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RAMANA MAHARSHI

geb. 30. Dezember 1879 - gest. 14. April 1950

Der große Seher des 20. Jahrhunderts

„Wirkliche Wiedergeburt ist das Sterben des Egos in das

absolute Bewusstsein. Mein Körper stirbt, meine Seele stirbt,

aber nicht mein Geist!“

Nur wenige Wochen vor dem Tode Ramanas wurde im südindischen Dorf Tannirpalli von den Franzosen Jules Monchanin (Diözesanpriester) und dem Benediktiner Henri Le Saux O.S.B. der „Sat-Chit-Ananda-Ashram“ Shantivanam (Wald des Friedens) gegründet, dessen Leitung der Mönch & Mystiker Dom Bede Griffiths im September 1968 bis zu seinem Tod am 13. Mai 1993 übernahm.

Der aus Belgien stammende Jesuitenpater Professor Dr. Dr. Michael Anthony Windey (1921 - 2009), der bereits seit 1946 in Indien wirkte und lebte, war mit Mahatma Gandhi befreundet und hatte Ramana Maharshi noch persönlich erlebt. Mit Pater Windey waren wir sehr eng verbunden. Einer der großen stillen Meister des 20. Jahrhunderts.

Weltweit als der „Weise vom Arunachala“, dem heiligen Berg Süd-Indiens verehrt, erreichte Ramana eine Tiefe der Erkenntnis und der religiösen Erfahrung, die seine spirituellen Unterweisungen zu einem unschätzbaren Wert für Menschen aller religiösen Bekenntnisse und philosophischen Richtungen macht. Man gab ihm den Beinamen „Maharshi“, großer Heiliger (Sanskrit: maha = groß, rishi = Seher, Heiliger).

Viele Male bin ich am Arunachala gewesen und habe manchmal Stunden in der kleinen Höhle verbracht, in der Ramana Maharshi von 1915 - 1922 ununterbrochen meditiert hatte. Ich habe niemals zuvor oder danach einen stilleren Platz erlebt.

Die Fülle der Bücher über Ramana ist groß, nur weniges ist wirklich brauchbar. Arthur Osborne, gest. 1970, gehört zu den authentischen Zeugen der Unterweisungen durch Ramana Maharshi. Die Frage: „Wer bin ich?“ beschäftigte Osborne - wie einen jeden von uns - ein Leben lang; als Herausgeber der Ashram-Zeitschrift „The Mountain Path“ und Autor des brillanten Buches „For those with Little Dust“ hatte Osborne, der mit Bede Griffiths in Kontakt war, einen unschätzbaren Dienst in der Weitergabe des spirituellen Wissens von Ramana Maharshi für die Nachwelt geleistet.

Ramana Maharshi stützte seine Erkenntnis auf die Vedanta-Philosophie, wo in der berühmten Chandogya-Upanishad die Antwort auf die Seins-Frage nachzulesen ist: TAT TVAM ASI (Sanskrit wörtlich: „Das bist du!“), d.h. das Absolute ist mit dir wesenseins. Wenn der Lehrer mit diesem Satz seinem Schüler die letzte Wahrheit übermitteln will, so sind auf Seiten des Schülers verschiedene Voraussetzungen notwendig. Erstens muss er wissen, dass mit „Das“ nur Brahman, das Absolute, Ewige, Unwandelbare gemeint ist, und zweitens muss er sich über das „du“ im Klaren sein. „Du“ kann materiell wie geistig vielseitig ausgelegt werden. Der Schüler muss durch eigene Erfahrung erkannt haben, dass er weder Körper noch Denken ist, sondern Atman, geburtloses, todloses, absolutes Bewusstsein, jenseits aller Dualität und Körperidentifizierung. Sieht er sich im angesprochenen „du“ als Atman, so kann er spontan Erleuchtung erlangen, da Atman und Brahman identisch sind. AHAM BRAHMAN ASMI (Sanskrit wörtlich: „Ich bin Brahman“), einer der großen Lehrsätze der Veden. Es erklärt die absolute Identität des Selbst (im Sinne von Atman = Geist) mit Brahman. Aham ist das wirkliche Ich (Atman) des Menschen und muss von Ahamkara (Ich-Bewusstsein) unterschieden werden. Ahamkara, in der englischen Sprache als I-maker oder ego-maker übersetzt, ist das eigentliche Hindernis.

