Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 13
8.
ОглавлениеDon Augusto Medina Lorca hatte vorsichtshalber die Marssegel der „Santa Veronica“ aufgeien lassen. Jetzt ließ er auch die Fock und den Besan wegnehmen – es war ratsam, mit langsamer Fahrt unter Land zu gehen.
Die „Santa Veronica“ glitt zwischen Korallenbänken dahin, es war fast ein Wunder, daß sie noch nicht aufgelaufen war. Der Pirat, der neben Don Lope de Sanamonte auf dem Achterdeck stand, hielt unwillkürlich den Atem an. War das die Möglichkeit? Ohne es zu beabsichtigen, hatte er das Flaggschiff in eine der Passagen gelenkt, die durch die Barriere führten und nur Mardengo und seinen Piraten bekannt waren.
Der Seemann auf dem Galion, der die Aufgabe hatte, die Wassertiefe auszuloten, schrie plötzlich: „Señor Capitán! Achtung – wir halten auf ein Riff zu!“ Trotz der Dunkelheit konnte er den flachen Buckel erkennen, der tiefschwarz aus den Fluten aufragte – direkt vor ihnen.
„Beidrehen!“ rief Don Augusto. Das Manöver wurde unverzüglich und in größter Eile durchgeführt, der Rudergänger legte Hartruder, um dem drohenden Auflaufen zu entgehen.
Tatsächlich schafften sie es: Die „Santa Veronica“ blieb in unmittelbarer Nähe der gefährlichen Bank in ausreichend tiefem Wasser liegen. Sämtliche Segel hingen im Gei. Die Männer hielten Umschau und begriffen, welch enormes Glück sie gehabt hatten. Zu allen Seiten ragten die Korallen aus dem Wasser. Die „Santa Veronica“ saß in einer Falle.
„Beidrehen!“ schrie Don Augusto auch den Besatzungen der nachfolgenden Galeonen zu, und sofort stellten sie ebenfalls verzweifelte Bemühungen an, sich zu retten.
Zwei Galeonen liefen dennoch auf. Es krachte, knackte und knirschte, und sie saßen auf dem Riff fest. Das wütende Gebrüll der Mannschaften tönte durch die Nacht, irgend jemand schien auch verletzt zu sein, ganz deutlich waren Schmerzenslaute zu vernehmen.
Don Lope packte den Piraten und stieß ihn gegen die Balustrade.
„Du Hund!“ brüllte er ihn an. „Du hast uns also doch hereingelegt! Das wirst du mir büßen!“
Der Mann setzte sich zur Wehr. Er sah seine Chance gekommen, sich zu befreien. Auf See wäre er nicht weit gelangt, hier aber, vor der Insel, konnte er wagen, außenbords zu springen und bis nach Pirates’ Cove zu schwimmen. Auf die kurze Distanz würden die Haie ihn nicht behelligen, er wußte, daß er es schaffen konnte.
Er wollte Mardengo verständigen, und sie würden die Verwirrung an Bord der spanischen Schiffe ausnutzen, um sich anzupirschen. Dann würden sie als erstes die „Santa Veronica“ entern, Don Augusto und Don Lope als Geiseln festnehmen, die Mannschaft töten und die Gefangenen aus der Vorpiek befreien.
Der Pirat entging Don Lopes wütendem Fausthieb, duckte sich und rammte ihm beide Fäuste in den Magen. Don Lope stöhnte auf, die Pistole entglitt seiner Hand und polterte auf die Planken.
Don Augusto war noch durch seine Beobachtungen abgelenkt. Sein Blick war nach achtern gerichtet, er sah, daß die vier anderen Galeonen es geschafft hatten, rechtzeitig vor dem Riff beizudrehen.
Der Rudergänger der „Santa Veronica“ eilte Don Lope zu Hilfe. Er sah, wie der Pirat die Pistole aufzuheben versuchte, schnellte vor und packte ihn. Sie überrollten sich auf dem Deck und hämmerten aufeinander ein, dann war auch Don Lope wieder auf den Beinen.
