Читать книгу Seewölfe Paket 22 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 16

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Ein milchig-blasser Mond erhellte um zwei Uhr am Morgen des 24. August 1594 matt die Insel- und Wasserwelt der Bahamas. Nur eine flache Dünung kräuselte die See. Der Wind wehte handig aus Südwesten und verursachte ein feines Säuseln in den Wipfeln der Palmen und Mangroven. Zikaden zirpten im Dickicht des Eilandes, in dessen Südbucht die „Isabella IX.“ und die „Caribian Queen“ ankerten. Hin und wieder war das monotone Quaken der Frösche zu vernehmen.

Das waren um diese Zeit die einzigen Geräusche, sonst herrschte Grabesruhe an Bord der beiden Schiffe, die durch die lange Wartezeit bedingt war. Der Kutscher hatte den Seewolf operiert und ihm die Kugel aus dem Rücken geholt, die ihm Sir Andrew Clifford heimtückisch verpaßt hatte. Jetzt konnten die Crews der Galeone und des Zweideckers nur abwarten und hoffen, daß sich alles wieder zum Besten wendete.

Hasard lag in der Krankenkammer des Vorschiffs der „Isabella“ – mit hohem Fieber, über dessen Ausgang sich niemand im klaren war, auch der Kutscher und Mac Pellew nicht.

Der Kutscher hatte an Bord der „Isabella“ gewissermaßen das Regiment übernommen und klipp und klar erklärt, wenn auf dem Schiff keine Ruhe gehalten werde, könne er für nichts garantieren. Und doch hatte es eine jähe Unterbrechung und Störung gegeben: durch wildes Musketengeknatter. Eine Jolle, voll besetzt mit wilden Kerlen, hatte sich in die Bucht geschlichen. Sie hatten die Männer der „Isabella“ überrumpeln wollen. Daraufhin hatten die Arwenacks das Feuer auf sie eröffnet und sie in die Flucht geschlagen.

Doch wie nahm der Seewolf diesen Versuch eines Überfalles auf? Hatte er etwas davon bemerkt – oder nahm er Geräusche zur Zeit kaum noch wahr? Nicht einmal der Kutscher wußte darauf eine Antwort zu geben. Alles war dem Zufall überlassen – und dem Schicksal. Wenn Hasard großes Glück hatte, überlebte er die Folgen des Eingriffs. Hatte er Pech, starb er. Sein Leben hing an dem sprichwörtlichen seidenen Faden, der zur Zeit erschreckend dünn war und jeden Augenblick reißen konnte.

Noch während der Fahrt von den Grand Cays zu den Pensacola Cays hatte der Kutscher am 22. August das unmögliche gewagt. Er hatte die Pistolenkugel, die in den Rücken des Seewolfes eingedrungen und dicht vor dem Herzen steckengeblieben war, mit Unterstützung von Mac Pellew und den Zwillingen herausgeholt.

Unter der Hand war ihm Hasard also nicht gestorben, wie er befürchtet hatte. Aber über den Berg war er noch lange nicht, denn seit dem Vormittag hatte das Fieber eingesetzt, und sie hatten ihn anschnallen müssen. Zwar war er noch bewußtlos, aber er bewegte sich hin und her und war unruhig. Sein Gesicht war fahl und schweißüberströmt.

Immer wieder legten ihm die Zwillinge nasse Leinen zur Kühlung über die Stirn. Mit Mac Pellews Hilfe hatte ihm der Kutscher einen Sud eingeflößt, der das Fieber herabmindern und die Abwehrkräfte des Körpers gegen eine Blutvergiftung mobilisieren oder stärken sollte.

Genau das war es, was der Kutscher insgeheim befürchtete. Aus diesem Grund wachten sie alle vier bei Hasard. Die Männer auf den Decks der „Isabella“ bewegten sich auf den Zehenspitzen und verständigten sich in der Zeichensprache miteinander. Sie konnten nichts, absolut gar nichts tun – nur warten und hoffen und beten oder die Hände zu Fäusten ballen. Diese Situation ging ihnen erheblich ans Gemüt, denn sie stellte eine Geduldsprobe ersten Ranges dar, weil die Männer zur völligen Untätigkeit verdammt waren.

