Читать книгу Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 23
4.
ОглавлениеSiri-Tong und Araua befanden sich im Gewölbe des Schlangengottes. In der Roten Korsarin kämpften immer noch die Zweifel mit dem Wissen, daß diese Statue mehr war als tote Materie.
Die Rote Korsarin sah den Schlangengott an. Wieder fiel ihr auf, wie sehr die überlebensgroße Frauenstatue, um die sich die goldene Schlange ringelte, Arkana glich. Zufall – oder handelte es sich bei den Schlangenpriesterinnen der Araukaner um eine Art Dynastie, deren Abkömmlinge immer wieder aus den gleichen Familien hervorgingen? Aber Siri-Tong verwarf diese Überlegung sofort wieder, denn wie hätte dann die Vaterschaft des Seewolfs über Araua in dieses Bild gepaßt? Nein, wahrscheinlicher war, der Schlangengott suchte die Erzeuger der künftigen Hohepriesterinnen immer wieder selber aus …
Die Rote Korsarin schüttelte unwillig den Kopf, denn sie begriff, daß sich ihre Überlegungen an diesem Punkt im Kreise drehten. Aber dann blieb ihr zu weiteren Überlegungen auch keine Zeit mehr.
Araua hatte das heilige Feuer entzündet, und das Gewölbe, in dessen Felsen überall kostbare Edelsteine eingelassen waren, die nun wie tausend Augen im Schein der tanzenden Flammen zu glitzern begannen, wurde von einem betäubenden Duft erfüllt. Siri-Tong spürte, wie ihre Sinne von irgend etwas Unbekanntem umfangen wurden, wie die Umgebung vor ihren Augen verschwamm. Bilder aus längst vergangenen Zeiten stiegen vor ihrem geistigen Auge auf, und nur im Unterbewußtsein gewahrte sie Araua, die inmitten des Flammenkreises kniete, die Arme dem Schlangengott entgegengestreckt.
Wie unter einem hypnotischen Zwang wandte auch die Rote Korsarin dem Schlangengott ihre Blicke zu – und wieder geschah das, was sie auch schon mit dem Seewolf zusammen erlebt hatte: Die Augen des Schlangengottes glühten sie an. Siri-Tong spürte, wie sie von dieser grünlichen Helligkeit, von diesem gespenstischen Leuchten umfangen wurde. Und dann befand sie sich plötzlich wieder auf der Insel Mocha, jener Insel vor der Westküste Südamerikas, auf der der Seewolf und Arkana sich dereinst vor siebzehn Jahren begegnet waren. Sie sah sich zusammen mit Arkana und Araua durch die Felsen der Insel steigen. Immer höher ins Gebirge hinauf, bis schließlich tief unter ihr das heilige Tal der Araukaner lag.
Aber die Insel schien ohne menschliches Leben zu sein. Keine Araukaner lebten mehr dort, statt dessen segelte ein Geschwader spanischer Galeonen von der Seeseite auf die Insel zu. Merkwürdigerweise erschien in diesem Moment auch der Schwarze Segler des Wikingers – aber wo befand sich der Seewolf?
Verschwommen erschien Siri-Tong auch sein Bild, aber seine „Isabella IX.“ wirkte wie ein Geisterschiff, das irgendwo zwischen den Wogen und am Himmel entlangjagenden Wolken dahinglitt …
Dann begann der Abstieg ins Tal – und schließlich stand die Rote Korsarin mit Arkana und Araua vor einer riesigen Statue. Unzweifelhaft stellte sie wiederum den Schlangengott dar, aber weitaus prächtiger, kostbarer und noch viel beeindruckender als die, die sich im Tempel der Schlangeninsel befand.
Die Rote Korsarin spürte, wie sie erschauerte. Sie versuchte, sich aus dem Netz jener unsichtbaren Fäden zu befreien, die sie schon wie ein Kokon umgaben und die sich auf geheimnisvolle Weise immer dichter und dichter zu weben schienen.
Aber es war vergeblich – ihre Kräfte reichten nicht aus. Weiter und weiter versank sie in diese gespenstische Welt jenes riesigen Tempels auf der Mocha-Insel. Sie erblickte Arkana und den Seewolf, sie sah, wie Araua aus den Flammen des heiligen Feuers, das auch diese Statue wie ein lodernder Kranz umgab, gleich einem Lichtwesen emporzusteigen schien.