Für mich war sehr interessant, wie grundlegend wichtig für den Jesuiten und ZEN-Meister H.M. Enomiya-Lassalle (1898 – 1990) seine Erfahrung im Ramana Maharshi Ashram war.

Der deutsche Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker (geb. am 28.06.1912 in Kiel - gest. am 28.04.2007 in Söcking/ Starnberger See) übernahm 1969 - er war 57 Jahre alt - ein Amt im Deutschen Entwicklungsdienst und benutzte die Gelegenheit zu einer mehrwöchigen Inspektionsreise durch Indien. Er wurde zeitweilig von Mahadevan, einem Schüler von Ramana Maharshi, begleitet. In seinem Buch „Der Garten des Menschlichen“ beschreibt von Weizsäcker auf Seite 595 sein tiefgreifendes Erlebnis in Tiruvannamalai:

„Als ich die Schuhe ausgezogen hatte und im Ashram vor das Grab des Maharshi trat, wusste ich im Blitz: Ja, das ist es. Eigentlich waren schon alle Fragen beantwortet. Das Wissen war da, und in einer halben Stunde war alles geschehen. Ich nahm die Umwelt noch wahr, den harten Sitz, die surrenden Moskitos, das Licht auf den Steinen. Aber im Flug waren die Schichten, die Zwiebelschalen durchstoßen, die durch Worte nur anzudeuten sind: Du – Ich – Ja. Tränen der Seligkeit. Seligkeit ohne Tränen.“

Viele Jahre später sprach ich mit Carl Friedrich von Weizsäcker über seine wunderbare Erfahrung am Arunachala; er konnte den begonnenen spirituellen Weg nicht weitergehen und versuchte dann doch lieber seine Verstandeskräfte obwalten zu lassen.

Sechs Wochen bevor Ramana Maharshi im Jahre 1896 Madurai endgültig verließ, er war 16 Jahre alt, fand der große Wandel in seinem Leben statt:

„Es geschah ganz plötzlich. Ich saß allein in einem Zimmer im ersten Stock im Hause meines Onkels. Ich war selten krank gewesen, und meine Gesundheit war normal an diesem Tag, aber da überkam mich eine plötzliche, heftige Todesangst. Ich hatte einfach das Gefühl, ich werde sterben, und fing an zu überlegen, was zu tun sei. Es kam mir nicht in den Sinn, einen Arzt aufzusuchen oder meine Verwandten oder Freunde zu fragen: Ich fühlte, dass ich das Problem selbst zu lösen hatte, hier und jetzt.

Der Schock der Todesangst drängte meinen Geist, sich nach innen zu richten, und ich sagte zu mir selbst, ohne die Worte tatsächlich zu formen: Jetzt steht der Tod vor der Tür; was bedeutet das, was stirbt eigentlich? Der Körper stirbt. Und ich spielte sofort das Einsetzen des Todes. Ich lag da, mit meinen Gliedern ausgestreckt, steif, als ob der wahrhaftige Tod Besitz von mir ergriffen hätte, und imitierte eine Leiche, um dieser Erforschung eine größere Wahrhaftigkeit zu ermöglichen. Ich hielt den Atem an und presste die Lippen zusammen, um keinen Ton herausdringen zu lassen, damit weder das Wort ich noch irgendein anderes Wort ausgesprochen werden konnte. Nun denn, sagte ich zu mir selbst, dieser Körper ist tot. Er wird steif zum Verbrennungsplatz getragen und dort zu Asche verbrannt werden. Aber sterbe ich mit dem Tod dieses Körpers? Ist der Körper Ich? Er ist still und bewegungslos, aber ich fühle die volle Kraft meiner Persönlichkeit und sogar, abgesehen davon, die Stimme des Ich in mir. Also bin ich Geist, der den Körper transzendiert. Der Körper stirbt, aber der Geist, der ihn transzendiert, kann vom Tod nicht berührt werden. Das bedeutet: ich bin der unsterbliche Geist. Die Angst vor dem Tod war ein und für allemal verschwunden. Die Versenkung im Selbst (Atman) war von dieser Zeit an ununterbrochen.“