Noch einmal versuchte der Pirat, sich freizukämpfen, aber Don Lope war heran und hieb ihm einen Belegnagel auf den Hinterkopf, den er aus der Nagelbank des Besanmastes gerissen hatte. Mit einem leisen Stöhnen sank der Mann zusammen. Der Rudergänger ließ ihn los, richtete sich auf und blickte mit Don Lope und Don Augusto, der jetzt ebenfalls nahte, auf den reglos daliegenden Piraten.
Don Lope hob mit wutverzerrtem Gesicht seine Pistole auf, spannte den Hahn und zielte auf den Mann. Wieder war es Don Augusto, der ihn zurückhielt.
„Ich töte ihn!“ schrie Don Lope. „Er hat uns betrogen! Wir brauchen ihn nicht mehr!“
„Wir brauchen ihn doch noch“, sagte Don Augusto. „Wie sonst, mein bester Don Lope, sollen wir wieder aus dem Riff herausfinden?“
Darauf wußte auch Don Lope keine Antwort. Don Augusto gab dem Rudergänger einen Wink und ließ den Piraten fesseln. Er bedeutete Don Lope, mit ihm ein Stück zur Seite zu treten.
Während Don Lope noch seinen Zorn zu bezwingen versuchte, sagte er: „Der Kerl muß uns hier herausführen, sonst lasse ich ihn langsam an der Großrah hochziehen, verlassen Sie sich darauf, mein Freund. Sobald er wieder bei Bewußtsein ist, bearbeiten wir ihn. Viel schlimmer ist, daß zwei unserer Schiffe auf dem Riff festsitzen.“
„Wir müssen sie herunterziehen“, sagte Don Lope.
Don Augustos Lächeln war fast mitleidig. „Das ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen. Die Flut scheint vorbei zu, sein, wenn mich nicht alles täuscht, und bei ablaufendem Wasser haben wir keine Chance, die Galeonen freizuschleppen. Außerdem müssen wir wissen, wie groß die Schäden sind und ob es überhaupt Zweck hat, sie eventuell durch Warpen vom Riff zu holen.“
Die Kapitäne der beiden havarierten Galeonen waren inzwischen nicht untätig gewesen. Sie hatten ihre Schiffe untersucht. Der eine Mann, der bei dem Auflaufen verletzt worden war, wurde vom Feldscher versorgt. Boote waren abgefiert worden, und die Kapitäne setzten zur „Santa Veronica“ über. Vorsichtig lavierten die Bootsmannschaften zwischen den Korallenbänken hindurch, sie mußten aufpassen, daß sich das Mißgeschick nicht wiederholte.
Don Augusto und Don Lope ließen die Kapitäne an Bord der „Santa Veronica“ rufen, und die Besprechung fand auf dem Achterdeck statt. Die Lecks der beiden verunglückten Galeonen waren groß, es hatte keinen Sinn, zeitraubende Versuche zu ihrer Rettung zu unternehmen, die im übrigen von einem schnellen Instandsetzen der Schiffe begleitet sein mußten.
„All das hat keinen Sinn“, sagte Don Augusto. „Wir bergen die Mannschaften von den Schiffen und verteilen sie auf die anderen Galeonen. Die Leute, die sich auf dieser Insel verborgen halten – wer immer sie sind –, haben unseren Verband längst gesichtet. Wenn ich mich nicht irre, befindet sich an der Küste eine Flußmündung oder eine Bucht, und dort scheinen Schiffe zu ankern.“
Dies wurde durch den Ausguck der „Santa Veronica“ bestätigt, der seine entsprechenden Beobachtungen zum Achterdeck hinunterrief. Auf die relativ geringe Entfernung zwischen Riff und Insel konnte man im blassen Licht des Mondes zumindest die Masten der Schiffe sehen, die hinter der Biegung des trichterförmigen Einschnittes ankerten.
„Diese Schiffe sehen wir uns an“, sagte Don Augusto. „Vorwärts, wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Die Kapitäne verließen das Flaggschiff und kehrten zu ihren Galeonen zurück. Don Augustos Befehl wurde weitergegeben, und die Besatzungen der unversehrten Galeonen bargen die Schiffbrüchigen vom Riff.
