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2.2.5 Hypothesen

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Noch unbewiesene Aussagen, die Behauptungen über die Wirklichkeit und Zusammenhänge zwischen Phänomenen in der Wirklichkeit beinhalten, werden als Hypothesen bezeichnet (vgl. Kromrey 2009, 42). Sie formulieren allgemeine Erwartungen über ein oder mehrere Ereignisse: Zusammenhänge, Veränderungen, Unterschiede. Sie sind die »Übersetzung des Forschungsproblems bzw. der Forschungsfrage in empirisch prüfbare Gebilde« (Dreier 1997, 360) und damit immer auch schon eine vorläufige Antwort auf die Forschungsfrage. Hält eine Hypothese der Prüfung stand, so gilt sie als vorläufig richtig. Hält sie nicht stand, ist sie widerlegt (falsifiziert) und muss entweder aufgegeben oder verändert werden. Mit Opp (1999) und Atteslander (2006) können Bedingungen formuliert werden, die eine Hypothese erfüllen muss:

• Eine Hypothese ist als Aussage formuliert. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Menschen mit höherer Bildung erzielen in der Bundesrepublik Deutschland höhere Einkommen.

• Eine Hypothese enthält mindestens zwei semantisch gehaltvolle Begriffe. In unserem Beispiel sind dies Bildung und Einkommen.

• Die Begriffe werden explizit oder implizit mit einem logischen Operator – »wenn-dann« oder »je-desto« – verbunden. Hier: Wenn höhere Bildung, dann höhere Einkommen.

• Die Aussage ist nicht tautologisch. Die beiden Begriffe haben nicht die gleiche Intension und Extension.

• Die Aussage ist widerspruchsfrei. Der eine Begriff schließt den anderen nicht aus.

• Die Geltungsbedingungen sind angegeben. Es findet sich eine Allaussage. Implizit findet sich in unserem Beispiel eine Allaussage bezüglich aller Personen in der Bundesrepublik Deutschland.

• Die Begriffe sind messbar. Bildung kann für unsere Hypothese als formaler Bildungsabschluss anhand eines Zeugnisses gemessen werden, Einkommen anhand der Steuererklärung oder der Lohnabrechnung.

• Die Aussage ist überprüfbar. Das ist möglich, insofern man Zugriff auf die benötigten Daten hat.

Sind die in der Hypothese verwendeten Begriffe theoretisch sinnvoll definiert und empirisch messbar, wird man die getroffene Aussage auch gut überprüfen können. Da sich Hypothesen jedoch oft auf komplexere Zusammenhänge beziehen, kann dies durchaus kompliziert werden (vgl. Atteslander 2006, 38). Daher ist es hilfreich, bei der Beurteilung von Studien und deren Ergebnissen verschiedene Formen von Hypothesen zu unterscheiden. So behaupten sogenannte Existenzhypothesen lediglich, dass ein bestimmtes Phänomen existiert (»Deutschland ist eine Demokratie«). Korrelationshypothesen behaupten einen Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Phänomenen (»Wenn Wahlen, dann Demokratie«; »Je mehr Einkommen, desto zufriedener«). Eine Spezialform der Korrelationshypothese sind Kausalhypothesen, die einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang formulieren (»Arbeitslosigkeit verursacht Fremdenfeindlichkeit«) (vgl. Alemann/Forndran 2005). Wichtig ist, dass Korrelationshypothesen zunächst nur eine Wechselbeziehung oder ein gleichzeitiges Variieren zweier Phänomene formulieren, während Kausalhypothesen eine Wirkungsrichtung und einen Mechanismus für diese annehmen.

Auch die sogenannte Nullhypothese, die den meisten statistischen Analyseverfahren zugrunde liegt, ist eine Form der Korrelationshypothese. Sie besagt, dass zwei Phänomene nicht miteinander zusammenhängen. Statistisch wird dann geprüft, ob diese Nullhypothese zurückzuweisen ist, und es wird eine Wahrscheinlichkeit angegeben, mit der gefundene Zusammenhänge nicht zufällig sind. Eine weitere Unterscheidung von Korrelationshypothesen wird anhand der logischen Operatoren »wenn-dann« und »je-desto« gezogen (vgl. Häder 2006, 47–49 und Dreier 1997, 361–366). Ersterer zeigt in der Regel kausale Zusammenhänge an, während letzterer relationale Zusammenhänge anzeigt.

Wichtig ist auch der Geltungsanspruch von Hypothesen. Dieser wird bei der Bewertung von wissenschaftlichen Studien oft übersehen. Sogenannte deterministische Hypothesen sind Allaussagen, die einen umfassenden Geltungsanspruch unabhängig von Raum und Zeit haben. Sie lassen keine Abweichungen zu (»Arbeiter:innen wählen die SPD«). Diese finden sich in den Sozialwissenschaften aufgrund der Diversität menschlichen Handelns relativ selten. Häufiger finden sich Aussagen oder Hypothesen mit mittlerer Reichweite, die einen eingeschränkten Geltungsbereich haben. Ein typischer einschränkender Satz wäre: »Für westliche Gesellschaften gilt«. Häufig finden sich auch probabilistische Hypothesen, die sich auf statistische Gesetze beziehen. Dabei handelt es sich um relationale Korrelationsaussagen und nicht um Kausalaussagen. Anstatt eines deterministischen Geltungsanspruchs wird eine statistische Geltungswahrscheinlichkeit formuliert (»Arbeiter:innen wählen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit p die SPD als andere Parteien«). Während eine deterministische Hypothese bei einem abweichenden Fall (diese:r Arbeiter:in wählt nicht SPD) widerlegt ist, ist bei probabilistischen Hypothesen eine Abweichung möglich. Sie sind erst widerlegt, wenn die Wahrscheinlichkeit p nicht erreicht wird.

Schließlich können Hypothesen nach der Bezugsebene unterschieden werden. Individualhypothesen beziehen sich auf individuelle Merkmale (»Je höher die Bildung einer Person, desto höher ihr Einkommen«). Kollektivhypothesen beziehen sich auf Merkmale von Gruppen (»Je höher der Katholik:innenanteil in einem Wahlkreis, desto höher der Stimmenanteil der CDU«). Der Rückschluss von der Kollektivebene auf die Individualebene ist nicht so einfach möglich (es kann auch Katholik:innen geben, die eine andere Partei wählen) und die Hypothese ist nicht widerlegt, wenn man nur ein Gegenbeispiel findet. Kontexthypothesen verbinden Individualmerkmale mit Kollektivmerkmalen (»In Diktaturen sind die Menschen weniger politisch aktiv als in Demokratien«).

Erst wenn Hypothesen mehrfach geprüft sind, werden sie in Form von probabilistischen oder deterministischen Gesetzen Eingang in Theorien finden.

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