„Was du dort siehst, Siri-Tong, ist Vergangenheit für dich, aber es ist Gegenwart für mich, denn Vergangenheit und Gegenwart sind für mich eins. Dieser Tempel, in dem du dich jetzt befindest, ist in Gefahr. Die Spanier haben von seiner Existenz erfahren, und sie beabsichtigen ihn zu schänden und zu berauben. Darum habe ich dich, Arkana, meine Hohepriesterin, und Araua dazu bestimmt, jenes Bildnis von mir, das aber zugleich mich, den Schlangengott, beherbergt wie das Bildnis in diesem Tempel auch, von der Mocha-Insel zu holen und hierher zu schaffen. Es wird in einem Gewölbe Platz finden, das bisher keiner von euch kennt, das tief im Innern dieser Insel verborgen liegt und zu dem ihr den Zugang nur durch mich finden werdet, wenn es an der Zeit ist. Dieses Gewölbe, in dem ihr mein Bildnis von der Mocha-Insel aufstellen werdet, wird euch allen dereinst das Leben retten.“
Der Schlangengott schwieg, aber Siri-Tong spürte, daß er noch nicht zu Ende gesprochen hatte. So wartete sie, und es war der unwirklichste, der unheimlichste Moment, den sie je in ihrem Leben erlebt hatte. Tausend Bilder stürzten durch ihr Bewußtsein, und sie zeigten offenbar Ereignisse, die noch weit in der Zukunft lagen. Düstere wie helle.
Dann vernahm sie die Stimme des Schlangengottes aufs neue.
„Ich werde euch ein Zeichen senden, wenn es an der Zeit sein wird, zur Mocha-Insel zu reisen. Wirst du meiner Bitte entsprechen, Siri-Tong, denn ich habe keine Gewalt über dich, auch wenn ich dich und alle deine Freunde zu schützen vermag?“
Die Rote Korsarin wandte sich langsam um, und sie blickte in die großen, dunklen Augen Arauas. Da nickte sie dem Schlangengott zu.
„Ich werde zur Mocha-Insel segeln, wenn du es mir aufträgst“, antwortete sie, und sie wußte nicht, ob sie diese Worte gesprochen oder lediglich gedacht hatte. Aber der Schlangengott hatte verstanden, das spürte sie sofort.
„Aber ich habe noch eine Frage an dich“, fuhr sie fort, und sofort begannen die Augen in dem Schlangenkopf, die sie aber von überall im Gewölbe des Tempels anzublicken schienen, wieder zu glühen.
„Frage!“ vernahm sie seine Aufforderung.
„Warum beauftragst du nicht den Seewolf an meiner Stelle? Er hat Araua gezeugt …“
„Er wird ebenfalls mit euch zur Mocha-Insel segeln, aber er wird sich in großer Gefahr befinden. Und nur wenn es euch gelingt, mein Bildnis vor den Spaniern zu retten, wird auch er zu retten sein. Dies alles ist unabänderlich, aber ich werde euch helfen. Und jetzt segelt, wie ich Araua angewiesen habe, denn Arkana und meine Schlangenkriegerinnen befinden sich in großer Gefahr. Und auch ihr müßt auf der Hut sein. Alles, was du unternimmst, um sie zu befreien, mußt du sehr genau überdenken. Man wird euch eine Falle stellen, die tödlich sein kann …“
Die Augen des Schlangengottes erloschen, so wie der Kranz des heiligen Feuers plötzlich in sich zusammensackte.
Nach und nach erwachte Siri-Tong aus ihrem tranceähnlichen Zustand. Die grünliche Helligkeit, die ihr Inneres erfüllte und der feingesponnene Kokon, der sie umgab, lösten sich auf. Die Rote Korsarin kehrte in die Wirklichkeit zurück – aber alles, was sie erlebt und gesehen hatte, blieb in ihrer Erinnerung bestehen.
Langsam wandte sie sich Araua zu, die auch aus ihrer Trance erwacht war.
