Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 10
5.
ОглавлениеGato hatte das Kommando über die Schiffe der Piraten übernommen. Vom Riff aus hatte er alles verfolgen können – die Kapitulation des Gegners, das Abrücken des kompletten Zuges von Piraten und Gefangenen und das An-Bord-Gehen der Kumpane, die im Dickicht am Fluß gewartet hatten.
Er schob sein Spektiv zusammen und steckte es weg. Die Kerle an Bord der „Isabella“ lachten und winkten ihm zu. Er zögerte nicht mehr.
„Wir verlassen das Riff und segeln in die Mündung“, sagte er.
Die Männer an Bord der „San Carmelo“ atmeten auf. Sie waren heilfroh, daß der Kampf vorbei war. Sie waren zum Umfallen müde, ihre Energiereserven waren aufgebraucht. Sie hatten lange, schlaflose Tage hinter sich. Zuletzt hatten sie in der Bucht Ponce de León gegen die Seewölfe und die Seminolen kämpfen müssen. Anschließend waren sie geflohen und hatten das Schiff nur mit Mühe vor dem Untergang bewahrt.
All das hatte an ihren Kräften gezehrt, und auch der stärkste Kerl war jetzt kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Mit Mühe setzten sie erneut die Segel und steuerten aus dem Riff heraus, während Gato und die anderen Kumpane an Bord der beiden Einmaster bereits die Hälfte der Distanz von der Korallenbarriere zur Flußmündung überbrückt hatten.
Schwerfällig legte sich die „San Carmelo“ mit Steuerbordhalsen an den Westwind und lief träge auf die Insel zu. Die Gefechte hatten ihr schwer zugesetzt, wieder hatte sich im Laderaum Leckwasser gesammelt, doch die Lenzpumpen wurden nicht mehr bedient.
Warum auch? Gato warf einen Blick zu der Galeone zurück, dann drehte er sich wieder zu seinen Leuten um und sagte: „Sobald wir den Kahn der Engländer durchsucht und festgestellt haben, daß sich keiner der Hunde mehr an Bord befindet, kann die ‚San Carmelo‘ die Insel runden und die Werft anlaufen. Bis dahin schafft sie es noch, ohne abzusaufen.“
„Aber auch nicht weiter“, sagte ein Pirat. „Wir werden sie aufslippen müssen, um sie gründlich überholen zu können.“
Gato nickte. „Aber wir können das in Ruhe erledigen, wir haben Zeit. Die Hauptsache ist, daß wir die englischen Hurensöhne endlich erledigt haben. Wie ich Mardengo und Oka Mama kenne, werden sie sie einen nach dem anderen hinrichten.“
„Auf welche Art?“ fragte ein anderer Pirat.
Gato grinste. „Das kannst du dir doch denken. Oka Mamas Erfindungsreichtum ist in der Beziehung unerschöpflich.“
Die Kerle lachten. Keiner von ihnen hatte auch nur das geringste Mitleid mit den Seewölfen. Sie gönnten ihnen, was sie nun erwartete, denn lange genug hatten sie Mardengos Bande zugesetzt und viele Männer getötet.
Die Einmaster gingen bei der „Isabella“ längsseits, die „San Carmelo“ drehte knappe zehn Yards von ihr entfernt bei und warf den Anker.
„He!“ rief Gato dem Kerl zu, den er auf dem Hauptdeck stehen sah. „Wo sind die anderen?“ Er enterte, während er sprach, an der Jakobsleiter auf.
„Sie durchsuchen das Schiff!“ entgegnete der Posten. „Ich bin hier oben allein.“
Gato lachte und kletterte über das Schanzkleid. „Das wird jetzt anders. Wir stellen eine Mannschaft zusammen, dann verholen wir mit dem Kahn in die Skull-Bucht und gehen dort vor Anker.“ Er blieb mitten auf dem Hauptdeck stehen, stemmte die Fäuste in die Seiten und ließ seinen Blick schweifen.
Ein prächtiges Schiff, das mußte man den englischen Bastarden lassen! Nach dem Gefecht in der Ponce-de-León-Bucht war alles wieder instand gesetzt und aufgeklart worden. Das Rigg war tadellos in Schuß, die Decks waren aufgeräumt, die Taue sauber aufgeschossen.
