Читать книгу Warum mit 40 sterben, wennman sich erst mit 70 begraben lassen will? - Rolf Thieme - Страница 3
Vorwort
ОглавлениеDer Titel des Buches geht auf das amerikani-sche Sprichwort „Der Amerikaner stirbt mit 40 und mit 70 lässt er sich begraben“ zurück, das die Lebensweise eines großen Teils der US-Bür-ger charakterisieren soll. Ich las es Anfang der 90er Jahre in einer Bodybuildingzeitschrift und war überzeugt davon, dass sich der Lebensstil der Deutschen oder anderer sich zivilisiert nen-nender Völker nicht wesentlich von dem der US-Amerikaner unterscheidet und gekennzeichnet ist durch
-Bewegungsarmut in Beruf und Freizeit mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen;
-Unzweckmäßige Ernährung, weil deutlich zu energiereich und vor allem zu kohlenhydrat-lastig;
-Hohe psychosoziale Belastungen, wie Angst vor Arbeitslosigkeit, Existenzangst;
-Dauerstress in der arbeitenden Bevölkerung infolge hoher berufliche Anforderungen ohne ausreichende Regeneration.
Dieser Eindruck hat sich seitdem verstärkt und so glaube ich, mir mit einem Plus von mehr als 20 Jahren Erfahrung als Fitnesstrainer, einer Heilpraktikerausbildung, aber auch nach mehr als 60 Jahren sportlich aktiven Lebens, ein Urteil zu dieser Problematik erlauben zu können. Hin-zu kommt, dass ich mich seit 2003 im Zusam-menhang mit meiner Trainertätigkeit intensiver mit der Rückenschmerzproblematk, deren Ursa-chen und den alternativen Möglichkeiten auf sie Einfluss zu nehmen, beschäftige. Deshalb wer-de ich mich vor allem den beiden erstgenannten Problemkreisen widmen, weil ich davon über-zeugt bin, dass der Schlüssel für ein auf lange Sicht gesundes, befriedigendes und selbstbe-stimmtes Leben in ausreichender Bewegung und bedarfsgerechter Ernährung liegt.
Zurück zum Spruch, impliziert er doch, dass sich der Mensch in den Lebensjahren bis 40 selten bewusst damit beschäftigt, was die Jahre da-nach an gesundheitlichen Problemen bringen könnten und wie und ob man darauf Einfluss nehmen kann. Hier ist zum Beispiel ein Blick in die familiäre Krankengeschichte mitunter sehr aufschlussreich. Allerdings sind die Jahre bis 40 auch die Jahre, in denen der Organismus An-griffe auf die Gesundheit scheinbar mühelos toleriert und das Leben in mehr oder weniger vollen Zügen genossen wird und bis zu einem gewissen Grad auch werden kann. Dennoch ist das Meiste von dem, was wir als das schöne Leben betrachten nicht wirklich immer schön und auch nicht unbedingt lebensnotwendig. Der menschliche Organismus toleriert zwar die mei-sten der ihm im Laufe der Jahre zugefügten Schädigungen und Demütigungen, oft auch lange Zeit, vergisst sie aber offensichtlich nicht alle, wie eben Überernährung, Alkohol- und Dro-genmissbrauch, Rauchen, aber auch exzessive körperliche Belastungen u.a. Dies hat zur Folge, dass sich in diesen Jahren Gewohnheiten her-ausbilden, die, ohne dass man es richtig wahr-nimmt, die Grundlagen für spätere Gesund-heitsschäden sein können. Obendrein ist der Glaube an die immer größer werdenden Mög-lichkeiten der Medizin als Helfer in der Not und in allen misslichen gesundheitlichen Lebensla-gen und das tiefe Vertrauen in sie offensichtlich grenzenlos und zweifellos sind in vielen Situ-ationen die Errungenschaften der Medizin ein Segen für die Menschheit. Dennoch wage ich zu behaupten, dass dieses Vertrauen dem man-gelhaften Wissen über die Vorgänge im menschlichen Organismus entspringt und daraus resultierend auch die Möglichkeit der eigenen Einflussnahme begrenzt ist. Hermann Kesten ließ sich in Anbetracht der Möglichkeiten der modernen Medizin zu folgender Bemerkung hinreißen: „Die Fortschritte der Medizin sind ungeheuer. Man ist sich seines Todes nicht mehr sicher“. Schließlich steigt die Lebens-erwartung der Deutschen von Jahr zu Jahr. An ein gewisses Maß Verantwortung für die eigene Gesunderhaltung wird dabei trotzdem oder vielleicht gerade deshalb zuletzt gedacht.