Don Augusto ließ unterdessen eine Pütz mit Seewasser füllen, die ein Seesoldat dem bewußtlosen Piraten über den Kopf schüttete. Der Kerl kam zu sich und stöhnte entsetzt auf, als er Don Lope mit der Waffe in der Hand vor sich stehen sah. Er wollte sich bewegen, aber die Fesseln hinderten ihn daran.
„Wir sitzen in dem Riff gefangen“, sagte Don Augusto. „Aber du wirst uns wieder herausführen.“ Er wies auf die Großrah. „Anderenfalls lasse ich dich an der Rah hochziehen, und zwar ganz langsam, damit du das Zappeln richtig lernst.“
„Nun?“ sagte Don Lope drohend. „Entscheidest du dich?“
Der Pirat blickte Don Augusto an, in seinen Augen war ein Ausdruck der Panik und des Unglaubens zu lesen. Er preßte die Lippen zusammen, dann senkte er den Kopf.
„Bootsmann!“ rief Don Augusto. „Halten Sie ein Tau bereit, natürlich mit einer Schlinge! Wir wollen ein Exempel statuieren!“
„Ja, Señor!“ schrie der Bootsmann.
Die Augen des Piraten weiteten sich. Es gab viele Arten zu sterben, aber der Tod durch Erhängen war einer der schlimmsten. Er hatte Angst. Hastig nickte er und sagte: „Nein, ich habe es mir überlegt. Ich führe euch. Es gibt einen Weg durch das Riff.“
„Dann los!“ stieß Don Augusto hervor. „Alle Mann auf ihre Posten! Schiff klar zum Gefecht! Die Segel setzen, wir laufen die Insel an und sehen nach, was es mit den Schiffen auf sich hat!“
Er dachte nicht daran, sich leise zu verhalten, und er ließ auch nicht die Laternen löschen. Man sollte wissen, daß er da war, er verließ sich auf die Stärke seines immer noch aus fünf gefechtsbereiten Schiffen bestehenden Verbandes.
Nach den Anweisungen des Lotsen glitt die „Santa Veronica“ langsam durch die Passage, die nur ein Ortskundiger ohne Risiko befahren konnte. Den nachfolgenden Galeonen ließ Don Augusto Lichtsignale geben; sie schoben sich ebenfalls vorsichtig zwischen den Bänken hindurch und hielten sich im Kielwasser der „Santa Veronica“.
Die „Santa Veronica“ schwamm frei. Don Augusto ließ mehr Tuch setzen. Er ließ den Kurs korrigieren und steuerte in südöstlicher Richtung mit raumem Wind die Mündung des Flusses an – da geschah es. Die Dinge entwickelten sich anders, als er geplant hatte.
Große, unheimliche Schatten tauchten wie Schemenwesen auf – die Schiffe hatten die Flußmündung verlassen. Gato hatte wieder das Kommando auf der „San Carmelo“, Mardengo hatte die „Isabella“ übernommen. Die „San Carmelo“ und die beiden Einmaster steuerten auf die „Santa Veronica“ zu und nahmen sie in die Zange; auf der „San Carmelo“ waren die Stückpforten geöffnet und die Geschütze ausgerannt.
Gato wußte, daß es wahrscheinlich das letzte Gefecht der „San Carmelo“ war, denn ihr Rumpf füllte sich immer mehr mit Wasser und die Krängung nahm zu. Doch selbst wenn sie sank, konnten er und seine Kerle sich mit Leichtigkeit schwimmend zur Insel retten. Mardengo konnte auf die „San Carmelo“ verzichten. Wenn sie unterging, hatte er immer noch die „Isabella“ und die Einmaster. Außerdem rechnete er damit, wenigstens eine spanische Galeone aufzubringen und zu entern – vielleicht sogar die „Santa Veronica“, die bedeutend größer und in einem besseren Zustand war als die „San Carmelo“.
Wichtig war vorerst nur eins: Der Feind mußte überrascht, nachhaltig eingeschüchtert und vernichtend geschlagen werden. Gato befolgte Mardengos Anweisungen in allen Punkten. Ohne zu zögern, feuerte er den ersten Schuß aus einer der Culverinen ab. Ein greller Mündungsblitz zerriß die Dunkelheit, Rauch stieg auf, schwer rollte der Donner über die See. Die Siebzehnpfünderkugel krachte in die Bordwand der „Santa Veronica“, es prasselte und splitterte. Die Spanier schrien auf.