Aber nach Mitternacht hatte es dann eine völlig unerwartete, nicht herbeigesehnte Abwechslung gegeben, eine Überraschung übelster Art. Plymmie, die Wolfshündin, hatte als erste etwas davon gespürt – und dann hatte Smoky von der Back aus die heransegelnde Jolle erspäht. Ein leiser Zuruf voraus zur Landzunge hatte genügt, und die dort postierten Wächter aus der Mannschaft Siri-Tongs waren alarmiert. Kurze Zeit darauf waren auch alle Arwenacks an Deck der „Isabella“ gewesen und hatten sich mit schußbereiten Musketen und Tromblons hinter das Schanzkleid gekauert. Auch auf der „Caribian Queen“ hatten sich die Männer in Deckung gehockt.

Als die fremde Jolle auf den Zugang der Bucht zusegelte, brüllte einer der Posten auf der Landzunge: „Halt? Wer da?“

Das Gefluche, das daraufhin in der Jolle einsetzte, war eindeutig. Außerdem schien es sich dem Klang der Stimmen nach um die Kerle der „Lady Anne“ zu handeln, also die Besatzung von Sir John Killigrew.

Sofort eröffneten die Männer der „Isabella“ das Feuer, und sie erzielten auch Treffer. Deutlich war zu sehen, wie von der Jolle zwei Gestalten ins Wasser kippten. Daraufhin drehte die Jolle ab und ergriff die Flucht. Ein paar Schüsse pfiffen noch hinter ihr her, dann trat wieder Stille ein.

Die Rote Korsarin hatte ein Boot abfieren lassen. Juan und Mike Kaibuk, die beiden Bootsgasten, versuchten, die beiden im Wasser der Bucht schwimmenden Toten zu bergen, doch einer war bereits untergegangen. Daß es sich um Sir Robert Monk handelte, hatte keiner von ihnen bemerkt. Der andere hingegen, ein bulliger Kerl, trieb noch in den Fluten. Ihm näherten sich Juan und Mike mit wenigen Riemenschlägen, dann beugte sich Juan aus dem Boot und drehte den mit dem Gesicht und Bauch nach unten Liegenden auf den Rücken.

„Sieh ihn dir an“, murmelte er. „Wirkt er nicht wie ein großer, primitiver Affe?“

„Genau das“, erwiderte Mike. „Und weißt du, um wen es sich bei dem Kerl handelt?“

„Ich glaube, das könnte der Profos von diesem Drecksack Clifford sein. Oder täusche ich mich?“

„Meiner Meinung nach nicht.“

„Was machen wir mit ihm?“

„Fragen wir Siri-Tong“, erwiderte Mike.

Juan ließ den toten Profos – daß sein Name Joe Doherty gelautet hatte, wußten sie nicht – wieder los, die Leiche trieb ein Stück von der Jolle weg. Juan griff nach dem Riemen, sie pullten wieder an und kehrten zur „Caribian Queen“ zurück.

Die Rote Korsarin verzog keine Miene, als sie ihre Meldung vernahm.

„Ich verstehe“, sagte sie nur. „Also, überlassen wir den Hundesohn den Haien. Er hat es nicht anders verdient. Besser wäre gewesen, wenn die Grauen ihn bei lebendigem Leib vertilgt hätten.“

Das klang sehr grausam, aber auch die Männer der „Isabella“ teilten ihre Ansicht, als sie hörten, um wen es sich bei dem Toten handelte.

„Der Hund“, sagte Roger Brighton. „Ein Leuteschinder und Sadist. Gut, daß er abgekratzt ist. Wieder einer weniger von diesem Lumpengesindel.“

Sein Bruder stand mit verkniffener, finsterer Miene bei ihm. Um sie herum hatten sich auf dem Hauptdeck die anderen geschart – Shane, Ferris, Smoky und die ganze Crew bis auf den Kutscher, Mac und die Zwillinge, die auch während der kurzen Knallerei nicht von Hasards Lager gewichen waren.

