Читать книгу Traumzeit für Millionäre - Roman Sandgruber - Страница 27
Rüsten für den Krieg
ОглавлениеDas Wettrüsten, das im beginnenden 20. Jahrhundert einsetzte, wenn auch in Österreich in geringerem Umfang als bei den übrigen europäischen Mächten, bescherte den Industriellen naturgemäß fette Gewinne, nicht nur den Waffenerzeugern und Munitionsfabrikanten, sondern auch den sonstigen Heeresausrüstern.173 Karl Škoda lenkte den von seinem Vater Emil aufgebauten Konzern immer mehr ins Rüstungsgeschäft. Er war nach Wien übersiedelt, um die Kooperation zwischen Pilsen und Wiener Neustadt zu einem umfassenden Rüstungskonzern voranzutreiben. Er baute die Škoda-Werke zur Waffenfabrik aus, fädelte eine enge Zusammenarbeit mit Austro-Daimler ein und zählt auch zu den Gründern der Oesterreichischen Flugzeugfabrik AG in Wiener Neustadt. Das spektakulärste Produkt waren die 30,5 cm großen Mörser mit den mit Radnabenmotoren angetriebenen Zugmaschinen. Nach Ende des Krieges wurde das Unternehmen in tschechisch-französischen Besitz übergeführt (Schneider-Creusot). Škoda übersiedelte ganz nach Österreich und widmete sich seinem Großgrundbesitz.174 Wie Škoda in Pilsen mit Geschützen wurde Werndl in Steyr mit Gewehren reich. Die beiden Werndl-Töchter konnten aus den Erträgen der Gewehrfabrik, die ihr Vater aufgebaut hatte, mit ihren adeligen Ehepartnern ein unbesorgtes, arbeitsfreies Einkommen genießen.
Zwischen Wien und Wiener Neustadt entwickelten sich die Zentren der österreichischen Munitionserzeugung. Viktor Alder erzeugte Granatenzünder und gilt als Erfinder der Leuchtspurmunition. Begonnen hatte sein Vater mit der Herstellung von Fliegenpapier (des sogenannten Fliegenfängers oder Insektenstreifens). Späteres Herzstück der Erzeugung von Alder waren aber die Schießbaumwolle und die Zündkapsel-Herstellung für die Hinterlader.175 Die Brüder Roth (im Wiener Slang die „Kapselroth“) waren Munitionsfabrikanten, ähnlich wie Mandl und Keller in Hirtenberg und Enzesfeld. Die Roth AG leitete für das von Hans Ritter v. Dahmen auf der Basis von Ammoniumnitrat und Aluminium erfundene Ammonal ab 1909 im Pulverwerk Felixdorf die Großproduktion in die Wege und entwickelte daraus im Ersten Weltkrieg das Toluol-Ammonal.
Aber nicht nur die Waffenproduzenten, sondern auch jene, die für die sonstige Ausrüstung verantwortlich waren, konnten sich großer Aufträge erfreuen, die Erzeuger von Uniformen, Schuhen, Menageschalen, Feldschmieden und Feldküchen, Riemen und Pferdegeschirr. Karl Franz Schaller war Blasbalg-, Feldschmiede- und Werkzeugfabrikant. 1857 hatte Josef Schaller ein Fabriksprivileg für eine von ihm erfundene transportable Feldschmiede erhalten. 1907 lieferte die Firma die Packsättel für MG-Tragtiere. Diese Schmieden und Sättel wurden von 27 Auslandsstaaten übernommen. Budischowsky lieferte die Schuhe. Wilhelm Beck war mit Uniformen reich geworden. Die farbenfrohen Uniformen prägten nicht nur das Militär. Auch jeder Beamte musste seine Beamtenuniform haben, ebenso wie jeder Briefträger, Schaffner oder Lakai. Auch die Kutscher, Chauffeure, Portiere und Hausknechte wurden in Uniformen gesteckt. Wilhelm Beck, der 1849 in der Langen Gasse im 8. Wiener Bezirk mit dem Verkauf von Herren- und Knabenkleidung aus eigener Erzeugung begonnen hatte, hatte mit dem Einstieg ins Uniformgeschäft die richtige Entscheidung getroffen. Mit der Uniformpflicht für Staatsbeamte war plötzlich ein hoher Bedarf entstanden. Am Stephansplatz im neuerbauten Palais Equitable hatte man einen entsprechend noblen Standort gefunden. Das Geschäft war für seine repräsentative Eleganz und Ausstattung bekannt und zählte bald zu den Sehenswürdigkeiten Wiens. Die Firma war eine der bedeutendsten ihrer Branche in ganz Österreich-Ungarn. Um 1900 beschäftigte sie circa 60 Beamte und 5.000 - 6.000 Mitarbeiter und fing an, Geschäftsbeziehungen ins Ausland aufzubauen. Vertretungen gab es in Belgrad, Sofia und Konstantinopel, eigene Filialen in Lemberg, Czernowitz, Pressburg, Josefstadt und Innsbruck. Mit dem Kriegsende und dem Zusammenbruch der Monarchie kamen schwere Zeiten für das Unternehmen. Die Abschaffung der Uniformpflicht für einen großen Teil der Beamten brachte das endgültige Ende.
Qualitätsnachweis als öffentliches Spektakel: Ein Safe von Franz Wertheim besteht 1857 in Istanbul die Feuerprobe. Gemälde von unbekannter Hand.