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Brauherren und Zuckerbarone
ОглавлениеWirklich reich wurden die Wiener Industriellen mit Bier, Schnaps, Zucker, Malzkaffee und anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie. Etwa 60 Millionäre lassen sich diesem Sektor zuordnen. Ganz vorn im Einkommensranking standen die Brauherren. Namen wie Dreher, Mautner-Markhof, Meichl oder Kufner haben bis heute einen guten Klang. Rings um die Millionenstadt, die an sich eine Weinstadt war, wuchsen in den Vororten die Bräuhäuser: in Nussdorf, Ottakring, Hütteldorf, Liesing, Simmering, Schwechat, Jedlesee. Die Bierbrauer galten als Herren. Ihr Vertretungsorgan war der Brauherrenverband. Vier Kronen pro Hektoliter betrug die Biersteuer. Die Länder und Städte machten weitere Aufschläge. Ein mächtiges Kartell hielt die Preise hoch. 1882 wurde der „Österreichische Brauerbund“ gegründet. Eines der Hauptanliegen war der sogenannte Kundenschutz, was im Jargon der Brauindustriellen nicht Schutz der Kunden, sondern Schutz vor Abwerbung von Kunden durch ein Kartell bedeutete.
Der Reichtum einzelner Bierbrauer darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Branche ein ruinöser Verdrängungswettbewerb in Gange war, der 1910 noch keineswegs zum Abschluss gelangt war. 1841 gab es im heutigen Österreich etwa 1.200 Brauereien, 1913 nur mehr 289. Der Erste Weltkrieg kostete noch einmal fast die Hälfte der Brauereien die Existenz. Nach dem Ersten Weltkrieg ging der Konzentrationsprozess ungebremst weiter. Die Habsburgermonarchie war zwar einer der größten Weinproduzenten der Welt. Aber der Weinverbrauch war kontinuierlich zurückgegangen, einerseits als Folge verheerender Rebenkrankheiten und Reblausschäden, andererseits als Folge der gesellschaftlichen und technischen Umstrukturierungen in der Produktion anderer Alkoholika. Bier war hinsichtlich Qualität und Gestehungskosten durch die Fortschritte der Brautechnik in eine allmählich so viel bessere Position gelangt, dass es zum wichtigsten alkoholischen Massengetränk und gleichzeitig zum Modegetränk der Intelligenz des 19. Jahrhunderts werden konnte. Wien, die Weinstadt, wurde zu einem Bierzentrum. Selbst in den klassischen Heurigenorten, in Nußdorf und Grinzing, Hernals und Ottakring nisteten sich die Brauereien ein. Dem zur Weltstadt sich entwickelnden Wien entsprachen mondäne Bierhallen, die einander mit neuen, qualitativ hochwertigen Biersorten überboten.149
Bier wurde zum Massengetränk: die Brauereien und Bierhallen Anton Drehers.
Die Bierbrauerei war einer der ersten Produktionszweige mit hoher Kapitalintensität: Dampfmaschinen und Kältemaschinen erforderten viel Geld. Die Erkenntnisse der modernen Biologie gaben Einblick in die Kausalität eines altbekannten Produktionsprozesses und ermöglichten damit neue Möglichkeiten der Steuerung und Kontrolle der Erzeugung und damit eine höhere Qualität und Haltbarkeit der Produkte. Gleichzeitig veränderte die Eisenbahn die Standortbedingungen und trieb zusammen mit dem rasch steigenden Kapitalbedarf den Konzentrationsprozess voran. Während der Bierverbrauch zu Beginn des 19. Jahrhunderts pro Kopf der Gesamtbevölkerung Cisleithaniens im Jahr nur etwa 20 bis 30 Liter betragen haben dürfte, lag er zu Ende des 19. Jahrhunderts bereits bei etwa 90 Litern. Um 1910 betrug der Bierkonsum im heutigen Österreich etwa 100 Liter pro Kopf, fast genauso viel wie heute. Der Weinverbrauch hingegen war in Wien von etwa 120 Litern pro Kopf um 1800 auf 25,9 Liter im Jahr 1913 abgesunken.150
Begründer einer Unternehmerdynastie: Adolf Ignaz Mautner Ritter von Markhof