„Eins ist sicher“, sagte Ben. „Wenn Hasard durch den Überfall gelitten hat oder es noch schlimmer kommt, segeln wir zu der Insel der Grand Cays zurück und rechnen endgültig mit den Kerlen ab. Ihr habt ja auch alle sehr genau erkannt, wer in der verdammten Jolle saß, nicht wahr?“

„Ja“, erwiderte Big Old Shane mit grollender, nur mühsam gedämpfter Stimme. „Stewart und fünfzehn, sechzehn Kerle von der ‚Lady Anne‘. Ganz klar. Schade, daß wir sie nicht alle in die Hölle befördern konnten.“

„Sie hätten nur ein bißchen näher ranzukommen brauchen“, sagte Dan verhalten. „Aber sie hatten nur Blankwaffen.“

„Keine Schußwaffen“, murmelte Matt Davies.

„Oder keine Munition dafür“, meinte Smoky.

„Egal“, sagte Ben. „Tatsache ist, daß ihnen ihr Angriff mißlungen ist. Was haben sie sich denn eingebildet? Daß sie uns einfach überrumpeln können?“

„So haben sie sich das wohl vorgestellt“, brummte Ferris Tucker. „Wahnsinn. Aber sie dachten Wohl, wir sind durch Hasard abgelenkt und merken nichts, wenn sie sich anpirschen und längsseits gehen.“

„Von wegen“, sagte Stenmark mit grimmiger Miene.

Dan schickte einen Blick zur „Caribian Queen“ hinüber. „Achtung-, da kommt Siri-Tong.“

Die Rote Korsarin ließ sich von Juan und Mike zur „Isabella“ übersetzen und enterte an der Jakobsleiter auf. Kaum war sie bei den Arwenacks eingetroffen, fragte sie: „Wie geht es Hasard?“

„Er hat nach wie vor hohes Fieber“, entgegnete Ben.

„Aber irgendwann muß der Sud wirken.“

„Das hoffen wir alle.“

„Stewart, dieser Bastard!“ zischte sie. „Ich habe es gewußt, daß man ihm nicht trauen kann. Dieser Hund! Wenn Hasard stirbt, töte ich den Kerl eigenhändig, das schwöre ich.“

Keiner zweifelte daran, daß sie ihre Drohung wahrmachen würde. Der Haß steckte in ihnen allen, sie warteten nur darauf, etwas unternehmen zu können. Doch vorerst waren sie zum Warten verdammt, zum Warten und Hoffen, zum stillen Fluchen und Beten.

„In der Jolle hat auch O’Leary, der Bootsmann vom Alten, gehockt“, brummte Carberry. „Ich habe nicht so gute Augen wie Dan, aber ich habe ihn erkannt.“

„Und die Ferkelsöhne“, sagte Dan mit wütend verzerrtem Gesicht.

„Thomas Lionel und Simon Llewellyn. Sie waren auch dabei.“

„Der Teufel soll sie holen“, murmelte Al Conroy.

„Hoffentlich tut er’s“, fügte Jeff Bowie hinzu. „Das wäre mir gerade recht.“

„Wie sie hierher gefunden haben, ist mir einigermaßen klar“, sagte die Rote Korsarin. „Nachdem wir die beiden Kriegsgaleonen versenkt hatten, retteten sich alle an Land und teilten sich dort in zwei oder sogar drei Gruppen mit unterschiedlichen Ansichten und Zielen auf. Daß sich Stewart auf die Seite der Killigrew-Mannschaft schlagen würde, leuchtet mir ein. Stewart und O’Leary wollen ihr eigenes Süppchen kochen.“

„Unklar ist aber, was ihr Angriff bezwecken sollte“, sagte Ben. „Wollten sie nun den Alten oder Sir Henry befreien?“

Diese Frage hing unbeantwortet in der Luft. Sir John Killigrew befand sich als Gefangener in der Vorpiek der „Isabella“, Sir Henry, der Duke of Battingham, war an Bord der „Caribian Queen“, wo er vor Angst fast verging und ihm die Knie schlotterten, wenn er Barba nur tief durchatmen hörte.

Mit einem Trick hatte Siri-Tong selbst die wüste Crew der „Lady Anne“ angelockt, indem sie sich als „Sirene“ in dem Lagunensee der Grand-Cay-Insel den Kerlen dargeboten hatte. So waren die Halunken in die Falle gegangen, und die Seewölfe und die Männer der „Caribian Queen“ hatten sie „vereinnahmt“. Dann aber hatte Hasard die zwar verständliche, aber im Endeffekt doch fatale Idee gehabt, sich aus Gründen der Ehre mit Sir Andrew Clifford, Earl of Cumberland, und Sir John Killigrew zu duellieren – am Strand der Inselbucht.

