idee eine tiefe Entsprechung bestand. Schon zur Blütezeit der althellenischen Kultur hatte das Sprachenbabel in der Welt einen solchen Umfang angenommen, dass sich die griechische Philosophie oftmals mit der Frage nach dem Ursprung der Sprache und ihrem Zerfall in die Vielheit auseinandersetzte. Der antike Mensch wusste noch, dass das gesprochene Wort zutiefst im Urgrund verwurzelt ist und aus dem göttlichen Impuls empfangen wurde. Heraklit und Kratylos betrachteten die Namen der Dinge als geistesgemäße Lautgebilde, die das innerste Wesen ausdrücken. Der Urmensch durchschaute wesenhaft und bildete das Wort nach seiner inneren Anschauung. Sokrates hatte das Daimonion, die Götterwelt im Innersten des Menschen entdeckt. Griechische Weisheit hatte wesentlich zur Geburt einer neuen Menschheitsepoche beigetragen. Geistige Sprachforschung spürt dem stets Lebendigen der Sprache nach, den inneren Gesetzen ihres Werdens und ihrer Wurzeln. Für sie sind die Laute der menschlichen Sprache, die im Raume verhallt, nur ein Gleichnis für das innere Wort im Menschen, das wiederum ein Abbild des universalen, kosmischen Schöpfungswortes ist.
Etymosophie soll über die gängige Etymologie hinausgehen (ähnlich wie Philologie und Philosophie, Theologie und Theosophie, Kardiologie und Kardiosophie u.a.). Auch der von mir geschaffene Begriff „Kardiosophie“ ist bis heute noch nicht weithin bekannt. „Etymologie“ setzt sich aus den griechischen Worten „etymos“ (wahrhaftig, wirklich, echt) und „lógos“ (Wort, Lehre) zusammen. Einen Gedanken „denken“ (= dinglich gestalten), bedeutet, sich etwas „vorstellen“ (Imagination, Impression). Dann werden die Willenskräfte weiter in Bewegung gesetzt, um diesen Gedanken „auszudrücken“ (Expression). Dies geschieht durch seine Abgrenzung, indem durch einen Namen ein „entsprechendes“ Wort benannt und damit von anderen Gedanken gleichsam separiert wird. Daher bedeutet auch das Wort „Sprache“ nichts anderes als sein Name besagt: Se-pa-ra-che = Separierungskraft, die Fähigkeit der Trennung, der Teilung (vgl. dazu das holländische taal = Sprache, vom Wortstamm „teilen“, engl.: to tell).
Alles im Weltall besitzt Name und Gestalt als Voraussetzung seiner Manifestation. Innerhalb des menschlichen Mikrokosmos gibt es keine einzige Welle des Denkens, die nicht durch Namen bedingt wäre. Da die Natur durchgängig nach dem gleichen Prinzip angelegt ist, muss diese Bedingtheit durch Namen und Gestalt auch das Prinzip sein, das dem ganzen Kosmos zugrunde liegt. So muss das Wissen um den Menschen zum Wissen um das Weltall führen. Nun ist Gestalt die äußere Schale, deren innersten Wesen und Kern der Name (die Idee) ist. Der Körper ist die Gestalt, der Geist der innere Name. Lautsymbole sind ohne Ausnahme überall dort mit einem Namen verbunden, wo Geschöpfe der Sprache mächtig sind. Im Menschen müssen sich die Gedanken zunächst als Wörter und dann als die konkreteren Formen (Begriffe) manifestieren. Im Weltall offenbart sich das universelle kosmische Bewusstsein zuerst als Name (Schöpfungsidee) und dann als die Gestalt gewordene geschaffene Welt. Die ganze sichtbare und greifbare Welt ist die Gestalt, hinter der dieser ewig unaussprechliche Name steht: der Logos, das Wort, welches sich offenbart.
So wie Gedanke und Lautsymbol untrennbar miteinander verbunden sind, lässt sich diese Verbundenheit auch auf die vielen verschiedenartigen Aspekte von Gott und Weltall (Namen) anwenden: jeder dieser Aspekte muss in einem besonderen Wortsymbol seinen Ausdruck finden. Diese Namen, der tiefsten geistigen Schau der Weisen entsprungen, sind der genaueste Wortausdruck einer besonderen Wesensseite Gottes und des Weltalls. Das gesprochene Wort hat eine Macht, die von den modernen Gelehrten gewaltig unterschätzt wird.
Weil Ton und Rhythmus in enger Beziehung zu den vier Elementen Erde, Wasser, Feuer Luft stehen, erwecken diese oder jene Schwingungen im Luftäther auch die entsprechenden Geisteskräfte. Das Wissen um die Mystik und Magie des Wortes bildet ein gemeinsames Erbgut aus ältesten Menschheitstagen. Ihm schlossen sich immer wieder neue Seher und Weise an, deren Gotteserfahrung von der Kraft des Wortes und deren Namen Zeugnis ablegte. Was sie davon überlieferten, gibt uns manche Hinweise, um nicht nur ursprachliche Mysterien, sondern auch solche unserer Muttersprache und anderer lebender Sprachen neu erschließen zu lernen. Wird der geistige Mensch der Zukunft einmal die Strahlkräfte des Wortes seherisch zu gestalten wissen, dann wird seine Sprache zum Samen neuer geistiger Welten werden.
Die Erfahrung des Wesentlichen (man kann sie Gott, Urgrund, Ursein, TAO, Brahman nennen, ist stets ohne Vermittler, ohne Medium. Das engl. Wort „immediate“ wird landläufig mit „sofort“ übersetzt, aber etymosophisch betrachtet, bedeutet es „unmittelbar“. Für das Unmittelbare benötigt der Mensch keine Autoritäten, für den Zugang zur göttlichen Schöpfung keine Priester und Glaubensverwalter.
Selket, o.T. - Gestalt
Öl auf Leinwand, 30 × 40 cm