Man könnte die im amerikanischen Spruch ge-nannten Altersgrenzen (40,70) unter den heutigen Lebensbedingungen möglicherweise etwas erhöhen, was mit der Aussage „die 70 ist die neue 60“ zum Ausdruck kommen soll, was aber an seinem Sinn nichts ändern würde.
Leider führt genau die o.g. Lebenseinstellung und -weise zu den heute als Zivilisationskrank-heiten bezeichneten gesundheitlichen Folgen. Einige Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rücken- und Gelenkprobleme, werden mit Übergewicht in Verbindung gebracht. Andere, wie Muskel-schwäche, Osteoporose u.a., vor allem mit Bewegungsarmut oder mit beidem. So sollte man z.B. akzeptieren, dass in unserer von kör-perlicher Arbeit weitestgehend befreiten Zeit, nicht das Fassungsvermögen des Magens das Maß für die aufzunehmende Nahrungsmenge sein sollte, sondern der tatsächliche Bedarf für die Sicherstellung der körperlichen und gei-stigen Aktivitäten. In diesem Zusammenhang wird Benjamin Franklin der Ausspruch nach-gesagt: „Seit der Erfindung der Kochkunst essen die Menschen doppelt so viel, wie die Natur verlangt.“
Wenn heute z.B. von einem sehr großen Prozentsatz Übergewichtiger in Deutschland und anderen Industriestaaten gesprochen wird, dann ist dies eine unmittelbare Folge dessen, dass sich sitzend Tätige und geringfügig Bela-stende ernähren wie Schwerarbeiter oder Spit-zensportler. Wer demzufolge immer mehr isst, als er verbraucht, der wird im Normalfall auch immer mehr Depotfett speichern, insbesondere durch die teils exzessive Kohlenhydrataufnah-me. Dieses, meist schleichend, größer werden-de Übergewicht hat ausschließlich negative Wir-kungen auf die Betroffenen, mal abgesehen da-von, dass man bei entsprechendem Körperfett-anteil im Wasser nicht untergeht. Bereits in Kin-der- und Jugendjahren sind Übergewichtige nicht nur psychisch belastet, sondern es entste-hen Krankheitsbilder, die sich aus der Diskre-panz zwischen Körpergewicht und Körper-entwicklung ergeben und sowohl das Skelett, wie auch die Funktion innerer Organe negativ beeinflussen und die teilweise in der Vergan-genheit erst im höheren Erwachsenenalter auftraten. Wenn man diese Situation insgesamt betrachtet, dann muss man schon zu der Schlussfolgerung kommen, dass einerseits die Warnungen der Mediziner, der Ernährungswis-senschaftler und kürzlich auch der Politik, hier war es nur eine kurze Episode, ungehört verhal-len, andererseits die meisten Menschen wohl glauben, „mich wird es schon nicht treffen“. Die-se fatale Einstellung beruht möglicherweise auf der Tatsache, dass es im Lebensumfeld der meisten Menschen Beispiele gibt, bei denen ein Raucher, ein Mehr-als-gewöhnlich-Trinker, ein Übergewichtiger, ein Unsportlicher, trotz „unge-sunder Lebensweise“ ein hohes Lebensalter erreicht hat. Nur sagen die Statistiken etwas ganz anderes aus, wie auch die ständig wach-senden Ausgaben im Gesundheitswesen für die Folgen der sogenannten Zivilisationskrankhei-ten eine deutliche Sprache sprechen. Und nebenbei gesagt, muss das Erreichen eines hohen Alters nicht immer ein Segen sein.