Der Großgrund- und Brauereibesitzer Anton Dreher jun. galt als Inbegriff des Brauherrnreichtums. Als siebtreichster Wiener versteuerte er 1910 ein Jahreseinkommen von 2,6 Millionen Kronen. Es war seinem Vater Anton Dreher senior zu verdanken, dass Wien zum Standort der größten Brauerei auf dem Kontinent geworden war. Der Großvater war um 1760 als einfacher Kellner vom Bodensee nach Wien gekommen und hatte sich vom Schankburschen zum Brauereipächter emporgearbeitet. 1796 kaufte er das Brauhaus Klein-Schwechat. Anton Dreher senior holte sich seine Ideen in England. Gemeinsam mit Gabriel Sedlmayer aus der Münchener Spaten-Bräu-Dynastie hatte er zwei Besichtigungsreisen nach England unternommen, um die bereits industriell fertigenden Brauereien dieses Landes zu studieren. Ob die wilde Spionagegeschichte vom ausgehöhlten Spazierstock Drehers, der ihm dazu diente, beim Gang durch die Bräuhäuser insgeheim Proben von verschiedenen Stadien des Brauprozesses zu ziehen, nun stimmt oder nicht, die beiden kamen jedenfalls mit vielen Anregungen zurück: Gebinde aus Eisen, Steinkohle als Brennmaterial, maschinelle Hebe- und Transportvorrichtungen sowie mechanische Rührwerke brachten deutlich niedrigere Kosten, bessere Qualität und höheren Ausstoß. Anton Dreher setzte die gewonnenen Erkenntnisse konsequent um und entwickelte sie erfolgreich weiter. In seiner Brauerei in Klein-Schwechat produzierte er nach modernsten industriellen Methoden. Er verband die englische Mälzereitechnik mit dem bayerischen Brauverfahren und stellte 1836 von obergärigem auf untergäriges Brauen um. Das so erzeugte Bier war haltbarer – das Lagerbier war erfunden, ein Begriff, der um die Welt ging. 1836/37 erzeugte Dreher in Schwechat 16.000 hl pro Jahr, sein Sohn Anton Dreher jun. zum Ende des Jahrhunderts fast 800.000 hl. Er dehnte den Wirkungskreis der Dreherschen Brauereien auf die ganze Habsburgermonarchie aus, im böhmischen Micholup, in Steinbruch bei Budapest und in Triest gab es Dreher-Brauereien. Um die Jahrhundertwende bildeten die Dreherschen Brauereien das größte Brauunternehmen der Welt. Der Gesamtausstoß betrug 1,25 Mio. hl Bier. 1905 wurde das Unternehmen in eine AG umgewandelt und 1913 mit der Simmeringer Brauerei Meichl und der St. Marxer Brauerei Mautner-Markhofs zur „Vereinigte Brauereien Schwechat, St. Marx, Simmering AG“ fusioniert. 1926 starb die Braudynastie Dreher mit dem frühen Tod von Anton Drehers erst zwölfjährigem Enkel Oskar Anton aus.151 Ein Schicksal wie die Buddenbrooks. Ihre Stelle nahmen die Mautner Markhof ein.
Adolf Ignaz Mautner, später geadelt als Ritter von Markhof, hatte 1840 die St. Marxer Brauerei des Wiener Bürgerspitals in Pacht genommen. Obwohl vor ihm rasch nacheinander drei Pächter gescheitert waren und ihm im nahe gelegenen Klein-Schwechat mit Anton Dreher ein mächtiger Konkurrent gegenüberstand, wirtschaftete er mit solchem Erfolg, dass er den Betrieb bereits 1857 um 275.000 fl. kaufen konnte. Er verbesserte die Produktion und Lagerung durch effiziente Kühlung mit Rohrsystemen und neuen Lagerraumtypen, dem „Normal-Bierlagerkeller System Mautner“ derart, dass er das ganze Jahr über untergäriges Bier herstellen konnte. Auch die Hefeproduktion konnte er revolutionieren. Mit Hilfe seines Schwiegersohnes, des aus Westfalen gebürtigen Chemikers Julius Reininghaus, gelang es, unabhängig vom Brauereivorgang nach dem sogenannten „Wiener Verfahren“ hochwertige Backhefe herzustellen. 1858 trat Mautner Markhofs ältester Sohn Karl Ferdinand als Kompagnon in das Unternehmen ein und übernahm 1876 die Leitung der Betriebe in St. Marx und Simmering. Der jüngere Sohn Georg Heinrich Mautner Markhof gründete 1864 die Presshefe- und Spiritusfabrik in Floridsdorf. 1913 erfolgte die Fusion mit den Dreherschen und Meichl’schen Unternehmungen. Dass auch die Nussdorfer, Ottakringer, Hütteldorfer, Liesinger, Jedleseer und Wiener Neudorfer Brauherren sich zu den führenden Familien rechnen konnten, muss erwähnt werden. Gustav Springer machte seine riesigen Gewinne – er war der viertreichste Wiener – mit Spiritus und Hefe. Er verpflanzte das Mautnersche Verfahren auch nach Frankreich. August Lederer (Jungbunzlauer Spiritusraffinerie), der in den 1920er Jahren hinter Rothschild als reichster Mann in Österreich galt und die größte private Klimt-Sammlung besaß, findet man 1910 an 734. Stelle mit 114.405 Kronen.152