Er verließ seinen Heimatort Madurai und ging nach Tiruvannamalai, der Stadt am Fuße des heiligen Berges Arunachala, und blieb dort bis zum Ende seines Lebens. Eine Zeitlang saß er in göttlicher Wonne, er sprach nicht, aß kaum und vernachlässigte den Körper, den er nicht mehr benötigte, völlig. Nach und nach versammelten sich jedoch Verehrer um ihn, und ihretwegen kehrte er zu einem äußerlich normalen Leben zurück. Viele von ihnen brachten ihm, sich nach Anweisung sehnend, Bücher, damit er sie lese und erkläre, und so wurde er, fast durch Zufall, ein Gelehrter, der weder Gelehrsamkeit suchte noch schätzte. Die alte Lehre der Nicht-Dualität (Sanskrit: Adavaita), die er so erwarb, war nur die Formulierung dessen, was er bereits verwirklicht hatte. Ramana Maharshi sagte dazu: „Außer dem Periapuranam, der Bibel und Teilen aus dem Tayumanavar oder Tevaram hatte ich keine Bücher gelesen. Ich hatte niemals von Brahman, Samsara usw. gehört. Ich wusste noch nicht, dass es ein Wesentliches oder unpersönlich Tatsächliches gibt, das allem zugrunde liegt.“

Ich möchte 2 Themen-Bereiche herausgreifen und dabei wesentliche Aussagen von Ramana Maharshi zitieren.

RELIGIONEN

• Die Bibel und die Bhagavad Gita sind das gleiche.

• Der Ich-Gedanke ist das Ego, und das geht verloren. Das wahre Ich ist: Ich bin, der ich bin. Gott ist Geist und dieser Geist wohnt in allem. Das Selbst (Atman) muss verwirklicht werden, was das gleiche ist wie Gott verwirklichen.

• Sorge dich nicht um Gott; sprich über dich selbst.

• Viele suchen nach Wegen, als ob du an einem Platz wärest und das Selbst an einem anderen und du losgehen musst, um zum Selbst zu gelangen. Tatsächlich aber ist das Selbst hier und jetzt, und du bist es ständig. Es ist das gleiche, wie wenn du, der du hier bist, Leute nach dem Weg zum Ramana-Ashram fragst und dich dann beklagst, dass dir jeder einen anderen Weg zeigt, und dann fragst du, welchen du gehen sollst.

• Die Menschen verstehen die bloße und einfache Wahrheit, die Wahrheit ihrer täglichen, immer gegenwärtigen und ewigen Erfahrung nicht. Gibt es jemanden, der sich des Selbst nicht bewusst ist? Und dennoch wollen sie nicht einmal davon hören, wohingegen sie unbedingt wissen wollen, was jenseits davon ist - Himmel und Hölle und Wiedergeburt. Sie lieben Geheimnisse, nicht die einfache Wahrheit, deshalb schmeicheln die Religionen ihnen - nur um sie schließlich zum Selbst zu bringen. Und ohnehin, wie viel du auch umherwandern magst, letztlich musst du zum Selbst zurückkehren; warum dann nicht im Selbst hier und jetzt verweilen?

• Alle heiligen Schriften sind nur dazu da, um einen Menschen die Schritte zu seiner ursprünglichen Quelle wiederfinden zu machen. Er braucht nichts Neues zu erwerben, Er muss nur falsche Vorstellungen aufgeben. Jedoch anstatt das zu tun, versucht er, etwas Eigenartiges und Geheimes zu begreifen, weil er glaubt, dass sein Glück anderswo liegt. Das ist der Fehler.

• Nur die Frage: wer bin ich, der in Fesseln liegt, und das Erkennen unserer wahren Natur bringen Befreiung.

WIEDERGEBURT

• Wiedergeburt gibt es nur so lange, wie es Nicht-Erkenntnis gibt. Es gibt in Wirklichkeit keine Wiedergeburt, weder jetzt noch hat es sie früher gegeben. Und auch hernach gibt es keine. Das ist die Wahrheit.