Obwohl über dieses Thema viel geschrieben wurde, möchte ich aus meinem Lebenshinter-grund heraus, den dabei gemachten Erfahrun-gen und gewonnenen Einsichten, dem Leser die Dringlichkeit deutlich zu machen, altherge-brachte Ansichten über Bord zu werfen. Dabei will ich ältere, weil es nie zu spät ist, aber vor allem jüngere Leser ansprechen und auffordern, meinen Gedanken zu folgen und bei allem was sie heute tun, bei aller Ungezwungenheit und Freude jugendlichen Lebens, bei dem man durchaus auch über die Stränge schlagen kann, auch ein wenig in die Zukunft zu schauen. Je-dem sollte bewusst sein, dass er für das, was er wider besseres Wissen unterlassen hat zu tun, nur sich selbst verantwortlich machen kann. Man sollte dabei auch bedenken, dass es unter Umständen nicht wiedergutzumachende Schä-digungen gibt, auch wenn man sich zu einem Sinneswandel entschließt. Leider kann ich nicht damit dienen, über einen verkorksten Lebens-abschnitt mit Übergewicht, übermäßigem Alko-hol- und Drogengenuss zu reden, der mir letzt-endlich Läuterung und mich zur Vernunft brachte. Was ich mir vorwerfen muss ist das exzessive Training, welches ich teilweise absol-viert habe und was aus Unwissenheit zu Schä-digungen am Bewegungsapparat geführt hat. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, in meinem Leben etwas „verpasst“ zu haben. Hinzu kommt, dass es bei dem heutigen Wissens-umfang zur Problematik einer gesunden Lebensweise möglich ist, sich vielseitig und umfassend zu informieren. Dies sollte nicht nur jeder nutzen, sondern auch danach handeln. Man darf diesbezüglich nicht alles dem Zufall überlassen. Abgesehen davon, muss ich an dieser Stelle anmerken, dass es insgesamt in der Gesundheitserziehung der Kinder und Ju-gendlichen aus meiner Sicht erhebliche Defizite und Versäumnisse von Seiten der Gesellschaft, der Schulen, aber vor allem auch der Eltern gibt. Auch kann man das Verhältnis zwischen Ausga-ben für Prophylaxe und Behandlung im Gesund-heitswesen durchaus als unangemessen zu Gunsten der Behandlung ansehen.
Nun bin ich bei weitem kein Befürworter einer asketischen Lebensweise mit Verzicht auf alles was gemeinhin Freude macht, aber ich be-haupte, dass man nur mit diszipliniertem, maß-vollem Essen, mit wöchentlich mehrmaliger sportlicher Betätigung, und das ein Leben lang, die besten Chancen hat, gesund, fit, ohne ein-schränkende Gebrechen, körperlich selbst-bestimmt und mit hoher Lebensqualität die Jahre bis 70 und vor allem darüber hinaus erreichen kann. Obwohl es, das muss deutlich gesagt werden, dafür keine Garantie gibt. Ist es nicht so, dass ein großer Teil unserer Zeit-genossen glaubt, mit dem Heranschaffen der Nahrung, dem Bewegen der Essbestecks und des Schalthebels des fahrbaren Untersatzes oder des Daumens auf dem Handy, die Gipfel der körperlichen Anstrengungen erreicht zu haben und dass die Betätigung der Kau- und Schließmuskulatur eine ausreichende musku-läre Belastung darstellt?
Nicht auszuschließen ist natürlich, dass es im Leben eines jeden Menschen Unwägbarkeiten gibt, die auch die allergrößten Bemühungen scheitern lassen. Trotzdem sollte die Möglich-keit des Scheiterns niemals Ausgangspunkt der Überlegungen im Interesse eines gesunden Lebensstils sein.
Folgendes Zitat, welches ich kürzlich ent-deckte, soll das Vorwort beenden: „Die menschliche Natur ist in keiner Weise geeignet, Wohlstand zu ertragen“. Es stammt aus einem Brief, der Mitte des 18.Jahrhunderts von John Adams, dem späteren 2. US-Präsidenten (1797-1801) an seinen Nachfolger im Amt Thomas Jefferson (1801-1809) ge-schrieben wurde. Diese Erkenntnis, die auf der Basis der sich gerade in Nordamerika entfaltenden Zivilisation gemacht wurde, ist an Weitsicht nicht zu übertreffen. Sicher betraf es zu jener Zeit nur einen geringeren, nämlich den wohlhabenden Teil der damaligen Bewohner, aber von da spannt sich der Bogen in unsere Zeit. So stellte Adams sehr früh fest, dass Wohl-stand eine gewisse schädigende Bequem-lichkeit verursacht. Boshaft könnte man hinzu-fügen, dass der Mensch seitdem nichts hinzu-gelernt hat, im Gegenteil. Wenn man dazu be-denkt, dass die Autoindustrie vielleicht danach strebt, je 500 Millionen Chinesen und Inder und irgendwann auch den afrikanischen Kontinent mit Autos auszustatten, dann könnte einem schon gruselig werden. Und was würde Adams wohl sagen, wenn er seine Landsleute und die Entwicklung auf dieser Erde heute sehen wür-de? Übrigens erreichten beide ein selbst für heutige Verhältnisse erstaunliches Alter, Adams lebte 91, Jefferson 83 Jahre. Man kann also bei beiden davon ausgehen, dass sie trotz der Möglichkeiten, die ihnen ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung bot, einen maß-vollen und disziplinierten Lebensstil pflegten.