Die zweite Lebensmittelbranche, wo in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts große Vermögen geschaffen wurden, war die Zuckerindustrie. Diese befand sich vor dem Ersten Weltkrieg auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Josef Redlichs Vater, der seine Gewinne aus der Bauwirtschaft auch in eine Zuckerfabrik investiert hatte, sagte zu seinem als Jurist, Historiker und Politiker berühmt gewordenen Sohn: „Du weißt doch, die Zuckerfabrikanten in Böhmen und Mähren kommen sich als sehr große Herren vor.“153 Der Zuckerkonsum der Habsburgermonarchie hatte sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts pro Kopf der Bevölkerung verzehnfacht, von weniger als 2 kg pro Kopf auf etwa 20 kg. Gleichzeitig war die Habsburgermonarchie im Zeichen der Zuckerrübe vom Zuckerimporteur zu einem der größten Exporteure geworden. Auch hier sind es große Namen, die in der österreichischen Kulturgeschichte eine bedeutsame Rolle spielen. Die Zuckerbarone galten als Creme de la Creme der Industrie: die Benies, Bloch-Bauer, Hatvany-Deutsch, Redlich, Schoeller, Skene, Strakosch, Stummer. Die Bloch waren einer der größten Zuckerfabrikanten Böhmens. David Blochs Sohn Ferdinand Bloch-Bauer war in der Zwischenkriegszeit einer der wichtigsten Industriellen Österreichs (Chropiner Zuckerfabriks AG und Österreichische Zuckerindustrie AG, dazu die böhmischen Zuckerfabriken Libau, Elbekosteletz und Auschitz, ferner umfangreicher Großgrund- und Hausbesitz und Kunstsammlungen). Mit den Klimt-Bildnissen der Adele Bloch-Bauer sind sie bis heute weltberühmt. Auch die Hatvany-Deutsch hat der Zucker reich gemacht. Ihr Vermögen und ihre Kunstschätze sind in alle Winde zerstreut. Nicht anders erging es den Benies. Auch die Schoeller sind längst aus der Zuckererzeugung ausgestiegen. Am Höhepunkt ihres Zuckerengagements erzeugten sie ein Prozent der Weltzuckerproduktion. Nur mehr die Strakosch sind mit einem bescheidenen Anteil am österreichischen Zuckergeschäft beteiligt.
Zuckerwerk und Schokolade waren die Verlockungen der Hochindustrialisierung. Niemand durfte damals auf diese kleinen Mitbringsel vergessen, mit denen man nicht nur bei Kindern viel Freude bereiten konnte. Um 1900 konnte man mit Schokolade und Zuckerwerk schnell reich werden: Schmidt, Heller, Manner, Brünauer sind große Marken und bekannte Namen geblieben. Josef Manner erfand die berühmte Schnitte mit der klassischen Haselnussfülle. Mehr als ein Jahrhundert unverändert, im unverkennbaren Zuckerlrosa und mit dem Stephansturm als Markenzeichen, sind sie und das Unternehmen – bis heute im Besitz der Gründerfamilien – zu einem österreichischen Symbol geworden. Josef Manner, der Sohn eines Wiener Fleischhauergesellen, der in Hernals eine kleine Gastwirtschaft betrieb, hatte 1889 im Alter von 24 Jahren nach einer Kaufmannslehre im oberösterreichischen Perg ein Schokoladen- und Kaffeegeschäft am Wiener Stephansplatz eröffnet. Ein Jahr später beschloss er, weil er die von ihm verkaufte Schokolade „nicht zum Essen“ fand, selbst in die Produktion einzusteigen und gründete die „Chocoladenfabrik Josef Manner“, die er in seinem Elternhaus im 17. Wiener Gemeindebezirk unterbrachte. 