„Araua – was war das? Wieso hat der Schlangengott gerade zu mir gesprochen, wieso …“
Die Rote Korsarin schüttelte den Kopf. Was war das alles? Traum – Wirklichkeit? Aus dem Reich des Großen Chan, wo sie geboren worden war, wußte Siri-Tong, daß es mächtige Götter gab, auch wenn die unwissenden Menschen jenseits der Meere das nicht wahrhaben wollten. Dennoch war dieses Erlebnis unheimlich, und sie wußte, daß sie noch eine ganze Weile brauchen würde, um damit innerlich fertig zu werden.
Araua hatte sich an sie geschmiegt, so, wie sie es oft als kleines Mädchen getan hatte.
„Jetzt weißt du, Siri-Tong, daß es unseren Schlangengott gibt! Vergiß es nie, wir werden nur solange auf der Schlangeninsel unseren Frieden und unser Glück finden, wie er bei uns wohnt. Und eines Tages, Siri-Tong, werde ich seine Hohepriesterin sein – aber ich fürchte mich vor diesem Tag …“
Siri-Tong fuhr Araua durchs schwarze Haar.
„Komm jetzt“, sagte sie dann leise. „Wir wollen jetzt tun, was der Schlangengott uns aufgetragen hat. Deine Mutter befindet sich mit allen ihren Kriegerinnen in Gefahr, beeilen wir uns!“
Sie zog Araua mit sich empor, und dann verließen die beiden Frauen das Gewölbe des Schlangentempels. Die Statue des Schlangengottes aber stand dort, scheinbar ohne jedes Leben. Doch Siri-Tong wußte es besser.
Am späten Nachmittag dieses Tages verließen zwei Schiffe die Schlangeninsel. Der Viermaster „Roter Drache“ und eine große, seetüchtige Schaluppe. An Bord der Schaluppe befanden sich Karl von Hutten und ein paar Männer aus der Crew Arne von Manteuffels. Sie würden so rasch wie möglich nach Tortuga segeln, um dem Wikinger, Jean Ribault und Jerry Reves zu berichten, was sich zugetragen hatte und um sie zur schnellstmöglichen Rückkehr zur Schlangeninsel anzuhalten.
„Roter Drache“ hingegen nahm Südwestkurs. Noch eine ganze Weile leuchteten seine roten Segel zur Schlangeninsel im Licht der tiefer und tiefer sinkenden Sonne hinüber. Der Boston-Mann, der das Kommando über die Schlangeninsel zusammen mit dem Häuptling des Araukanerdorfes, Tomota, übernommen hatte, blickten den beiden Seglern vom Felsendom aus nach.
Erst als die beiden Schiffe in der Ferne und in der einsetzenden Dämmerung verschwunden waren, kehrten sie zur Schlangenbucht zurück. Ohne viele Worte begannen sie mit ihrer Arbeit – und im Verlauf der nächsten Stunden verwandelte sich die Schlangeninsel in eine nahezu uneinnehmbare Festung.
Als Arkana wieder zu sich kam, begriff sie sofort, daß sie sich mit ihren Schlangenkriegerinnen in einer Lage befand, die nichts Gutes ahnen ließ. Sie stand gefesselt am Stamm einer Palme. Deutlich erkannte sie weiter unten das Wrack der „Mocha II.“. Weiter hinten in der Bucht ankerte jene fremde Galeone, deren Namen sie nicht kannte, die aber jener „Black Queen“ gehörte, mit der sie gekämpft hatte.
Arkana sah sich um, und neben ihr, zur Linken, stand Tatona, gefesselt wie sie.
Arkana tauschte mit ihrer Unterführerin einen Blick, und die beiden Frauen verstanden einander sofort.
„Gib das geheime Zeichen an alle auf deiner Seite weiter, für den Fall, daß sie uns foltern und verhören. Nichts über die Schlangeninsel darf über unsere Lippen, kein Wort, verstanden, Tatona?“
Tatona nickte, dann warf sie einen Blick auf den kleinen Ring an ihrer Hand, den man ihr vorläufig noch nicht abgenommen hatte. Ihr nicht und auch keiner der anderen Schlangenkriegerinnen.
„Wer von uns verhört wird, muß losgebunden werden. Dieser Augenblick genügt. Dann mögen sie fragen, Tatona. Sie werden uns wach finden, aber wir werden keine Schmerzen leiden und auch keine Erinnerung mehr an irgend etwas haben, was wichtig für sie ist. Sie werden nicht wissen, was das zu bedeuten hat, und sie wissen auch nicht, wie lange das Gift benötigt, um unsere Körper wieder zu verlassen. Wer starb von uns in dem Kampf?“ fragte Arkana, denn sie wußte, daß sie länger bewußtlos gewesen war als Tatona. Die wilden Schmerzen in ihrem Kopf ignorierte sie.