Gato konnte sich eines Gefühls des Neides nicht erwehren. Weder Mardengo noch er waren jemals auf einem so schönen Schiff auch nur für kurze Zeit gefahren.
Aber die Galeone gehörte jetzt ihnen. Sie würden sie zu ihrem Flaggschiff machen, mit ihr zu neuen Raids auslaufen und wahrscheinlich noch einmal Fort St. Augustine angreifen, wo die Spanier bereits eine Niederlage hatten einstecken müssen.
Gato konnte sich ausrechnen, daß Mardengo dieser Gedanke gefallen würde. Auch Oka Mama würde derselben Ansicht sein. Wenn auch das Schiff fertiggestellt war, das auf der Werft lag, und wenn die „San Carmelo“ überholt war, konnten sie mit einem ansehnlichen Verband Pirates’ Cove verlassen.
Er schritt langsam nach achtern und begutachtete die Kanonen. Hervorragende Stücke, dachte er, Zwanzigpfünder und Culverinen, alles bestens in Schuß.
Er enterte das Quarterdeck, dann das Achterdeck, inspizierte alles und warf auch einen interessierten Blick in das Ruderhaus, das gerade aufgebaut war. Er kehrte auf das Quarterdeck zurück, öffnete das Achterdecksschott und betrat das Kastell. Mit einem triumphierenden Grinsen ging er bis zum Ende des Mittelganges, öffnete die Tür und stand in der Kapitänskammer.
Seine Augen hatten sich auf das Dämmerlicht eingestellt, er konnte alle Einzelheiten erkennen. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den Waffenschränken: kostbare Flinten und Pistolen besonderer Bauart, eine prachtvolle Sammlung von hohem Wert – sein Staunen war jetzt groß. Er dachte darüber nach, daß es sich lohnte, ein paar dieser Waffen auf die Seite zu schaffen, bevor sich Mardengo und Oka Mama das Schiff ansahen.
Seine Überlegungen wurden durch heranpolternde Schritte unterbrochen. Instinktiv griff er zur Pistole, ließ die Hand aber wieder sinken, als er einen seiner Kumpane erkannte, der hinter ihm durch den Gang auf ihn zusteuerte.
„Gib dich das nächstemal zu erkennen“, sagte Gato. „Um ein Haar hätte ich auf dich geschossen. Du hättest einer der Engländer sein können, die vielleicht hier an Bord noch versteckt sind.“
„Es ist keiner von ihnen an Bord zurückgeblieben“, sagte der Kerl. „Wir haben alles durchsucht.“
„Wirklich alles?“
„Die Männer nehmen sich eben die Stauräume vor.“
Gato war doch überrascht. Er hatte mit einem faulen Trick der Engländer gerechnet, mit dem Versuch, eine Falle zu stellen. Aber sie schienen derart besorgt um das Wohl ihrer drei Kameraden zu sein, die von Oka Mama festgenommen worden waren, daß sie eine derartige List nicht gewagt hatten.
In der Tat hatte Hasard anfangs mit dem Gedanken gespielt, ein paar Männer im Geheimgang der „Isabella“ zu verstecken, die im geeigneten Moment in Aktion traten. Doch es war zu befürchten, daß Oka Mama und Mardengo die Zahl der Gefangenen genau überprüften. Es war zu riskant, diese Art von List anzuwenden. Schon die Maskerade Ferris Tuckers war ein Wagnis, das einige Proben zu bestehen hatte.
Gato entfachte eine Öllampe, dann stieg er mit seinem Spießgesellen in den Schiffsbauch hinunter. Sie hörten jetzt das Geschrei ihrer Kumpane, offenbar waren die Kerle auf den Schatz von Fort St. Augustine gestoßen.
Alles hatten sie durchsucht, wirklich alles, auch den Krankenraum, die Kombüse, das Logis und die Schlaf räume im Achterdeck. Sie waren nicht auf die verborgenen Türen des Geheimganges gestoßen – dafür aber hatten sie den Schatz gefunden. Sie grölten und lachten, und zwei von ihnen stachen ein Weinfaß an, das sie aus dem Vorratsraum in den Stauraum gerollt hatten.