• Kennen Sie denn Ihr gegenwärtiges Leben, dass Sie um das vergangene wissen wollen? Finden Sie die Gegenwart, dann folgt alles Übrige.

• Der Weise spricht nur von Geburt und Wiedergeburt, damit Sie diese Frage untersuchen und herausfinden, dass es weder Geburt noch Wiedergeburt gibt. Sie beziehen sich auf den Körper und nicht auf das Selbst. Erkennen Sie das Selbst, und lassen Sie sich durch Zweifel nicht verwirren.

• Beschäftigen Sie sich mit der lebendigen Gegenwart. Die Zukunft wird für sich selbst sorgen. Der Zustand vor der Schöpfung und die Schöpfung werden in den Schriften behandelt, damit Sie die Gegenwart erkennen.

• Das wirkliche Selbst ist dauernd und unberührt.

• Wiedergeburten gehen zurück auf einen imaginären Sprössling. Deshalb leugnen die Buddhisten sie. Der gegenwärtige Zustand der Erkenntnislosigkeit ist zurückzuführen auf eine Identifizierung des Bewusstseins mit dem bewusstlosen Körper.

• Finden Sie heraus, wer geboren ist und sich jetzt in Schwierigkeiten befindet. Wenn Sie im Tiefschlaf sind, denken Sie dann an Wiedergeburt oder die gegenwärtige Existenz? Finden Sie also heraus, wo die gegenwärtigen Probleme herstammen, und dort werden Sie auch ihre Lösung finden. Sie werden entdecken, dass es keine Geburt gibt, keine gegenwärtigen Schwierigkeiten und kein Leid. Das Selbst ist alles, und alles ist Seligkeit. Selbst jetzt sind wir frei von Wiedergeburt. Warum über deren Leid brüten?

• Es gibt weder Vergangenheit noch Zukunft. Es gibt nur die Gegenwart. Das Gestern war die Gegenwart für Sie, als Sie es erlebten, und das Morgen wird auch die Gegenwart für Sie sein, wenn Sie es erleben. Jede Erfahrung findet nur in der Gegenwart statt, und jenseits der Erfahrung existiert nichts.

• Wirkliche Wiedergeburt ist das Sterben des Egos in das absolute Bewusstsein. Darin liegt die Bedeutung der Kreuzigung Jesu. Solange die Identifizierung mit dem Körper dauert, wird immer ein Körper vorhanden sein, entweder dieser oder ein anderer, bis die Körpervorstellung sich in ihrer Quelle, dem Selbst, dem absoluten Bewusstsein auflöst. Der Durst nach Leben gehört zum Wesen des Lebens, das SAT, absolutes Sein ist. Obgleich dem Wesen nach unzerstörbar, kommt das Bewusstsein durch falsche Identifizierung mit seinem zerstörbaren Instrument, dem Körper, zu der falschen Auffassung, zerstörbar zu sein. Aufgrund dieser falschen Identifizierung versucht es, den Körper zu verewigen, und das führt zu einer Folge von Geburten. Solange diese Kette von Körpern aber auch andauern mag, sie findet einmal ein Ende, und der Körper ergibt sich dem Selbst, das allein ewig ist.

SAT-CHIT-ANANDA. Dieser Sanskrit-Begriff wird mit „Sein – Bewusstsein – Glückseligkeit“ übersetzt. Ramana Maharshi lehrte, dass das Selbst reines Sein ist, ein subjektives Gewahrsein des „Ich bin“, welches völlig frei ist von dem Gefühl: „ich bin dies oder das.“ Es gibt keine Subjekte oder Objekte im Selbst, nur ein Gewahrsein des Seins. Da dieses Gewahrsein bewusst ist, wird es auch Bewusstsein genannt. Die direkte Erfahrung dieses Bewusstseins ist ein Zustand ununterbrochener Glückseligkeit, wofür der Sanskrit-Begriff Ananda steht.

Diese 3 Aspekte – Sein, Bewusstsein und Glückseligkeit – werden als ein Ganzes erfahren und nicht als getrennte Eigenschaften des Selbst. Im direkten und wissenden Gewahrsein der einen Wirklichkeit existieren Subjekt und Objekt nicht mehr.

Kardiosophie

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