„Niemand, Arkana. Niemand starb, der Schlangengott hat uns beschützt, und ich spüre, daß er uns auch weiterhin beschützen wird. Aber diese ‚Black Queen‘ ist gefährlich. Ich weiß, daß wir mit ihr noch einen erbitterten Kampf führen werden.“
Arkana sah Tatona erleichtert an.
„Du hast recht, der Schlangengott wird uns auch weiterhin beschützen. Und vergiß nicht – wir beherrschen nur die Sprache der Araukaner, wir …“
Arkana unterbrach sich. Sie entsann sich des schweren Fehlers, den sie der Black Queen gegenüber begangen hatte, denn sie hatte ihr auf Spanisch geantwortet, als die Black Queen gefragt hatte, wer sie sei.
„Nein, das geht nicht, jedenfalls nicht für mich, und alle anderen provozieren damit nur, gefoltert zu werden. Es ist mein Fehler, ich hätte nicht reden dürfen …“
Am Strand hatte sich die „Black Queen“ erhoben. Gefolgt von Caligula, ihrem Unterführer, stieg sie die wenigen Meter zu den Palmen, an die die Piraten die Schlangenkriegerinnen gefesselt hatten, empor.
„Rasch, Tatona, gib das Zeichen“, flüsterte Arkana und wandte gleichzeitig den Kopf nach rechts. Dann vollführten ihre Lippen ein paar Bewegungen, die aber sofort von allen anderen Araukanerinnen verstanden und denen, die Arkana nicht hatten sehen können, weitergegeben wurden.
Dann war die Black Queen heran. Sie blieb vor Arkana stehen. Ihre dunklen Augen hatten sich zu Spalten verengt.
„Was hast du eben den anderen für ein Zeichen gegeben?“ fragte sie. „Ich rate dir, zu antworten, denn ich habe es deutlich gesehen. Mich kannst du nicht täuschen!“
Arkana schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, wer mir den Hieb heimtückisch und von hinten auf den Kopf verpaßt hat, aber der Schmerz wütet in meinem Hirn, und da waren es sicherlich unkontrollierte Zuckungen, von denen ich selbst nicht einmal etwas bemerkt habe. Aber was willst du? Wenn du uns töten willst, dann tu es. Man wird uns rächen, und du wirst nicht soweit segeln können, daß meine Krieger dich nicht finden.“
„Stolz ist sie, diese Araukanerin“, sagte die Queen. Ihre Stimme sollte höhnisch klingen, aber es schwang eine Menge Respekt in ihr mit. „Und zu kämpfen versteht sie auch. Aber jetzt will ich wissen, woher ihr kommt. Das Märchen mit dem Land weit im Süden nehme ich dir nämlich nicht ab. Ihr werdet reden, verlaßt euch darauf. Entscheide dich – also?“
Die Black Queen war gerissen genug, Arkana nicht wissen zu lassen, daß der Kreole, der sich offenbar wirklich auf der Schlangeninsel befunden und einige ihrer Geheimnisse belauscht hatte, in seinem Suff weit mehr ausgequatscht hatte, als der Schlangeninsel guttat. Das hätte den feinen Plan, den Caligula ihr entwickelt hatte, sofort gefährdet.
Arkana schwieg, doch dann schüttelte sie schließlich abermals den Kopf.
„Es war die Wahrheit. Wir sind Araukanerinnen und stammen aus einem Land, das so weit im Süden liegt, daß du es nicht kennst. Wir fürchten weder deine Verhöre, noch deine Folter, die du sicher anwenden wirst. Du kannst bei mir beginnen, und du wirst erfahren, daß ich dir nichts anderes sagen kann.“
Die Black Queen starrte ihre Widersacherin an, und für einen Moment wurde sie unsicher. Denn von Arkana strömte soviel Selbstsicherheit und Ruhe aus, wie das unter normalen Umständen gar nicht möglich gewesen wäre. Jeder fürchtete die Folter, und sogar sie selbst schloß sich davon nicht aus. Aber sie gab noch lange nicht auf. Zog das eine bei dieser unheimlichen Indianerin nicht, dann doch vielleicht die andere Methode.