Das Gefecht war eröffnet. Wieder dröhnten die Kanonen der „San Carmelo“ – weitere vier Geschütze der Backbordbatterie wurden gezündet. Wieder saßen sie im Ziel, und Don Augusto sah seine Seeleute und Soldaten auf dem Hauptdeck zusammenbrechen.
„Feuer!“ schrie er. „Schießt diesen Hund zusammen!“
„Aber Señor!“ rief der Ausguck. „Es ist die ‚San Carmelo‘, die uns angreift!“
„Was?“ Don Lope war erschüttert. „Das kann doch nicht wahr sein.“
Jetzt erkannte es auch Don Augusto im Zucken der Mündungsfeuer: Die „San Carmelo“ näherte sich seinem Flaggschiff von Backbord und war im Begriff, ihn zusammenzuschießen.
„Don Helder!“ schrie Don Augusto. „Was, zum Teufel, ist da drüben los?“
Doch Don Helder Avarez antwortete ihm nicht. Er konnte es nicht, er war tot – wie die anderen Männer der „San Carmelo“. Keiner hatte das Massaker überlebt. Mardengo hatte das Schiff nicht sehr weit südlich von Daytona überfallen, seine gefangenen Kumpane befreit und mit ihnen den Angriff gegen die Spanier gewagt, der mit seinem Sieg geendet hatte. Nach dem Verlust der „Grinthian“ hatte er wieder ein Schiff gebraucht, und die „San Carmelo“, auf der Schäden auszubessern gewesen waren, hatte sich ihm geradezu als Beute angeboten.
Don Augusto Medina Lorca wußte von diesen Ereignissen nichts, aber er konnte sich in diesem Augenblick zusammenreimen, welches Schicksal Don Helder und seiner Mannschaft widerfahren war. Das triumphierende Gebrüll der Kerle an Bord der „San Carmelo“, ließ keinen Zweifel offen – man hatte es mit Piraten zu tun. Im Aufleuchten der Mündungsblitze waren auch ihre halbnackten Gestalten zu erkennen.
„Das ist – Mardengos Bande!“ stieß Don Lope hervor und ließ einen würgenden Laut vernehmen. Größer hätte seine Überraschung nicht sein können, er hatte nicht mehr damit gerechnet, noch einmal mit Mardengo zusammenzutreffen.
„Feuer!“ schrie Don Augusto noch einmal, und so spuckten nun auch die Rohre der „Santa Veronica“ Feuer und Eisen aus.
Inzwischen hatten sich zwei der vier Galeonen des Verbandes zu ihrem Flaggschiff gesellt, und sofort griffen ihre Kapitäne in das Gefecht ein. Doch inzwischen war auch Mardengo zur Stelle.
Er hatte den Heckanker der „Isabella“ lichten lassen, anschließend aber einige Schwierigkeiten mit dem Herummanövrieren und Wenden des großen Schiffes gehabt, denn seine Kerle mußten sich erst mit der Takelung und dem Ruder vertraut machen.
Jetzt aber glitt die „Isabella“ mit der Strömung aus der Mündung und steuerte mitten zwischen die Gegner. Die Stückpforten waren geöffnet, die Zwanzigpfünder und die Culverinen der Backbordseite donnerten fast gleichzeitig in einer kompletten Breitseite. Mardengo setzte auch die Drehbassen ein, er hielt mit Gato zusammen auf die „Santa Veronica“.
Don Augusto geriet schwer in Bedrängnis, doch er wehrte sich nach Kräften. Eine Galeone unterstützte ihn, die beiden anderen griffen die Einmaster an, die nun ebenfalls mit ihren Bug- und Heckgeschützen feuerten.
Im Nu tobte ein erbittertes Gefecht, in dem beide Seiten keinen leichten Stand hatten. Vor Pirates’ Cove war der Teufel los. Keiner wußte, wie das Gefecht enden würde, eine Entscheidung war noch nicht abzusehen.