1893 nahm er seinen Mitarbeiter Alfred Teller mit 50 Prozent in das Unternehmen auf. Teller verkaufte seinen Anteil 1900 an seinen Schwager Johann Riedl. Die Entstehungsgeschichte der Firma „Chocolade Manner Wien“ lässt sich in drei prägnante Abschnitte gliedern. Von 1890 bis 1896 wurde rein handwerksmäßig produziert, mit wenigen und nur von Hand betriebenen Maschinen. Zwischen 1896 und 1904 wandelte sich der handwerkliche Betrieb zur Fabrik, von 1904 bis 1913 in mehreren Bauphasen zum Großbetrieb. Aus der in einem Wohnhaus in Hernals mit reiner Handarbeit begonnenen Fabrikation war innerhalb von 20 Jahren ein riesiger Baukomplex geworden, an dessen Dimensionen die majestätischen Fensterfronten mit ihren mehr als 2.000 Fensteröffnungen keinen Zweifel ließen. Der Umsatz war von 98.000 Kronen im Jahr 1892 auf etwa 16 Mio. Kronen im Jahr 1913 angewachsen, der Personalstand auf mehr als 3.000. 1913 wurde das Unternehmen in eine AG umgewandelt. Die Anteile hielten je zu einem Drittel Josef Manner, Johann Riedl und die Anglobank. Diese wurde aber nach und nach von den beiden Familien ausgekauft. Die AG blieb bis heute im Besitz der beiden Familien.
Der Erfinder der „Manner-Schnitten“: Josef Manner.
Die Brüder Gustav und Wilhelm Heller, heute vor allem durch ihren Enkel André Heller bekannt, begannen 1891 in einem gemieteten Lokal im Souterrain des Wiener Beatrixbades mit der Produktion von Seidenbonbons. 1899 brachte Heller die sogenannten „Wiener Zuckerl“ auf den Markt, gewickelte Karamellen mit Fruchtgeschmack, sehr bald darauf auch die Likörbonbons mit flüssiger Füllung, die in Stanniol verpackt waren. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sollen im Unternehmen 1400 Personen beschäftigt gewesen sein.
Die älteste und größte Schokoladenfabrik Österreichs war allerdings von Victor Anton Schmidt begründet worden: 1826 in Stegersbach im heutigen Burgenland als Sohn eines Zöllners an der damaligen Zwischenzolllinie zwischen Ungarn und Österreich geboren, erlernte er in Pressburg den Konditorberuf, machte sich mit zwanzig Jahren selbständig und begann mit einer eigenen Erzeugung von Konditorwaren. Von Pressburg ging er nach Budapest und Ende der 1850er Jahre nach Wien. 1858 meldete er das Gewerbe der Schokoladenfabrikation an. In der Wirtschaftskrise der frühen 1860er Jahre kam das rasch gewachsene Unternehmen zwar in schwere Turbulenzen und ein Konkurs konnte nur knapp abgewendet werden. Doch dann kamen die Gründerjahre und das Unternehmen war bald eine internationale Größe. Erzeugt wurden nicht nur Tafelschokolade und Bonbons, sondern auch Feigenkaffee, Marmeladen und Teigwaren. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Victor Schmidt & Söhne zur führenden Schokolade-, Zuckerwaren- und Backwarenfabrik in Österreich-Ungarn aufgestiegen.
Die Industrialisierung erfasste auch das Bäckergewerbe. 1891 gründeten die Brüder Heinrich und Fritz Mendl auf dem Laaer Berg im Wiener Stadtteil Favoriten eine Brot- und Gebäckfabrik. Beide hatten sie keinerlei Erfahrung in der Bäckereibranche. Heinrich Mendl hatte vorher mit Spirituosen, Tee und anderen Getränken gehandelt. Er galt als guter Rechner. Fritz Mendl war Reserveoffizier. Er war die eigentlich treibende Kraft, ein Energiebündel. Die Brüder konzentrierten sich auf eine einzige Brotsorte, die fabriksmäßig in Fließarbeit hergestellt wurde. Der zweite Erfolgsfaktor war das Vertriebssystem von einem sogenannten „Brotbahnhof“ aus. Der Standort oben auf dem Laaer Berg war gut gewählt, um den mit Brot schwer beladenen Pferdefuhrwerken die Auslieferung leichter zu machen. Zum Markenzeichen wurde der Anker als Zeichen für Sicherheit und Vertrauen. Bis 1914 wuchs das Unternehmen auf eine Größe von 1.300 Mitarbeitern. Mit etwa 250 Pferdegespannen wurden täglich an die 150 Tonnen Backwaren ausgeliefert.154 Das System wurde rasch kopiert, z. B. von Moriz Hafner, der um 1895 die Wiener Kronenbrot-Werke als kleine Schwarz- und Weißbäckerei gegründet hatte und 1910 ebenfalls bereits Millionär war. Diesem Druck der „Brotkapitalisten“ vermochten die Konsumgenossenschaften mit „Hammerbrot“ ein nur kurzfristig erfolgreiches Gegenkonzept entgegenzusetzen.