Gato und der andere Pirat trafen mit der Lampe bei ihnen ein. Gato grinste und beugte sich über die geöffneten Truhen und Kisten. Ein Gefühl der Glückseligkeit ergriff ihn. Er hatte diesen Schatz, der für Philipp II. von Spanien bestimmt gewesen war, schon einmal vor Augen gehabt: im Kellergewölbe von Fort St. Augustine. Durch einen Zufall hatte er ihn entdeckt, und er hatte alles darangesetzt, den Kampf im Inneren der Festung zu gewinnen und die Truhen zu bergen.
Dann aber waren die Männer der „Isabella“ erschienen und hatten alles vereitelt. Gato griff mit beiden Händen nach der größten Truhe und hielt sie fest, als könne sie von einer unsichtbaren Macht erneut entführt werden. Einmal hatte er sich den Schatz entreißen lassen – ein zweites Mal sollte das nicht gelingen.
Einer der Kerle reichte ihm einen Becher Wein, er nahm ihn an und leerte ihn mit einem Zug. Der Wein war schwer und süffig und steigerte die Euphorie.
Plötzlich durchzuckte Gato ein verwegener Gedanke: Wie nun, wenn er die Kerle dazu überredete, Mardengo und Oka Mama im Stich zu lassen? Die Zahl war ausreichend, eine Besatzung für die „Isabella“ ließ sich zusammenstellen. Sie konnten sofort auslaufen und verschwinden, ehe Mardengo auf die Idee verfiel, seine Beute selbst in Augenschein zu nehmen.
Viele der Kerle hatten die Nase voll, Mardengo hatte sie nach der Niederlage in der Ponce-de-León-Bucht mißhandelt. Sie haßten ihn und hatten an seinen überragenden Fähigkeiten als Bandenführer und Stratege zu zweifeln begonnen. Es war der richtige Augenblick, eine Meuterei anzuzetteln.
Das Risiko war gering, sie würden mit dem Schiff in der Dunkelheit untertauchen. Sie konnten die „San Carmelo“ und die Einmaster versenken, dann saßen Mardengo, Oka Mama und der Rest der Meute auf der Insel fest und konnten sie nicht verfolgen. Der Schatz von St. Augustine reichte aus, um alle Wünsche der Piraten zu erfüllen – was wollten sie mehr?
Gato wollte eben zum Sprechen ansetzen und seinen Kumpanen einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, da ertönte von oben ein Ruf.
„Gato!“ Es war die Stimme des Kerls, der als Wachtposten auf dem Hauptdeck zurückgeblieben war. „Schiffe in Sicht!“ rief er. „Im Nordwesten! Sie halten auf Pirates’ Cove zu! Gefahr!“
Gato fluchte, schleuderte den leeren Becher an Deck und stürmte nach oben.
Er trat neben den Posten, hob sein Spektiv und warf einen langen Blick hindurch. Im verblassenden Licht waren eben noch die Umrisse der Schiffe zu erkennen. Sieben Galeonen! Gato verschlug es fast die Sprache.
„Spanier“, sagte er und schluckte. „Das kann nicht sein.“
„Sie sehen mir verteufelt nach den Galeonen aus, die uns von St. Augustine gefolgt sind“, sagte der Kerl.
„Jene, die uns bei Daytona geschlagen haben?“ Gato stieß einen Fluch aus. „Ja, das könnte sein. Der Teufel mag wissen, wie sie hierhergeraten sind.“
„Sie haben einige unserer Leute an Bord. Vielleicht hat einer von ihnen ausgepackt.“
„Das wäre sein sicheres Ende“, zischte Gato.
Er beobachtete die Galeonen durch die Optik. Sie steuerten auf das Riff zu. Plötzlich grinste er. Wenn sie Pech hatten, wurden sie vom Wind genau auf die Barriere gedrückt, und dort konnte man sie mühelos zusammenschießen.
„Los“, sagte er zu dem Kerl. „Nimm ein Boot, setz über und lauf zum Lager. Alarmiere Mardengo.“
Der Mann verschwand. Gato ließ die Galeonen nicht aus den Augen. Nur kurz war die Freude über die Niederlage des Gegners, über das gekaperte Schiff und den wiedergefundenen Schatz gewesen – eine neue Gefahr drohte, die den Untergang von Pirates’ Cove bedeutete, wenn sich herausstellte, daß es wirklich der Verband aus St. Augustine war.