Sie trat noch näher an Arkana heran.
„Du hast noch etwas nicht bedacht, Araukanerin“, sagte sie. „Was glaubst du, wie scharf meine Kerle auf euch sind? Die würden sich mit dir und den anderen Mädchen gerne einen Spaß machen. Bisher habe ich das verhindert, und sie haben sich knurrend gefügt. Ihr habt eben Glück, daß ich eine Frau und kein Kerl bin. Aber ich muß es nicht verhindern, klar?“
Sie sah, wie Arkana erbleichte. Doch dann blitzten Arkanas Augen wütend auf, denn die Schmach, mit der diese Piratin sie und ihre Schlangenkriegerinnen bedrohte, war für Arkana einfach unvorstellbar. Es hatte auch eine Weile gedauert, bis sie und ihre Kriegerinnen den wilden Kerlen auf der Schlangeninsel beigebracht hatte, daß eine Schlangenkriegerin sich zwar freiwillig verschenken konnte, daß aber jede Andeutung von Gewalt schlimme Folgen für die Männer hatte. Sie alle hatten ihre Lektion gelernt, und am schlimmsten waren die Burschen vom Schwarzen Segler gewesen. Aber jetzt herrschte wieder Friede und bestes Einvernehmen unter ihnen allen, auch und ganz besonders in diesem Punkt. Aber das hier, was ihr diese Queen androhte, das ließ sie zunächst erblassen, doch dann trieb es ihr das Blut ins Gesicht.
„Das wirst du nicht wagen, Black Queen. Wer von deinen Kerlen Hand an mich oder eine von uns legt, der wird tausend Tode sterben, das sollst du wissen, und es ist mein voller Ernst. Der Schlangengott wird euch verfluchen, und du wirst erfahren, was das bedeutet. Und jetzt tu, wie du willst, aber ich habe dich gewarnt. Du und alle, die zu dir gehören, ihr werdet ausgelöscht sein, so, als hätte es euch nie gegeben, unter tausend Qualen werdet ihr jenes dunkle Reich betreten, das auf uns alle eines Tages wartet.“
Was es war, wußte die Black Queen nicht zu sagen, aber unwillkürlich trat sie ein paar Schritte zurück. Sie spürte eine unheimliche Kraft, die nach ihr griff, die sich ihr um Brust und Schultern legte, die ihr das Herz wie mit einer eisernen Faust zusammenzudrücken schien. Aus hervorquellenden Augen starrte sie Arkana an, aber sie war unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen.
Dann ließ jener unheimliche Druck wieder nach, unter dem auch Caligula in sich zusammengekrochen war und jetzt mit wild rollenden Augen um sich starrte.
„Was, zum Teufel, was war das …“, ächzte er, aber Arkana schnitt ihm das Wort ab.
„… das war nur eine Warnung, mehr nicht. Foltert uns, tut was ihr wollt, aber wenn deine Kerle uns besudeln, dann werdet ihr bereuen, uns jemals begegnet zu sein.“
Die Black Queen blickte immer noch verstört um sich. Dann trat sie wieder auf Arkana zu.
„Also die Folter duldet euer seltsamer Gott?“ fragte sie lauernd, und die Wut blitzte tückisch aus ihren Augen.
„Versucht es, aber ihr werdet keinerlei Erfolg haben, denn der Schlangengott wird verhindern, daß auch nur ein einziges Wort über unsere Lippen kommt, von dem er nicht will, daß ihr es erfahrt.“
Wieder wich die Black Queen einen Schritt zurück.
„Du willst mich provozieren, Araukanerin. Ich soll dich foltern. Aber so dumm bin ich nicht – du bist zu wertvoll für mich. Nein, wir nehmen diese da!“ Sie wies auf Tatona. „Pack sie, Caligula, binde sie los und bringe sie zum Feuer. Dann werden wir sehen.“
Sie wandte sich an Arkana.