Clifford hatte genau solche Angst gehabt wie jetzt Sir Henry. Schließlich gehörten sie ja auch beide der blaublütigen Clique an, die das Unternehmen in die Karibik organisiert hatte. Clifford war ein Menschenschinder, aber mit dem eigenen drohenden Tod vor Augen hatte ihn die Panik gepackt. Zuerst hatte er sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, zu kämpfen. Dann hatte er sich – feige und hinterhältig – nach wenigen Schritten viel zu früh umgedreht und die ihm ausgehändigte Pistole auf den Rücken des Seewolfes abgefeuert.

Batuti hatte Cliffords Leben mit einem Pfeil ein Ende gesetzt. Aber damit war die Sache längst nicht bereinigt. Hasards Leben stand auf der Kippe. Und sie hatten immer noch Sir John Killigrew am Hals – und den kreischenden, zitternden Sir Henry, den Barba nach dem Gefecht der „Caribian Queen“ gegen die „Orion“ und die „Dragon“ von der gesunkenen „Dragon“ durch einen simplen Trick abgeborgen hatte. Wie sich nun herausgestellt hatte, waren auch die Überlebenden der Schiffe immer noch eine große Gefahr. Besonders Stewart und O’Leary konnten noch viel Unheil anrichten.

„Ich weiß es nicht“, entgegnete die Rote Korsarin auf Bens Frage. „Aber es gibt auch noch eine andere Möglichkeit. Vielleicht haben die Kerle den Wahnsinnsplan verfolgt, Hasard zur Strecke zu bringen.“

„Klar, kann schon sein“, sagte Dan. „Sie wollten also entern und wahrscheinlich die Kapitänskammer der ‚Isa‘ stürmen. Verrückt, ohne Schußwaffen oder entsprechende Munition.“

„Das finde ich auch“, stimmte Carberry ihm zu.

„Nicht so laut, Ed“, sagte Ben.

„Ich flüstere ja auch nur“, brummte der Profos. „Ich möchte wissen, warum dieser idiotische Angriff nur von einer Jolle unternommen wurde, noch dazu nur von den Kerlen der ‚Lady Anne‘.“

„Wegen der Aufsplitterung in Gruppen“, sagte Siri-Tong. „Die Schiffbrüchigen haben sich gegenseitig in die Wolle gekriegt.“

„Das ist auch nur eine Vermutung“, sagte Carberry. „Vielleicht halten sich in der Umgebung noch mehr Jollen auf. Das meine ich.“

„Sie umzingeln uns und kochen uns langsam weich“, sagte Gary Andrews. „Sie landen von der anderen Seite auf der Insel und pirschen sich heimlich an. Unsere Posten müssen auf der Hut sein.“

„Das sind sie auch“, sagte die Rote Korsarin. „Und noch etwas. Glaubt ihr vielleicht, mich können diese Kerle einschüchtern?“

„Wir sind ganz schön dumm, wenn wir uns von den paar Lauseaffen beeindrucken lassen“, sagte der Profos. „Hölle, denen haue ich doch notfalls ganz allein die Affenärsche weich. Was ist eigentlich los mit uns?“

Sie blickten sich untereinander an. Ja – Hasards Zustand und die ganz prekäre Lage setzten ihnen erheblich zu. Sie waren nervös und ziemlich gereizt. Wie lange sie diese Situation, die keine Veränderung brachte und sich über einen großen Zeitraum ausdehnen konnte, noch hinnehmen würden, konnte keiner von ihnen sagen.

„Die Sache ist so, daß Hasard auf keinen Fall durch Lärm gestört werden darf“, sagte Ben. „Es darf keine weiteren Angriffe geben. Nur wissen unsere Gegner jetzt, wo wir ankern. Das ist schlecht für uns.“

„Sie müssen die ‚Caribian Queen‘ gestern gesehen haben“, sagte Siri-Tong. „Vielleicht haben sie uns von irgendeiner Nachbarinsel aus beobachtet. Aber das konnten wir nicht ahnen.“

„Es war reiner Zufall“, sagte Carberry.