Die anderen Kerle hatten den Stauraum ebenfalls verlassen und traten zu Gato. Er erklärte ihnen, was er sah, und sie begannen ebenfalls zu fluchen.
„Kein Licht anzünden“, sagte er. „Noch scheinen sie uns nicht entdeckt zu haben. Vielleicht haben wir eine Chance. Sie laufen auf das Riff, und wir fallen über sie her. Los, das Schiff klar zum Gefecht!“
Rege Betriebsamkeit setzte ein, die Piraten eilten an die 25- und 17-Pfünder, und auch die Drehbassen wurden besetzt. Die meisten Geschütze waren noch geladen. Für die leeren Rohre standen Pulverfässer bereit und waren auch Kugeln in ausreichender Zahl vorhanden.
Aber aufpassen mußten die Kerle in der zunehmenden Dunkelheit. Hier und da klafften Löcher in den Planken der „Isabella“ – sie waren von den Pulvertöpfen gerissen worden, die Mardengo zum Feind hinübergeschleudert und zum Explodieren gebracht hatte. Wer nicht aufpaßte, fiel hinein und brach sich ein Deck tiefer womöglich die Knochen.
Aber die Kerle waren vorsichtig, und rasch machten sie sich mit der neuen Umgebung vertraut. Die „Isabella“ war bereit zum Gefecht. Auch auf der „San Carmelo“ und den beiden Einmastern waren alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden.
Gato brauchte nur noch abzuwarten und zu verfolgen, was der Gegner, der sich offenbar sehr zielstrebig der Insel näherte, unternahm.
Die Schleier der Nacht fielen jetzt fast atemberaubend schnell, und an Bord der Galeonen wurden die Hecklaternen angezündet.
„Narren“, sagte Gato leise. „Ihr erleichtert uns den Überfall.“
Wie Perlen auf einer Schnur wirkten die Positionslaternen der spanischen Schiffe, die sich – von Gatos Standort aus betrachtet – in schräg achterlich versetzter Linie unaufhaltsam dem Riff näherten. Es dauerte nicht mehr lange, dann hatten sie die ersten Korallenbänke erreicht.
Don Augusto Medina Lorca, der nach wie vor an der Schmuckbalustrade auf dem Achterdeck der „Santa Veronica“ stand, hatte sich die Stelle, an der der Gefechtslärm erklungen war, genau gemerkt. Deshalb lief er Pirates’ Cove von Nordwesten an. Don Lope de Sanamonte, der nicht von der Seite des Piraten gewichen war, widersprach ihm dieses Mal nicht. Er war – was selten der Fall war – mit Don Augusto einer Meinung: Es war nur richtig, am Ort des Geschehens, an dem jetzt tiefes Schweigen herrschte, nach dem Rechten zu sehen.
Der Pirat hatte als Lotse einwandfreie Arbeit geleistet. Don Lopes anfängliche Bedenken hatten sich etwas gelegt. Der Pirat indes hütete sich, von dem Riff zu sprechen, das als Schiffsfalle vor der Insel auf sie lauerte.
Seine Rechnung war einfach, und sie ging auf: Wenn er die Schiffe auf die Korallenbänke lenkte, hatte er – falls er überlebte – später eine Chance, sich vor seinen Kumpanen und auch vor Mardengo zu rechtfertigen. Er war zum Schein auf die Wünsche der Spanier eingegangen, aber nur, um sie auf die Barriere locken zu können und sie somit Mardengo auszuliefern. So würde er das Mardengo und Oka Mama gegenüber darstellen, und wenn alles klappte, mußten sie ihm glauben.
Mit rauschender Bugwelle segelte die „Santa Veronica“ in ihr Verderben. Sie sollte die erste sein, die auf den Bänken zerschellte. Die Hände des Piraten verkrampften sich um den Handlauf der Balustrade, und er preßte seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Er wünschte seinen Gegnern, daß sie starben – alle.
Vielleicht würden auch die gefangenen Piraten in der Vorpiek der Galeone ihr Leben lassen, vielleicht waren sie sogar die ersten, die ein furchtbares Ende fanden. Aber das, so befand der Mann, war ein Opfer, das gebracht werden mußte.