„Mal sehen, ob dir deine großen Sprüche nicht doch noch vergehen. Caligula versteht sich darauf, Menschen genau das zu entlocken, was er wissen will. Du wirst das gleich erfahren!“
Die Black Queen ließ sich nichts anmerken, daß sie Tatona absichtlich ausgewählt hatte, weil sie ein Teil des Planes war, den Caligula ausgebrütet hatte. Tatona würde das Werkzeug sein, das sie brauchten, um an die Schätze der Schlangeninsel heranzukommen. Wobei es aber gar nicht die Schätze waren, die die Black Queen am meisten interessierten, jedenfalls jetzt noch nicht. Denn sie besaß selber Gold und Silber und Edelsteine in großer Menge. Nein – darum ging es ihr nicht, wohl aber um die Geheimnisse, die jene legendäre Insel barg.
Sie zog ihre Pistole und richtete sie auf Tatona, als Caligula ihre Fesseln löste.
„Wenn du zu fliehen versuchst, werde ich dich töten“, sagte sie. „Und es ist mir gleich, was euer Schlangengott dazu meint. Also, sei hübsch vorsichtig bei allem, was du tust …“
Caligula hatte ihre Fesseln gelöst. Wie unabsichtlich fuhr Tatona sich mit der Rechten langsam über das Gesicht, aber sie tat alles so langsam, daß auch die Black Queen keinen Einspruch erhob. Weder sie noch Caligula bemerkten, daß aus ihrem Ring bei einer bestimmten Bewegung ihres Zeigefingers ein kleiner nadelartiger Dorn hervorschnellte und sich in ihre Lippen bohrte. Dann zuckte er zurück und verschwand, unsichtbar für jeden Uneingeweihten, wieder zwischen den grünen Augen des winzigen Schlangenkopfes.
Die Black Queen trieb Tatona jetzt zum Strand hinab, dann ließ sie vier Pfähle in den Sand rammen und man band Tatona mit gespreizten Armen und Beinen an den Pfählen fest.
Andere Piraten schürten grinsend ein Feuer, das rasch entzündet worden war, und dann hockte sich Caligula neben Tatona.
Die Black Queen wandte sich um, blickte Arkana an.
„Noch kannst du reden“, sagte sie. „Noch ist es nicht zu spät. Sie ist hübsch, Arkana, so hübsch, wie ich nur selten eine junge Frau gesehen habe. Ich bin nicht wild darauf, sie durch Narben entstellen zu lassen, also?“
Aber Arkana schwieg, sie wußte, was geschehen würde. Und richtig – Caligula sprang plötzlich auf. Wütend stampfte er mit den Füßen in den Sand.
„Da, sieh dir das an, Queen!“ brüllte er voller Zorn. „Mit der können wir anstellen, was wir wollen, die wird nicht reden! Sieh dir ihre Augen an, sie sieht nichts, sie hört nichts, und sie wird auch nichts spüren! Es ist sinnlos, daß wir sie foltern!“
Die Black Queen war mit einigen Sätzen bei Caligula. Er beugte sich über Tatona – und dann richtete sie sich plötzlich wieder auf. Ihre dunklen Augen glühten vor Zorn.
„Caligula, hol die nächste, und dann wieder die nächste, ich will doch sehen, ob diese verdammte Araukanerbrut über unerklärliche Kräfte verfügt, oder ob ihr Gott wirklich so mächtig ist, wie sie behaupten!“
Caligula tat, wie ihm geheißen – aber bei allen geschah genau das gleiche. Sie lagen da, die Pupillen weit geöffnet und starrten blicklos in den Himmel. Nicht einmal ein glühendes Eisen vermochte sie wecken, und auch nicht die Peitsche, mit der Caligula voller Wut auf sie einschlug. Aber sie lebten, das fand Caligula schnell heraus.
Alle wurden erneut gefesselt und dann, weil sie nicht zu stehen vermochten, weiter hinten an den Strand gelegt. Tatona abseits von allen anderen.
„Ich habe so etwas noch nicht erlebt, Queen“, sagte Caligula und kniff die Augen zusammen. „Wir sollten jetzt unseren Plan durchführen, er wird klappen, da bin ich ganz sicher.“
Die Black Queen nickte – und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Und dieser Plan war so raffiniert, daß nicht einmal Arkana oder Tatona ihn durchschauten. Daß aber die Ereignisse auf der Schlangeninsel dabei der Black Queen und Caligula wie von selbst fast alle Vorteile in die Hände spielten, das ahnte auch Arkana nicht, und auch der Schlangengott gab ihr kein Zeichen.