„Und dir macht keiner einen Vorwurf“, fügte Ben zu Siri-Tong gewandt hinzu. „Es geht jetzt darum, daß wir uns gegen weitere Überfälle schützen müssen. Es darf kein einziger Schuß mehr fallen.“

Die Ungewißheit, die an ihnen nagte, war darauf zurückzuführen, daß sie die genauen Verhältnisse auf der Grand-Cay-Insel nicht kannten. Sie waren auf Vermutungen angewiesen, die sich wiederum in erster Linie aus dem ergaben, was Siri-Tong über den Zustand im feindlichen Lager zu berichten wußte.

Weder die Männer der „Isabella“ noch Siri-Tong und ihre Mannen ahnten jedoch, daß sich Kapitän Charles Stewart, der Kommandant der versenkten Kriegsgaleone „Dragon“, Sir Robert Monk, der in dieser Nacht sein verdientes Ende gefunden hatte, Joe Doherty, der persönliche Profos des verblichenen Sir Andrew Clifford, sowie die sechzehn Kerle der „Lady Anne“ mehr oder weniger gewaltsam von den anderen getrennt hatten, wobei es zu einem heftigen Handgemenge und Steinwürfen gekommen war.

Stewart und O’Leary, der Bootsmann des alten Killigrew, sowie die Meute hatten ursprünglich vorgehabt, nach der „Lady Anne“ und ihrer Goldladung zu suchen, auf die sie geradezu versessen waren.

Daß sie dabei die „Caribian Queen“ gesichtet hatten, die in der Südbucht der östlichsten Insel der Pensacola Cays einlief, war tatsächlich ein reiner Zufall. Daraufhin hatte Stewart gemeinsam mit Monk und O’Leary beschlossen, in der Nacht die „Isabella“ zu entern und sofort in die Kapitänskammer einzudringen, wo der angeschossene „Bastard“ Killigrew ihrer Meinung nach liegen mußte. Hatten sie Hasard erst in der Gewalt, so hatten sie sich das ausgemalt, war alles andere nur noch ein Kinderspiel.

Sie hatten sich gründlich verrechnet. Doch Hasards Crew und die Rote Korsarin und ihre Mannschaft konnten nur herumrätseln. Wie sollten sie sich jetzt verhalten?

„Es ist völlig gleichgültig, welche Gründe für diesen Angriff maßgebend waren“, sagte Siri-Tong schließlich. „Ich bin entschlossen, dem Spuk ein Ende zu bereiten.“

„Wie?“ fragte Ben Brighton.

„Ich werde noch einmal zu der Insel der Grand Cays zurückkehren.“

„Das kommt gar nicht in Frage“, empörte sich der Profos. „Vielleicht warten sie nur darauf, weil sie inzwischen einen entsprechenden Hinterhalt gelegt haben.“

„Merkst du nicht, daß du nur Unsinn redest?“ fuhr sie ihn an. „Es muß auf jeden Fall verhindert werden, daß die Hunde einen solchen Angriff noch einmal unternehmen.“

Carberry schob das Kinn vor und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Paß bloß auf, daß du dir kein nasses Grab holst. Du hast schon genug unternommen, jetzt sind wir mal dran.“

Fast hätte sie freudlos aufgelacht. „Und wie stellst du dir das vor?“

„Hasard müßte auf die ‚Caribian Queen‘, dann könnten wir auslaufen“, sagte der Profos. „Mir juckt es in den Fingern.“

„Und an deinen Kapitän denkst du nicht, was?“ Der Kutscher war näher getreten. „Einen solchen Transport würde er kaum überleben, das sagt jedem vernünftigen Menschen der logische Verstand.“

Carberry schnaufte wie ein wütender Stier. „Ich bin aber kein vernünftiger Mensch, und deinen Logik-Kram kannst du dir sonstwohin stecken. Ich will mir diesen Stewart-Hurensohn und die O’Leary-Ratte vornehmen, kapiert? Und das wegen Hasard. Klar?“

