Читать книгу Warum mit 40 sterben, wennman sich erst mit 70 begraben lassen will? - Rolf Thieme - Страница 12
60 bis 70 und darüber hinaus
ОглавлениеIn diesen Jahren beginnt man einerseits verstärkt an den Eintritt in das Rentenalter und damit eine Zeit ohne Hast und hoffentlich viele schöne Jahre zu denken oder hat es andererseits bereits erreicht und hat begonnen, sein Leben nach anderen Gesichtspunkten, fern des zwingenden Rahmens der Berufstätigkeit, zu organisieren. Mitunter werden die Tagesabläufe schon nach den Terminen bei verschiedenen Ärzten geplant. Jahrzehntelange Einflüsse durch Beruf, Familie, Gesellschaft, Krankheiten und anderes haben, wie es Dr. Ackermann beschrieben hat, deutliche Spuren hinterlassen. Körperform und –haltung haben sich verändert, man darf sagen, weitestgehend irreparabel. Der einst aufrechte feste Gang mit gewölbtem Brustkorb, breiten Schultern, schlanker Taille und starken Beinen ist dem in unserer Vorstellung vom älteren Menschen existierenden Bild gewichen. Runder Rücken, eingefallene Brust, dicker Bauch, dünne Beine. Die Kraft- und Ausdauerfähigkeit hat stark nachgelassen. Geschwundene Muskelmasse wurde durch Fett oder nicht ersetzt. Fehlende Muskelmasse ist andererseits auch Ursache dafür, dass man sich auf seinen Beinen nicht mehr sicher fühlt. In diesem Zustand ist es schwer zu glauben, dass man noch etwas ändern könnte. Glaube, nicht der an Gott, und eine gehörige Portion Motivation versetzen bekanntlich Berge und hätte ich es nicht in meiner Tätigkeit erlebt, hielt ich es auch nicht für möglich, dass Menschen selbst in hohem Alter ihre Leistungsfähigkeit steigern können und sich über neu gewonnene Beweglichkeit, erhöhten Muskeltonus und größere Körperkraft freuen können. Die Rede ist von Menschen, die mit 70 oder 80 Jahren zum ersten Mal ein Fitness-Studio betreten haben und danach viele Jahre trai-nierten und es teilweise heute noch tun. Auch wir, meine Frau und ich, haben nach der Schließung unseres Fitness-Studios ohne größere Unterbrechung unsere sportlichen Aktivitäten wiederaufgenommen und dabei eine große Anzahl begeisterter Leute in unserem Alter kennengelernt. Natürlich kann ein Mensch, der jahrzehntelang sportabstinent gelebt hat, nicht erwarten, dass er die Leistungsfähigkeit seiner besten Jahre wiedererlangt, aber er wird sich gegenüber dem Ausgangszustand signifikant verbessern. Und keine andere sportliche Betätigung ist dazu besser geeignet, als das Widerstands- oder Krafttraining, kombiniert mit Ausdauertraining, in einem Fitness-Studio. Der besondere Vorteil des Widerstandstrainings an speziellen Geräten besteht darin, dass man jeden Muskel und jede Muskelgruppe ihrer Funktion entsprechend durch genau definierte Bewegungsabläufe, mit veränderbaren Belastungen trainieren und im Bedarfsfall die Bewegung abbrechen kann. Das Verletzungsrisiko ist im Kraftsport, vor allem beim Training an Maschinen, statistisch gesehen nahe Null, vorausgesetzt, man lässt sich nicht von übertriebenem Ehrgeiz leiten. Auf einen ausgewogenen Anteil an Ausdaueraktivitäten sei noch einmal deshalb hingewiesen, weil dadurch die Herztätigkeit aktiviert und der Trainierende gezwungen wird, tiefer zu atmen, was im täglichen Leben, und je älter man wird, umso seltener, nicht mehr stattfindet.
Es sei hier nochmals betont, dass dieses Büchlein jede Altersgruppe, ob sehr junge oder ältere Jugendliche, Männer oder Frauen aller Altersgruppen ansprechen will. Zu spät ist es zwar nie mit einem gezielten Körpertraining oder generell mit körperlichen Aktivitäten zu beginnen, aber je eher man es in seine Lebensplanung aufnimmt, umso wirkungsvoller, nachhaltiger und ergebnisträchtiger ist es. Maßvolles, dennoch erschöpfendes Körpertraining garantiert kein längeres Leben, auch unter Umständen das Ausbleiben von Erkrankungen nicht, aber es beschert einem ein besseres Lebensgefühl und eine größere Lebensqualität. Die Gebrechlichkeit, die wir bei älteren Menschen feststellen, ist fast ausschließlich auf das Versagen einer im-mer mehr verkümmernden Muskulatur und hier vor allem der die Beine bewegenden zurückzuführen. Jeder hat mit Sicherheit in seinem Umfeld erlebt, wie ältere Menschen sich immer unsicherer und schlürfend bewegen, dann irgendwann zum Stock und schließlich zum Rollator greifen, bevor sie im Rollstuhl gefahren werden müssen.
Eine kleine Episode am Ende dieser Empfehlung, die zeigt, wie weit Freude an Leben und Sport gehen kann: Der deutsche Seniorenleichtathlet Friedrich-Ernst Mahlo, vielfacher Welt-, Europa- und Deutscher Meister im 100m- und 200m-Lauf, zuletzt der Altersklassen 90 und 95 Jahre, antwortete, als er ca. 92 Jahre alt war, auf die Bemerkung seines auch schon älteren Bruders, wie lange er noch dreimal wöchentlich trainieren und zu Wettkämpfen fahren wolle, er solle sich doch lieber ausruhen: „Dazu habe ich im Alter noch Zeit“. Er musste mit 95 Jahren verletzungsbedingt vom Wettkampfsport zurücktreten. Im 102. Lebensjahr ist er 2013 verstorben. Ein erfülltes Leben, das natürlich nicht jedem Sporttreibenden beschieden ist, ging damit zu Ende.