Die Industrialisierung brachte auch die Ersatz- und Convenienceprodukte: Malzkaffee, Margarine, künstliche Süßstoffe, Suppenwürfel und Konserven. Jakob Hauser gründete 1884 zusammen mit Moritz Sobotka in Wien-Stadlau eine Malzfabrik, die 1885 in Erste Wiener Export Malzfabrik Hauser & Sobotka umbenannt wurde. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde daraus eine der größten Malzfabriken Europas. 1892 wurde mit der Erzeugung von Malzkaffee begonnen, 1901 mit Backmalzextrakt. Das Unternehmen expandierte noch vor 1914 in viele Staaten, nach Deutschland, England, USA, Italien und Frankreich. 1903 wurde die Firma Hoff erworben, die mit Hoffs Malzextrakt in die Weltliteratur eingegangen ist.155 1916 wurde mit einer 50%igen Beteiligung die Firma Dr. Wander GmbH Wien gegründet und die inzwischen weltweit bekannt gewordene Marke „Ovomaltine“ geschaffen. Die Beteiligungen umfassten bald auch die Schokoladefabrik J. Brünauer & Co., deren Erben sich den schönen Künsten zuwendeten.156
Margarine war ein neues Produkt, das den Fettbedarf abdecken helfen sollte. Der aus Wels gebürtige Karl Blaimschein begann seine Tätigkeit als Wiener Repräsentant seines Stiefvaters Ludwig Hinterschweiger, der 1876 als einer der Ersten in Österreich in leer stehenden Räumen der Welser Burg mit der Produktion von Margarine begonnen hatte, die er aus Butterlieferungen nach Holland kennen gelernt hatte. Blaimschein machte sich in Wien selbständig, kaufte 1889 die Fettschmelze des Julius Granichstädten und eröffnete 1891 auf diesem Gelände die Carl Blaimschein‘sche Butter- und Speisefettwarenfabrik. 1900 entstanden daraus die Vereinigten Margarine- und Butterfabriken Blaimschein, Khuner, Moll & Julius Granichstädten, die nach dem Ersten Weltkrieg in der Unilever aufgingen.
Was auch neu war, waren Konservenfabriken. Hugo Anbelang war der Alleinbesitzer der berühmten Fischkonservenfabrik, die von seinem Onkel Carl Warhanek aufgebaut worden war. 1910 umfasste das Unternehmen 17 Fabriken an der Adria und in den wichtigsten Ländern der Monarchie. Zu Warhaneks Entwicklungen gehörten die Gabelroller in böhmischer, süßsaurer Marinade und die „Russen“, eingelegte Sardinen, die in großen Buchenfässern in den Handel kamen. Das Unternehmen war vor 1914 in der Habsburgermonarchie faktisch konkurrenzlos. Der Erste Weltkrieg, der den österreichischen Meeresfischfang fast ganz zum Erliegen brachte, traf das Unternehmen schwer. In der Zwischenkriegszeit brach der österreichische Fischverbrauch völlig ein.
Ignaz Eisler war der Gründer der k. u. k. Militär-Conservenfabrik in Inzersdorf. Es wurden Fleisch-, Gemüse- und Suppenkonserven hergestellt. Für den Mobilisierungsfall standen Einrichtungen für die tägliche Verarbeitung von 500 Mastochsen zu Fleisch-Konserven in Blechbüchsen bereit. Für den geringfügigen Friedensbedarf stand die Fabrik nur wenige Wochen im Jahr im Betrieb. Es wurde Reise-, Jagd-, Touristen- und Schiffsproviant erzeugt. Für den alltäglichen Haushaltsbedarf war das noch nicht gedacht. Als Militärkonservenfabrikant, in diesem Fall in Bruck an der Leitha, war auch Karl Littmann reich geworden. Interessant ist er, weil er auch der Besitzer des Hauses Berggasse 19 und damit Eigentümer der Wohnung von Sigmund Freud war.