„Das verstehe ich schon“, sagte Ben einlenkend. „Aber leider geht es so nicht, wie du dir das vorstellst, Ed. Siri-Tong hat meiner Ansicht nach völlig recht mit ihrem Plan, noch einmal zu der Insel zu segeln.“

„Ja“, sagte sie. „Dort hocken ja schließlich noch die Mannschaften der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ am Ufer der Bucht, und sie haben immerhin noch einige Jollen, mit denen sie weiteres Unheil stiften können, solange die ‚Isabella‘ hier in der Bucht festgenagelt ist. Deine Einsatzbereitschaft in Ehren, Ed, aber es muß auch dir in den Kopf gehen, daß wir handeln müssen, nicht ihr.“

„Meinetwegen“, brummte Carberry. „Hölle, ich kapier’s ja auch, aber es ist großer Mist, daß uns so die Hände gebunden sind.“

„Hasard braucht Ruhe, Ruhe und noch einmal Ruhe“, erklärte der Kutscher erneut. „Daran wird sich auch in den nächsten Stunden nichts ändern. Wir sind zur Tatenlosigkeit verdammt und können nichts unternehmen.“

Die Augenbrauen von Siri-Tong hatten sich ärgerlich zusammengezogen. „Eigentlich habe ich selbst schuld, daß die Stewart-Bande uns hier aufgespürt hat. Ich habe den Männern der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ ja den Rat gegeben, sich nach einer größeren Insel umzuschauen – mit Hilfe der Jollen. Das war ein Fehler von mir.“

„Nein“, sagte Ben. „Es war ein faires Angebot, denn du hättest die Jollen auch in Trümmer schießen können. Aber wenn sie jetzt statt dessen meinen, sich mit uns anlegen zu können, müssen sie auch mit den Konsequenzen rechnen, die sich daraus ergeben.“

„Eben“, sagte die Rote Korsarin grimmig. „Das können sie haben.“

Auch die anderen Männer pflichteten ihr bei. Es wurden nur noch wenige Worte gewechselt, dann verließ Siri-Tong die „Isabella“ wieder und kehrte mit der Jolle zur „Caribian Queen“ zurück.

Gegen vier Uhr morgens verließ die „Caribian Queen“ die Südbucht der Insel und ging auf der Atlantikseite der Inseln auf Nordwestkurs Richtung Grand Cays. Schon bald waren ihre Umrisse in der Dunkelheit verschwunden.

Ben Brighton ließ von jetzt an verschärft Ausguck gehen. Die „Isabella“ blieb gefechtsbereit. Der Kutscher war wieder in den Krankenraum zurückgekehrt, sein Aufenthalt an Deck war nur von kurzer Dauer gewesen. Schweigend setzte er sich zu Mac Pellew und den Zwillingen, die nach wie vor am Lager des Seewolfs Wache hielten.

Hasard lag in einem unruhigen Fieberschlaf. Der Kutscher blickte Mac Pellew an und nickte ihm zu. Es war richtig, daß sie ihn angeschnallt hatten, sehr leicht hätte er sonst von seiner Koje fallen können. Sein Zustand war unverändert bedenklich, eine Besserung zeichnete sich nicht ab. Der Kutscher und Mac Pellew bewachten ihn aufmerksam. Noch verspürten sie keine Müdigkeit. Philip junior jedoch fielen im Morgengrauen die Augen zu, er schlief im Sitzen ein.

Sein Bruder wollte ihn wachrütteln, aber der Kutscher schüttelte den Kopf, stand auf und bettete den Jungen vorsichtig auf der Bank.

„Zwei Mann genügen für die Wache“, flüsterte er Hasard junior zu. „Warum legst du dich nicht auch ein bißchen hin?“

Hasard junior preßte die Lippen zu einem Strich zusammen und gab keine Antwort. Sein Blick war auf seinen Vater gerichtet. Bei der Schlacht um die Schlangen-Insel hatten sie bereits einmal geglaubt, ihn verloren zu haben, doch dann war er – völlig unerwartet – wieder aufgetaucht und hatte in das Gefecht eingegriffen. Dieses Mal aber sah es weitaus übler aus – mehr als das, was vorgenommen worden war, konnten sie für ihn nicht tun.

Seewölfe Paket 22

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